26. Juni 2015
Lincoln Theater in Worms:
Eins vorweg: Die im Juni uraufgeführte Inszenierung des von Constantin Schwab verfassten Stücks, ist die bisher beste Aufführung der jungen Theatergruppe um Regisseur Christian Mayer. Dass sie letztlich nicht rundum überzeugen konnte, lag diesmal an dem Stück selbst, wobei besonders die erste Hälfte noch sehr stark zu unterhalten wusste.
Bereits die Anfangsszenerie ließ Unheilvolles ahnen. Ein anonymer Lagerraum, gefüllt mit ebenso anonymen Umzugskartons, darin geschickt platziert die Musiker, die somit nicht nur Begleiter waren, sondern auch Bestandteil des Geschehens. Schwere Moll-Töne, die entfernt Erinnerungen an Bernhard Herrmanns genialen „Psycho“ Soundtrack weckten, stimmten die Zuschauer auf die Aussicht ein, keine leichte Kost an diesem Abend serviert zu bekommen. Die Grundkonstellation der Geschichte war flott hergestellt. Fünf junge Menschen platzten in diesen Raum, mit ihnen im Schlepptau eine ebenso junge Frau, gefesselt und geknebelt. Mit gutem Gespür für Timing und pointierten Dialogen wurde dem Zuschauer die Situation schnell erklärt. Zuvor waren diese fünf Personen offenbar in ein Haus eingestiegen, um Verschiedenes zu stehlen. Allerdings ging es den Einbrechern weniger um das Diebesgut, sondern offenbar um den Nervenkitzel. Dumm nur, dass die Bewohnerin zuhause war. Kurzentschlossen entführten sie die unliebsame Zeugin Maria (Josie Ludwig, die an diesem Abend, die wohl schwierigste, weil ambivalenteste Rolle hatte), die sich als clevere Journalistin entpuppte. Sich um die Gefahren eines Kammerspiels bewusst, sorgten Schwab und Mayer in der ersten Hälfte durchaus für Kurzweil. Erreicht wurde dies durch unterhaltsame Ideen, wie einem skurrilen Macho Auftritt des bekannten Schmuckdesigners Arnulf Kienast als Vater eines der Einbrecher, sowie einer geschickt arrangierten Rangelei unter Entführern und der Entführten, bei der der Journalistin Maria die Flucht gelang. Dies führte zu einer ersten Storywendung, der man in diesem Moment noch wohlwollend gegenüber stehen konnte, denn überraschenderweise kehrte die Journalistin kurz nach ihrer Flucht wieder zurück. Getrieben von ihrer berufsbedingten Neugier, wollte sie mehr über die Diebe und deren Motivation erfahren. Nach anfänglichem Zögern öffneten diese sich immer mehr. Was an dieser Stelle zu einem packenden Psychodrama hätte werden können, entwickelte sich nach der Pause zu einem etwas arg moralischen Lehrstück über Schuld und Sühne. Zwar blieben das Erzähltempo und die Leistungen des jungen Ensembles immer noch gut, ausgebremst wurde dies jedoch durch die finale Wendung, die ein wenig zu sehr nach Klischee roch und den erhobenen Zeigefinger ein bisschen zu hoch hob. Wahrscheinlich tue ich dem Autoren unrecht, allerdings erinnerte die Geschichte letztlich an einen Hybriden aus der Kapitalismus kritischen deutschen Satire „Die fetten Jahre sind vorbei“ und dem herrlich grotesken britischen Grusler „Theater des Grauens“ mit Vincent Price, in dem es ebenfalls um die Verantwortung von Kritikern gegenüber Künstlern ging. Vielleicht wollte Schwab seinen Kritikern mit diesem zwiespältigen Finale ein wenig die Luft aus den Segeln nehmen. Im Laufe des Stücks schälte sich eine tragische Verbindung zwischen Maria und der Einbrecherin Viki (sehr konzentriert gespielt von Lena Leidemer) heraus. Gebrochen von einer vernichtenden Kritik, die in der Vergangenheit von der Journalistin verfasst wurde, nahm sich der Vater der Einbrecherin das Leben. Unter dem Druck der Anklage beschloss Maria, sich ebenso das Leben zu nehmen, wurde jedoch letztlich davon abgehalten. Diese Botschaft von der Verantwortung der Kritik wirkte ein wenig zu holzschnittartig, zumal die Geschichte diese bemühte Entwicklung nicht nötig gehabt hätte.
Fazit: Inszenatorisch gelungene Aufführung, die jedoch in der zweiten Hälfte von ihrer inhaltlichen Entwicklung her nicht bis zum Ende überzeugen konnte. Eine gute Leistung des Ensembles, bei dem vor allem die typgerechte Besetzung positiv auffiel, täuschte über so manche Storyschwäche hinweg. Es bleibt festzuhalten, dass die inszenatorische Schlankheitskur der Gruppe, trotz ein paar Schwächen, sehr gut getan hat.