Es scheint, als sei die Wetterfee eine enge Verbündete der Nibelungenfestspiel gGmbH. Anders ist es nicht zu erklären, dass die alljährlich wiederkehrende Pressekonferenz zu den bevorstehenden Festspielen immer wieder von bestem Wetter begleitet wird. Selbst das manchmal miesepetrige Berlin konnte sich im vergangenen Jahr der alljährlichen Sonnenpracht sicher sein.
Worum geht’s?
Kriemhild, Hagen und die Burgunder sind tot, und Etzel, der um seinen ebenfalls getöteten Sohn Ortlieb trauert, reist nach Worms, um dort seinen Anspruch als Erbe des Burgunderlandes und des sagenumwobenen Nibelungenschatzes geltend zu machen. Doch dort bleibt die Forderung des Hunnenkönigs nicht unwidersprochen, denn vor dem Dom in Worms sind bereits Siegfrieds Eltern, das Königspaar Siegmund und Sieglinde aus Xanten, eingetroffen, die ebenfalls den Schatz als Nachlass ihres in Worms ermordeten Sohnes einfordern. Ein Machtkampf beginnt. Es sind die Männer, die zwar kämpfen, doch am Ende sind es die Frauen, die über das Schicksal der Könige entscheiden: Brunhild, die in Worms zurückgeblieben ist, Ute, die alte Königsmutter, und vor allem die junge Swanhild, in der ein ganz anderes Erbe weiterlebt: Die Kompromisslosigkeit ihres Vaters, von Siegfried, dem Drachentöter.
Nach dem letztjährigen Exkurs in Deutschlands Hauptstadt traf man sich in diesem Jahr wieder in unserer gemütlichen Nibelungenstadt. Ein Umstand, der sich positiv auf die Atmosphäre auswirkte und vor allem auf die Gespräche, die wir an diesem Morgen mit Jürgen Prochnow, Roger Vontobel sowie mit dem Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel führten (die Interviews finden Sie in den WO! Ausgaben Juni und Juli). Kein hauptstädtischer Stress, stattdessen gab es rheinhessische Gelassenheit, wohin man auch schaute. Nach einem großen „Hallo“ im Außenbereich des Restaurants Hinz und Kunz ging es um Punkt 11 Uhr in den Mozartsaal, wo bereits ein beachtlicher Tross an Presse auf die Präsentation des neuen Stückes – und vor allem des Ensembles – wartete.
Eine Frage sorgt für Irritation
Einmal mehr betonte OB Kissel zu Beginn der Veranstaltung die Bedeutung der Festspiele für das Land Rheinland-Pfalz und vor allem für Worms. Nach all den Diskussionen in den vergangenen Monaten – rund um die Budgeterhöhung der Festspiele – war es OB Kissel wichtig, erneut auf die Wertschöpfungskette, die durch die Festspiele ausgelöst wird, und die positive Ausstrahlung der Stadt, hinzuweisen. Irritiert wirkte er dagegen aufgrund der Fragestellung von Thomas Laue, dem künstlerischen Leiter der Festspiele, der an diesem Tag die Moderation übernahm: „Wo ist der OB am meisten nervös? Schließlich engagiert sich die Stadt mit erheblichen Mitteln…“, fragte Laue und spielte offensichtlich auf die Diskussionen in der Wormser Bürgerschaft an. Sichtlich irritiert suchte Kissel etwas länger nach einer Antwort und erklärte ausweichend, dass er sich darüber freue, dass man mit der KVG (Kultur- und Veranstaltungsgesellschaft) „Gott sei Dank“ professionelle Strukturen geschaffen habe, und schob nach, dass er lediglich beim Blick aufs Wetter am Premierentag nervös werden würde. Laue, der zunächst 2016 als Dramaturg bei den Festspielen begann, ergänzte hierzu, dass die Festspiele einem Theaterwunder gleichen, da man Jahr für Jahr Theater aus dem Nichts erschaffen würde.
