"Die Welt ist voller Heuchelei!"

Mit dem Schauspiel „Hexenjagd“ verfasste der berühmte amerikanische Dramatiker 1953 sein wohl bekanntestes Stück. Vor dem historischen Hintergrund der Ereignisse in dem puritanischen Dorf Salem beeinflusst, lebt das Stück auch heute noch von einer beängstigenden Aktualität.

Miller schrieb „Hexenjagd“ vor dem Hintergrund der antikommunistischen Hetzkampagnen des legendären Senators Joseph McCarthy und seinem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe. Damals wurden zahllose Kreative von Kollegen beschuldigt, Kommunisten zu sein. Um diese Schuld auf sich zu laden, reichte es, einfach mal zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen zu sein. Dass das Stück nichts von seiner Aktualität einbüßt, unterstrich eindrucksvoll die Interpretation des Tournee Theaters Landgraf. Eigentlich sollte man glauben, dass Hexentribunale in unserer Gegenwart keine Rolle mehr spielen. Aus den mutmaßlichen Hexen wurden allerdings heute politische Gegner, unliebsame Kritiker oder Menschen, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Deren Jäger finden sich wiederum in der Politik oder in den Reihen der Medien. Zwar wurde nur allzu deutlich, dass Regie und Ensemble bei der Neuinterpretation die neuen rechten Politiker à la Trump und Orban und deren Fake News Taktik im Blick hatten, doch auch Gedanken an den Umgang mit Kritikern der Corona Maßnahmen und vor allem an die „Wormser Prozesse“ in den 90er Jahren drängten sich auf. Fassungslos schaute man als Zuschauer dem irren Treiben auf der Bühne zu, das längst eine Eigendynamik entwickelt hatte und am Ende Dutzende von unschuldigen Menschen das Leben kostete. Es ist ein Stück, das lange nachhallt.

Fazit: „Hexenjagd“ ist ein zeitloser Spiegel der übelsten menschlichen Abgründe. Das spartanische Bühnenbild lenkte dabei den Fokus auf die Dialoge, die von Miller mit üblicher Brillanz verfasst und von einem starken Cast getragen wurden. Am Ende schwebte die Erkenntnis, die die Hauptfigur und selbst Opfer, John Proctor, äußerten, „Die Welt ist voller Heuchelei!“, wie ein Damoklesschwert über den Häuptern der Theatergäste.

Text: Dennis Dirigo Foto: Andreas Stumpf