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Es war ein prestigeträchtiges Unterfangen, als der Medienriese „Amazon“ 2017 verkündete, die Rechte an „Herr der Ringe“ erworben zu haben, um daraus eine Serie für den hauseigenen Streamingdienst zu machen. Heute, fünf Jahre später, war es soweit und in acht Folgen zeigte sich, dass es mehr braucht, als nur einen berühmten Namen.

Erbe verpflichtet, heißt es so schön und das gilt natürlich auch für den Umgang mit einem literarischen Erbe wie Tolkiens „Herr der Ringe“. Sich dieses Erbes bewusst, verkündeten die Macher noch vor Veröffentlichung der ersten Bilder selbstbewusst: „Wir erzählen den Roman, den Tolkien nie geschrieben hat!“ Dieses Unterfangen wurde allerdings dadurch erschwert, dass Amazon nur über eingeschränkte Markenrechte des Ringe-Universums verfügt. Diese beziehen sich auf die insgesamt sechs Kinofilme, sowie auf diverse Anhänge weiterer Tolkien Sammlungen. Die bekannteste Sammlung unvollendeter Geschichten, „Das Silmarillon“, gehörte wiederum nicht zu dem Paket. Für die Serienkreativen bedeutete das, neue Figuren und Handlungsstränge zu entwickeln. Für die Macher war zudem klar, dass der durchschnittliche Zuschauer keine Kenntnisse der sogenannten „Herr der Ringe-Lore“ benötigt, um der Serie folgen zu können.

Die dadurch neu erworbene kreative Freiheit nutzte man aber erstmal, um etwas Farbe nach Mittelerde zu bringen, in dem man in dem bisher hellhäutigen Mittelerde Universum dunkelhäutige Charaktere einführte. Unter den werktreuen Tolkien Fans sorgte dies für erhebliche Kritik, was wiederum zum Einsatz der allseits bekannten Rassismus Keule führte. Dabei ist das Problem nicht die Besetzung mit dunkelhäutigen Darstellern, vielmehr zeigt bereits diese Produktionsentscheidung eines der Hauptprobleme dieser Serie. Dinge geschehen nicht, weil es die Geschichte erfordert, sondern weil es die Autoren so wollen. Nach Sichtung der acht Folgen bleibt vor allem die Erkenntnis, dass die Schreiber sich wohl nicht entscheiden konnten, ob sie sich nun an Tolkiens Erbe halten wollten oder eben nicht. Eigentlich sollten Vorkenntnisse nicht erforderlich sein, irritierenderweise sorgen die Autoren allerdings immer wieder dafür, dass Namen oder Ereignisse aus der Lore wahllos in die Serie geworfen werden, ohne diese zu erklären. In anderen Momenten missachtet man das Erbe und schreibt Tolkiens Welt einfach um.

Weil es derzeit angesagt ist, einen diversen Cast zu besetzen, macht man das mal eben so, ohne zu erklären, warum Miriel, die Königin von Numenor, dunkelhäutig ist, aber ihr Vater ein alter, weißer Mann. Dieses Prinzip der erzählerischen Willkür, die einem im Verlauf der acht Folgen auch auf dramatischer Ebene immer wieder begegnet, ist es, die viele Zuschauer, und auch uns, enttäuscht hat. Nun könnte man argumentieren, dass es sich hierbei schließlich um eine Fantasy Geschichte handelt, in der alles möglich ist. Aber genau diesen Freiraum nutzen die Autoren nur selten oder eben willkürlich, schließlich gibt es ja durchaus Regeln, die Tolkien für seine Welt festgelegt hat. Aber das schert Amazon und sein kreativ Team herzlich wenig. Statt zu überlegen, wie man den Freiraum innerhalb dieser Welt nutzen könnte, entscheidet man sich eben für das Prinzip der Willkür. Das gilt vor allem für die Storyline, der die acht Episoden folgen. Wie es der Name bereits ankündigt, stehen im Zentrum der geplanten fünf Staffeln die titelgebenden Ringe und deren Entstehungsgeschichte. Bis es in Folge acht so weit ist und die ersten drei Ringe geschmiedet werden, muss der Zuschauer viel Geduld aufbringen.

Beginnend mit den Kindertagen der Elbin Galadriel, die in den „Herr der Ringe“ Filmen mit gravitätischer Erhabenheit von Cate Blanchett gespielt wurde und nun als zornigen und rachsüchtige junge Elbin nervt, fasst die Serie erst einmal die Vorgeschichte zu dieser Vorgeschichte von „Herr der Ringe“ zusammen. Nachdem die Elben Jahrtausende in Frieden lebten, zogen sie gegen den dunklen Herrscher Morgoth in die Schlacht und besiegten diesen. Dennoch sorgte ein weiterer dunkler Herrscher, bestens bekannt als Sauron, nebst seiner Orks weiterhin für Unfrieden. So kommt es, dass Galadriels Bruder stirbt und sie Rache schwört. Da die Elben nun mal friedliebend sind, möchte man ihren Weg nicht teilen und schickt sie in den Elbenhimmel. Dem entzieht sie sich, in dem sie auf der Reise dorthin beherzt ins Wasser springt, von einem Schiffbrüchigen gerettet wird, um schließlich gemeinsam von einem Inselvolk aus dem Wasser gefischt zu werden. Parallel führt uns die Serie in die Welt der Halbfüßer ein, die eine Art von Hobbit Volk sind und wie Nomaden durch die Welt ziehen. Deren Leben gerät aus den Fugen, als ein unbekannter Mann vom Himmel fällt.

Schwierige Zeiten stehen auch den Menschen in den Südlanden bevor. Von den Elben bewacht, die aber im Begriff sind, ihren Außenposten aufzugeben, leben sie in einem Grenzgebiet, in dem sich zunehmend wieder Orks tummeln. In einem vierten Erzählstrang geht es in die Welt der Zwerge. Dort möchte der Elb Elrond Mithril erwerben, um damit den Untergang der Elben zu verhindern. Gefüttert wird dieses überschaubare Handlungsgerüst mit pathetischen, aber inhaltsleeren Dialogen, die mit getragener Stimme bedeutungsvoll vorgetragen werden, oftmals unfreiwillig komisch wirken und zudem die einzelnen Episoden unnötig in die Länge ziehen. Ebenso schaffen es die Autoren nicht, ihren Charakteren eine Entwicklung in der ersten Staffel zuzugestehen. Auch hier steht die Willkür im Vordergrund. Das gilt vor allem für Galadriel als unbelehrbarer, besserwisserischer Racheengel, deren Entscheidungen immer wieder katastrophale Folgen nach sich ziehen, was sie als Sympathieträgerin ausschließt. Blöd ist das besonders, wenn am Ende der ersten Staffel ausgerechnet der Antagonist deutlich sympathischer wirkt.

FAZIT: Wenn die Serie 2024 fortgesetzt wird, kann man nur hoffen, dass dann deutlich mehr Wert auf ein schlüssiges Drehbuch gelegt wird. Im Angesicht der eingeschlagenen Pfaden dürfte das allerdings zweifelhaft sein. Leider zeigte sich in den acht Folgen, dass die Macher offenbar nicht verstanden haben, was den Erfolg von Peter Jacksons grandioser „Herr der Ringe“ Verfilmung ausmachte. Fairerweise muss man allerdings einräumen, dass Jackson das offenbar selbst nicht getan hat. Anders ist zumindest das nicht weniger grandiose Scheitern der „Hobbit-Trilogie“ nicht zu erklären.

WO! Wertung: enttäuschend

Text: Dennis Dirigo