05. Oktober 2016 | Das Wormser Theater:

Der Schriftsteller und Strafrechtsverteidiger Ferdinand von Schirach hat mit seinem Buch „Terror“ für bundesweites Aufsehen gesorgt. Die Ausgangssituation: Der Angeklagte Lars Koch hat als Soldat ein von Terroristen entführtes Flugzeug mit 164 Insassen eigenmächtig abgeschossen, weil diese gerade im Begriff waren, ein vollbesetztes Stadion anzufliegen und das Leben von 70.000 Menschen zu gefährden.

In der Pause des als Gerichtsverhandlung angelegten Theaterstücks darf jeder Zuschauer nach bestem Wissen und Gewissen abstimmen. Danach entscheidet sich, wie das Theaterstück weitergeht. „Ist der Pilot ein Verbrecher oder ein Held?“ lautet die zentrale Frage. Knapp zwei Wochen nach dem Theaterstück in Worms, wurde auch der dazugehörige Film erstmals in der ARD aufgeführt. Während jedoch im Film Publikumsliebling Florian David Fitz als Angeklagter um die Gunst des Publikums buhlen durfte, übernahm im Theater Christian Meyer diese Rolle und legte diese weitaus „rauer und irgendwie auch unsympathischer“ an. Vom Prinzip hatten aber die meisten Besucher schon vor Prozessbeginn ihr Urteil gefällt. Wenn schon kein juristisches, dann doch zumindest ein moralisches. Es ist das alte Superman-Prinzip. Wenn der eine Stadt mit einer Million Menschen vor dem Untergang rettet, aber dabei ein paar hundert Leute über die Wupper gehen, würde man ihn doch dafür niemals in den Knast stecken. Aber ist es richtig, viele Menschenleben gegen weniger Leben aufzuwiegen? Da man im Prozess selbst lange Zeit nur sattsam bekannte Argumente von Verteidigung und Staatsanwaltschaft hörte, kam erst Schwung in die Sache, als eine Nebenklägerin auftrat. Ihr Ehemann war an Bord der Maschine, mit ihm stand sie bis kurz vor seinem Tod in Kontakt und erfuhr, dass die Passagiere in dem entführten Flugzeug gerade im Begriff waren, die Entführer zu überwältigen. Die wichtigste Frage der Staatsanwältin an den Angeklagten lautete jedoch: „Hätten Sie auch getötet, wenn ihre Frau und ihr Kind in dem Flugzeug gesessen hätten?“ Darauf wusste selbst der redselige Angeklagte keine Antwort. Trotzdem wurde er in Worms – wie in den anderen Städten Deutschlands auch – vom Publikum unschuldig gesprochen.

FAZIT: Spannendes Experiment mit wenig überraschendem Ausgang. „Juristisch richtig“ wäre in Anbetracht des Mordes an 164 Personen das Urteil „Schuldig“ gewesen, mit der Aussicht, dass der Angeklagte eine Bewährungsstrafe erhält. Das stand allerdings nicht zur Debatte.