Eine subjektive Betrachtung zur aktuellen Corona Politik

Bald ist es zwei Jahre her, dass Corona und die damit einhergehenden Bekämpfungsmaßnahmen das Gesicht der Welt verändert haben. Nach wie vor befindet sich Deutschland – zumindest aus Sicht der Politik – in einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“, deren Bibel die Corona Bekämpfungsverordnung (CoBeLVO) des jeweiligen Bundeslandes ist, auch in Worms.

Sehnsucht nach Sicherheit

Die Sehnsucht von Verwaltungen und Politikern nach Sicherheit ist nachvollziehbar. Natürlich möchte niemand dafür verantwortlich sein, einen „Hot Spot“ begünstigt zu haben. Und da in Deutschlands Bürokratie nichts wichtiger ist als die Unterschrift, nähert man sich – ausgestattet mit allerlei Paragrafen und Vorschriften – vorsichtig dem Leben oder verhindert es eben. Wer erleben möchte, wie man mit den Tücken der Bürokratie das Virus bekämpfen möchte, muss nur einer Stadtrats- oder Ausschusssitzung im Mozartsaal einen Besuch abstatten. Dort hat man, basierend auf der Bibel der Pandemiebekämpfung, der CoBeLVO, die bürokratischen Hürden für das Virus nahezu perfektioniert. Begrüßt wird man zunächst am Eingang von einem Security-Mitarbeiter, der das jeweilige 3G-Zertifikat mit strengem Blick kontrolliert, ehe es entlang eines exakt vorgegebenen Weges zur persönlichen Namenskontrolle geht. War diese erfolgreich, so wird einem Einlass in den Mozartsaal gewährt. Die Tische, mal einzeln, mal aneinandergereiht aufgestellt, mal sitzt jemand direkt vor einem, mal nicht, sind durch Beschriftung der jeweiligen Funktion (Presse, Stadtverwaltung) oder direkt mit dem Namen der Sitzungsmitglieder zugeordnet. Selbstverständlich galt bis dahin eine Maskenpflicht, derer man sich sitzend am Platz entledigen darf. Auch wenn der Tisch zwei Stühle ausweist, darf man sich nicht auf einen beliebigen Stuhl setzen, sondern ausschließlich auf jenen, der nicht ausdrücklich als „Garderobenplatz“ ausgewiesen ist. Als unser Redakteur sich vor kurzem auf den Garderobenplatz setzte, wurde er freundlich, aber bestimmt darauf hingewiesen, den Platz zu wechseln. Da nutzte auch nicht der naive Glaube des Redakteurs, mit Vernunft argumentieren zu können und darauf hinzuweisen, dass die nun vorhandenen zwei leeren Stühle zu seinem Nachbarn dem Virus zusätzlich das Leben erschweren würden. Die Reaktion kam prompt, denn nicht beachtet hatte er das ausgeklügelte schachbrettartige Muster, auf das ihn die Mitarbeiterin hinwies, denn durch sein Verhalten sei nun der Abstand zum Vordermann verringert. Der dürfte in der Tat von 1,50 auf 1,40 Meter geschrumpft sein. Nebenbei bemerkt gibt es das Prinzip des Schachbrettmusters offenbar nur noch bei städtischen Veranstaltungen. Dem Redakteur schwante, dass eine weitere Diskussion womöglich mit einem Platzverweis enden würde und ergab sich den Weisungen der ausführenden Mitarbeiterin.

Sind Ungeimpfte unsolidarisch?