Das Ensemble
Kernelement der Pressekonferenz war natürlich die Vorstellung des künstlerischen Teams und vor allem des Schauspieler Ensembles. Auf den ersten Blick wirkt es, bis auf die Gallionsfigur Jürgen Prochnow, unscheinbar. Auf den zweiten Blick zeigt sich ein hochkarätiges Ensemble, das zwar an diesem Tag nicht komplett in Worms zugegen war, aber dennoch tolle schauspielerische Leistungen verspricht. Im Mittelpunkt der Pressekonferenz sowie des Stücks steht natürlich Jürgen Prochnow. Bekannt geworden durch den damals sechsfach für den Oscar nominierten Film „Das Boot“, spielte der gebürtige Rheinländer in zahlreichen Hollywood Produktionen mit. Nach seiner Rückkehr aus Amerika 2016 hat sich der Schauspieler mit den markanten Gesichtszügen wieder vermehrt der Theaterbühne zugewandt. In der Rolle des König Etzel spielt er erstmals bei einer Freilichtinszenierung. Ein Umstand, dem er großen Respekt zollt und der ihn zunächst die Rolle ablehnen ließ. Prochnow äußerte in diesem Zusammenhang, ebenso großen Respekt vor den physischen Herausforderungen zu haben, die das Open-Air-Spiel mit sich bringe. Dabei mag man dem Mann kaum glauben, dass er am 10. Juni seinen 77. Geburtstag feiert. Eher zur jungen Garde zählt die Schauspielerin Pheline Roggan, die in dem Stück eine Schamanin spielt. Zwar konnte sie mit diesem Begriff noch nicht besonders viel anfangen, allerdings zeigte sie sich zuversichtlich, dass sie bis zur Premiere deutlich mehr wisse. Einem größeren Publikum wurde sie durch ihr Mitwirken in der Pro7-Serie „Jerks“ bekannt. Ein alter Bekannter ist in Worms der Schauspieler Wolfgang Pregler, der bereits zum sechsten Mal bei den Festspielen auftritt. In diesem Jahr spielt er die Königsmutter Ute! Nicht anwesend war die Österreicherin Ursula Strauss, die bei „Siegfrieds Erben“ die weibliche Hauptrolle, Brünhild, spielen wird. Nachdem der unbekannte Autor des Nibelungenliedes seine Leser 800 Jahre im Unklaren darüber ließ, was aus der einstigen nordischen Powerfrau geworden ist, bekommt man nun endlich die Antwort. Die mehrfach preisgekrönte Schauspielerin gehört in ihrem Heimatland zu den absoluten Topstars und ist sowohl im Kino als auch im Fernsehen erfolgreich unterwegs.
Das Team hinter den Kulissen
Ein Ensemble möchte natürlich von einem erfahrenen Regisseur entsprechend geführt werden. Diesen Part übernimmt in diesem Jahr der gebürtige Schweizer Roger Vontobel. Der hochgewachsene Mann, der an diesem Vormittag insbesondere durch seine markante Lache auffiel, gehört derzeit zu den gefragtesten Theaterregisseuren. Aktuell inszeniert er noch am Schauspielhaus Bochum das kontrovers diskutierte Stück „Kampf des Hundes und der Neger“ sowie in Mannheim die beiden Opern „Aida“ und „Fidelio“. Wie für Prochnow stellen auch für den sympathisch wirkenden Schweizer die Festspiele sein Open-Air-Debüt dar. Dementsprechend äußerte er sich ebenso respektvoll, was vor allem dem heimlichen Hauptdarsteller, dem Dom, geschuldet ist. Vontobel glaubt, dass man sich Worms über den Dom nähern muss, da er das Kernstück städtischer Geschichte ist und versprach eine aufregende Geschichte mit schillernden Figuren. Die stammen zwar aus dem Portfolio des Nibelungenliedes, bekommen aber für „Siegfrieds Erben“ vom Autorenduo Feridun Zaimoglu und Günter Senkel neues Leben eingehaucht. Der gebürtige Türke Zaimoglu, der seit seinem zweiten Lebensjahr in Deutschland lebt, betonte, dass es ihm bei der Geschichte weniger um ein Aufeinandertreffen von Kulturen geht, sondern vielmehr um den Konflikt zwischen drei Familien, die sich um Macht und Geld streiten. Wie schon bei seinem Luther Roman „Evangelion“ bedient sich der Autor einer Kunstsprache, die er als ein Mischverhältnis zwischen Hebbel und Moderne bezeichnete. Am Ende der rund einstündigen Veranstaltung gewährte der mongolische Musiker Enkhjargal Dandarvaanchig einen Einblick in die musikalische Welt von „Siegfrieds Erben“ und die klang mit ihren für westliche Ohren eigenwilligen Harmonik durchaus faszinierend.
Das Plakat
Präsentiert wurde bei der Pressekonferenz auch das Plakat zu dem kommenden Stück „Siegfrieds Erben“. Nicht wenige Besucher betrachteten dies mit ein wenig Verwunderung. Im Mittelpunkt des Fotomotivs steht eine Frau, die ein Kopfskelett eines Stiers vor ihrem Gesicht hält. Im Hintergrund eine unwirtlich erscheinende Landschaft, die aussieht, als sei sie im Winter am Silbersee abgelichtet worden. Warum, weshalb, wieso? Das erschließt sich einem zunächst nicht. Gestaltet wurde das Plakat, das sich deutlich von den bisherigen Stilen entfernt, von der Werbeagentur „ AM BESTEN GESTERN“ aus Köln. Ausgewählt wurde das Motiv unter vielen Bewerbern, die sich mit einem sogenannten Pitch (Vorstellung der eigenen Idee, Anm. der Red.) präsentieren mussten. Unter den Bewerbern waren, laut KVG, auch einige Wormser Designer dabei. Das junge Kölner Unternehmen arbeitete im kulturellen Bereich bereits mit der Freien Volksbühne Köln e.V. in Köln sowie für das Schauspiel Köln. Dort arbeitete zuletzt auch Thomas Laue als Chefdramaturg. Laue ist seit diesem Jahr künstlerischer Leiter bei den Nibelungen- Festspielen. 2016 reüssierte er in Worms als Dramaturg für das Stück „Gold. Der Film der Nibelungen“.
Die Nibelungen-Festspiele „Siegfrieds Erben“ finden vom 20. Juli bis zum 5. August 2018 auf der Nordseite des Doms statt.
Weitere Infos und Ticketservice: www.nibelungenfestspiele.de