ODE AN DIE FREUNDE

„Freunde, ihr schönen Götterfunken,
Ihr Menschen aus Elysium.
Mit Euch mal wieder feuertrunken,
das wär himmlisch, gar ein Heiligtum.“

(Frei nach Friedrich Chiller)

Liebe Leser,

heute zieh ich es durch. Kein Wort über das Virus mit C. Kein Wort über „Der Kreativwirtschaft gehts scheiße.“ Auch diesen ominösen Wahlkampf der sich um die Ohren schlagenden Pressemitteilungen lasse ich heute weg und thematisiere auch nicht das oberbürgermeisterliche Rumeiern bei der Ausgangssperre. Das überlasse ich heute alles meinem geschätzten Kollegen auf der rechten Seite, Herrn Dr. Bims. (Wussten Sie, dass er einen Doktortitel hat?). In der heutigen Kolumne geht es einzig und allein um meine Freunde. Also, fangen wir nochmal von vorne an…

Liebe Freunde,

ich vermisse Euch!! Seit nun fast genau einem Jahr habe ich Euch gar nicht oder nur sehr sporadisch gesehen. Mit vielen von Euch habe ich sicherlich telefoniert oder auch den ein oder anderen Videocall ausprobiert, aber es ist definitiv nicht dasselbe. Natürlich kann ich von Glück reden, dass ich noch ein bisschen Kultur streamen und Musik machen darf und hier doch den einen oder anderen von Euch sehe. Ansonsten… wo seid ihr alle? Wie geht es Euch? Kommt ihr klar mit dem ganzen Scheiß? Meldet Euch mal wieder…

Obwohl man ja in dieser Zeit des verdammten Nichtstuns das Gefühl hat, wirklich gar nichts zu verpassen, so verpasst man in Wirklichkeit ziemlich viel. Menschen, die eben erst schwanger wurden, präsentieren jetzt ihre sechs Monate alten Babys und wieder andere haben plötzlich geheiratet, man war sogar auf der Hochzeit dabei, aber irgendwie auch nicht. Neulich traf ich doch im Supermarkt zwei alte Freunde von mir und wir unterhielten uns bestimmt zwei Stunden zwischen Fleischkühltheke und Gemüsefach. Ehrlich gesagt, waren wir da keine Ausnahme. Bei genauer Betrachtung fiel auf, dass der Markt voller miteinander quasselnder Menschen war. Wenn Sie also wissen wollen, warum ein Markt an einem Samstagvormittag so voll ist, hier ist der Grund.

Es fehlt eben genau diese Spontanität des Treffens. Dieses „wir sehen uns auf dem Backfischfest Klassentreffen“, das typische Kneipenwochenende oder das spontane Zusammenkommen in einem Cafe. Selbst diese langweiligen Geburtstage, bei denen alle auf schäbigen Brauereibänken umeinander sitzen, fehlen mir. Auch wenn wir natürlich alle zusammen die großen Feste vermissen oder die Festivals, die Stadionkonzerte, die Fußballspiele, das Theater, die Oper und und und…aber was ich mir persönlich am sehnlichsten wünsche seid ihr, meine Freunde, wie wir um einen Kneipentisch herumsitzen und eine Partie Kniffel nach der anderen spielen, mit einem kühlen Getränk in der Hand. Wäre das nicht schön?

In diesem Sinne lasst uns weiter durchhalten und uns demnächst wieder mehrere Stunden in einem Supermarkt unserer Wahl zur Unterhaltung treffen.

Viele Grüße
Jim Walker Jr.

„…wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein;
Wer ein holdes Weib errungen,
Mische seinen Jubel ein“

(der echte Schiller)