Eine Pressemitteilung der Stadt Worms:
Aufgrund der Ergebnisse eines Klimagutachtens wird die Stadt Worms die weiteren Planungen für eine Ausweisung von Gewerbeflächen im „Mittelhahntal“ nicht fortführen. Dies teilten Oberbürgermeister Adolf Kessel, Bürgermeisterin Stephanie Lohr und Stadtentwicklungsdezernent Timo Horst im Rahmen eines Pressegesprächs mit. In der ersten Sitzung des Bauausschusses im neuen Jahr soll das Gutachten von den politischen Mandatsträgern beraten und das weitere Vorgehen beschlossen werden.
In Auftrag gegeben hatte die Verwaltung das Klimagutachten, um ermitteln zu lassen, wie sich eine mögliche gewerbliche Bebauung des Gebietes „Mittelhahntal“ insbesondere auf das Innenstadtklima auswirken könnte. „Wir konnten die Auswertung des Gutachtens noch vor Jahresende abschließen. Die Ergebnisse sind eindeutig und lassen keinen anderen Schluss zu, als die Fläche nicht mehr weiter in Betracht zu ziehen“, fasste Timo Horst das Resultat des Gutachtens zusammen. Die Auswirkungen auf die Innenstadt sind an heißen Tagen zu gravierend, als das hier ein Ausgleich gefunden werden könnte.
Beatrice Karg, Leiterin der Abteilung Stadtplanung im Dezernat Horst, stellte die Ergebnisse im Detail vor. Das Gutachten des beauftragten Büros – die K.Plan – Klima. Umwelt & Planung GmbH mit Sitz in Bochum – befasst sich mit den möglichen Auswirkungen einer Bebauung der Fläche „Mittelhahntal“ im Hinblick auf das Kaltluftverhalten und die Belüftungsfunktion für die Wormser Innenstadt. Methodisch verglich das Fachbüro den Ist-Zustand mit einem Modellplan von möglichen gewerblichen Bebauungen, die als Strömungshindernis und durch Aufheizungen das bestehende Kaltluftsystem verändern könnten.
Hintergrund war eine vertiefende Betrachtung des Themas Klimaschutz im Rahmen der Aufnahme des Gebiets in den Flächennutzungsplan. Das Klimakonzept Innenentwicklung von 2020 lieferte zwar Hinweise auf die klimatische Situation in diesem Gebiet, allerdings nur begrenzt auf die klimatische Situation in der Innenstadt, insbesondere an heißen Sommertagen. Das nun vorgestellte Gutachten schließt nun diese Erkenntnislücke.
„Kommunen müssen sich verstärkt mit den Auswirkungen des Klimawandels beschäftigen und Anpassungsstrategien entwickeln“, erläuterte Bürgermeisterin Stephanie Lohr, zu deren Dezernat nicht nur die Wirtschaftsförderung gehört, sondern auch die Themenbereiche Klimaschutz und Klimaanpassung. Das Gutachten geht davon aus, dass lokale Ausprägungen des Klimas in erster Linie von den verschiedenen Flächennutzungen bestimmt werden.
Ein Schaubild verdeutlicht den Zusammenhang zwischen den für eine Stadtbelüftung und damit Abschwächung von sommerlichen Hitzebelastungen relevanten Kaltluftflächen und Luftleitbahnen über die Planflächen „Mittelhahntal“. Bereits im jetzigen Zustand weist das Stadtbild mehrere so genannter „Hitzeinseln“ auf, also Bereiche, die sich im Sommer besonders stark aufheizen. Das Schaubild zeigt außerdem die verschiedenen Kaltluftflächen und Luftleitbahnen. Untersucht wurden die Auswirkungen einer Bebauung des Mittelhahntals mittels mesokaliger Simulationen des Kaltluftflusses. Mesokalig meint einen Skalenbereich der Meteorologie und beschreibt eine horizontale Erstreckung bis 2.000 Kilometer. Zu Wettererscheinungen im mesokaligen Bereich gehören etwa Gewitter, Wetterfronten und Hurricanes. Eingesetzt wurde bei den Untersuchungen das Kaltluftabflussmodell des Deutschen Wetterdienstes, das Kaltluftbewegungen in ihrer Dynamik und zeitlichen Entwicklung flächendeckend wiedergeben kann. Berücksichtigt wurden dabei auch unterschiedliche Geländehöhen und Gebäudestrukturen des Untersuchungsbereichs.
Ergebnis dieser hoch komplexen meteorologischen Untersuchungen: Im Plan-Szenario, bei dem von einer bebauten Fläche im Mittelhahntal ausgegangen wird, fließt keine Kaltluft mehr mit dem Hauptstrom nach Osten über die Fläche. Damit verringert sich auch der Kaltluftzufluss in die Wormser Innenstadt deutlich. Besonders betroffen wäre demnach die sich nordöstlich anschließende Bebauung (Kirschgartenweg Richtung Innenstadt). Fazit: Der Haupt-Kaltluftstrom verläuft über die Freiflächen von Westen bis in die Bereiche der Wormser Innenstadt hinein. Damit spielt die Freifläche des Plangebietes eine bedeutende Rolle für die Abschwächung der sommerlichen Hitzebelastungen in der Wormser Innenstadt. Die Temperaturen könnten in den betroffenen Bereichen gemäß Planszenario nachts um mehrere Grad ansteigen.
Dass die Stadt Worms dennoch nicht auf die Ausweisung weiterer Gewerbeflächen verzichten kann, steht für die Verwaltung außer Frage: „Ich habe stets betont, dass wir das Mittelhahntal nicht alternativlos aufgeben können. Deshalb schauen wir bereits jetzt auf andere Bereiche, die möglicherweise auch kurzfristig als Gewerbeflächen ausgewiesen werden könnten“, betont Oberbürgermeister Adolf Kessel. Grundlage hierfür sei das Klimakonzept Innenentwicklung der Stadt Worms, das potentielle Bau- und Gewerbeflächen untersucht. Das Konzept identifiziert klimatisch geeignete Standorte und Bauflächen für eine zukünftige Gewerbeentwicklung im Stadtgebiet. „Bei dieser ersten Sondierung wurden insgesamt sieben Potenzialflächen in strategischer Größe, also größer als 25 Hektar, definiert. Daran werden wir nun weiterarbeiten“, erklärt Stadtentwicklungsdezernent Timo Horst.
„Unsere Stadt weist neben ihrer Größe und Bedeutung insbesondere auch Entwicklungsvorteile im Hinblick auf Verkehrslage und sonstige Infrastrukturvoraussetzungen auf. Dementsprechend ist Worms aus landes- und regionalplanerischer Sicht ein Schwerpunkt für Arbeitsmarkt und Gewerbe. Ohne Frage muss es uns vor diesem Hintergrund gelingen, geeignete Gewerbeflächen auszuweisen, damit wir unsere guten Standortfaktoren besser ausnutzen können“, betont Bürgermeisterin Stephanie Lohr. Der Blick der Verwaltung richtet sich dabei immer auch auf die Haushaltslage der Stadt. Denn diese, darin sind sich alle Verantwortlichen einig, kann nur durch zusätzliche Gewerbesteuereinnahmen nachhaltig verbessert werden.
Das Klimagutachten ist unter folgendem Link abrufbar:
https://www.worms.de/neu-de-wAssets/docs/aktuelles/2023/Worms-Mittelhahntal-Klimagutachten.pdf