Deutschland ist bekanntermaßen das Land der Vorschriften. In keinem Land hegt man ein dermaßen inniges Verhältnis zur Bürokratie. Hier scheint es nichts zu geben, was nicht von Behörden reguliert und vorgeschrieben wird. Doch immer dann, wenn man diesem Glauben aufsitzt, kommt da eine neue Vorschrift um die Ecke und schmälert gleich mal wieder den Geldbeutel. In Worms könnte eine solche neue Vorschrift knapp 2,1 Millionen kosten.
Die jüngste Vorschrift, die den Stadtkämmerer in Sachen Haushalt den einen oder anderen Schweißtropfen auf die Stirn zaubern könnte, ist jene, dass Brückengeländer 1,30 Meter hoch sein müssen. Vorgegeben wird diese Höhe von der Bundesanstalt für Straßenwesen in der von ihr verfassten Verordnung mit dem charmanten Namen „Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Ingenieurbauwerke“. Dort heißt es, dass, wenn zu erwarten ist, dass Radfahrer die Brücke queren, eben diese 1,30 Meter gelten. In Worms trifft das auf 90 von 162 Brücken nicht zu. Erlassen wurde diese nette Regelung im Jahre 2013. Diese bezieht sich zumindest in der Empfehlung der Geländerhöhe auf die „Empfehlungen für Radverkehrsanlagen“, die seit 2010 in Deutschland als technisches Regelwerk für die Planung, den Entwurf und den Betrieb von Radverkehrsanlagen gilt. Dort findet sich dann auch erstmals die Empfehlung, dass die Geländerhöhe eben jene 1,30 Meter haben soll. Zudem änderte sich 2016 die Straßenverkehrsordnung. Demnach dürfen seitdem auch Erwachsene auf dem Gehweg fahren, wenn sie ein Kind begleiten, was natürlich auch Konsequenzen für das Überqueren von Brücken hat. Bei einem Städtetag 2018 verbreitete es sich wie ein Lauffeuer, dass Kommunen im Falle eines Unfalls damit rechnen müssen, schadenspflichtig zu sein. Der Wormser Baudezernent Uwe Franz geht sogar noch ein Stückchen weiter und erklärt unserem Magazin gegenüber, dass es bei grob fahrlässigen Verhalten seitens der Stadt strafrechtlich sogar für den entsprechenden Sachbearbeiter eng werden könnte.
Grund genug, das Problem auch in Worms anzugehen. Wie Uwe Franz sagt, müsste die Umsetzung schon längst geschehen sein. Da dies finanziell und technisch nicht machbar ist, wurden die Brücken in drei Risikogruppen eingeteilt. Die erste Gruppe bezieht sich auf Brücken mit extrem niedrigen Geländern. Diese sollen in einer selbst gesetzten Frist innerhalb von zwölf Monaten auf den neuesten Stand gebracht werden. Zu diesen Brücken gehören die Kriemhildenbrücke, die Brücke über die Bahnlinie im Kirschgartenweg, die Pfrimmquerungen (Nievergoltstraße, Landgrafenstraße, Von-Steuben-Straße, alle Überführungen B 47, aber auch die Eisbach-Überquerungen in Heppenheim, Wiesoppenheim). Da bei diesen Brücken die Geländer sehr niedrig sind, bergen diese ein dementsprechendes Gefahrenpotential, Die zweite Gruppe soll in spätestens 30 Monaten angepasst werden und leichtere Fälle möchte man in maximal 48 Monaten erledigt haben. Doch die deutsche Regulierungswut hat auch ihre positiven Momente, denn keine Regel ohne Ausnahme! Bei geringen Abweichungen bis zu zehn Zentimeter kann ein Bestandsschutz geltend gemacht werden, sodass in Worms zumindest die Brunhildenbrücke vorerst nicht gemacht werden muss. Weniger positiv ist, dass Deutschlands Regulierer auch den Abstand zwischen den Geländersprossen vorgeben, dieser darf maximal zwölf Zentimeter sein. Auch hier muss nun die Stadtverwaltung mit dem Zollstock ran. Zu guter Letzt wäre da noch der Kämmerer, der schließlich die Rechnung zahlen darf – und die fällt mit voraussichtlich 2,1 Millionen Euro durchaus ordentlich aus.