Natürlich ist auch der Weg zur Toilette klar definiert, sodass man keinen eintretenden Personen begegnet. Selbstverständlich gilt, sobald der Platz verlassen wird, wieder die Maskenpflicht in den weitläufigen Räumlichkeiten des Wormser Tagungszentrums. Wären die Sitzungen wiederum nur über eine 2-G Regelung zu betreten, so gestattet die Verordnung den Besuchern, keine Maske tragen zu müssen. Nun könnte man wohlwollend meinen, dass die Politik erkannt hat, dass von Geimpften und Genesenen eine Gefahr für Ungeimpfte ausgeht, da diese sich nicht mehr testen lassen müssen und somit stille Träger sein könnten. Die Botschaft ist aber eine andere und lautet: „Seht her, liebe Impfverweigerer, die anderen müssen jetzt unter unseren Maßnahmen leiden, da ihr unsolidarisch seid!“ Unterstützer findet diese Botschaft derzeit in weiten Teilen der Medienlandschaft. Wie schnell man in die Fänge eines inquisitorischen Journalisten geraten kann, der einem vor laufender Kamera anprangert, musste kürzlich der Kapitän von Bayern München, Joshua Kimmich, erfahren. Nach einem kräftezehrenden Spiel wurde er wie üblich von Journalisten in Empfang genommen, doch dieses Mal konfrontierte ihn der Sky-Journalist Patrick Wasserziehr nicht mit Fragen zum Spiel, sondern mit der Frage, warum er nicht geimpft sei. Die Antwort, dass dies mit der Angst vor unbekannten Langzeitfolgen zusammenhinge, war sicherlich ungeschickt, ändert aber nichts daran, dass es alleine Kimmichs private Entscheidung ist. Da nutzt auch die hypothetische und somit unredliche Frage Wasserziehers nichts, was denn wäre, wenn alle so denken würden wie Kimmich. Die Antwort ist, dass das nun mal nicht der Fall ist.

Freedom Day in weiter Ferne

Tatsächlich ist die Impfquote in Deutschland höher als bisher angenommen. Anfang Oktober räumte das RKI ein, Zweifel an den veröffentlichten Impfzahlen zu haben. Tatsächlich liegt diese bei den über 18-Jährigen bei knapp 80 Prozent und nicht wie zuvor kolportiert bei maximal 65 Prozent. In dieser Zahl fehlen zudem Genesene und die Gruppe ab 12 Jahren. Auch in Worms dürfte die Quote mittlerweile zwischen 70 und 80 Prozent liegen. Dass das Impfen ein probater Weg ist, zeigen die Zahlen der Krankenhäuser, die deutlich unter dem Niveau des vorigen Jahres liegen. Natürlich gibt es Impfdurchbrüche, doch in den seltensten Fällen führen diese zu einem schweren Verlauf. Ausgenommen sind hochbetagte, mehrfach vorerkrankte Senioren, wie im Falle der Verstorbenen in der Senioreneinrichtung im Haus Jacobus in Osthofen. Die Politik, die lange Zeit davon sprach, dass man bei rund 70 Prozent eine Herdenimmunität erreicht hätte, spricht mittlerweile kaum noch von Zahlen. Dem von Jens Spahn ins Spiel gebrachten Freedom Day am 25.11. wurde schon von der potentiellen neuen Ampel-Regierung eine Absage erteilt und irgendwann in den März verschoben.

Während man sich in den Nachbarländern von Kontakterfassungen, eingezäunten Getränkebuden, umfänglicher Maskenpflicht und anderen bürokratischen Bekämpfungsmonstern verabschiedet hat, mäandert die deutsche Politik zwischen einer Angststarre, die man im Dschungel der Verordnungen zu verstecken sucht, und der Sehnsucht nach dem perfekten Instrument, Ungeimpften das Leben zu erschweren. Die Entscheidung, die kostenlosen Schnelltests in kostenpflichtige zu verwandeln, könnte derweil nach hinten losgehen. Nach wie vor gilt, dass unter freiem Himmel eine Ansteckungsgefahr eher gering ist und man auf dem bevorstehenden Weihnachtsmarkt an der Glühweinhütte sicherer ist als zu Hause. 2-G wird indes dazu führen, dass immer weniger Menschen sich testen lassen und somit in eingeengten Wohnungen das Virus weitergegeben. Zwar führte diese Entscheidung auch dazu, dass sich das Spontanimpfen am Impfbus, wie zuletzt in Worms an der Hochschule, eines regen Interesses erfreute, andererseits muss die Politik langsam aber auch erkennen, dass die offenbar vorhandene Sehnsucht nach einer nahezu 100-prozentigen Impfquote eine Sehnsucht bleibt.

PS: Der Autor dieser Zeilen ist doppelt geimpft und fühlt sich bisher wohl damit. Unwohl fühlt er sich indes mit der seiner Meinung nach irrlichternden Politik, die die falschen Prioritäten in ihren Kampf gegen Corona setzt.