Seit seiner Erfindung im Jahre 1885 hat das Automobil einen Siegeszug angetreten, der seinesgleichen sucht. Vom Gefährt für den wohlhabenden Menschen ist es längst zum unverzichtbaren Teil unseres Lebens geworden. So unverzichtbar, dass die Dominanz des selbigen fast alle anderen Verkehrsteilnehmer in eine Nische drängt.

Grünfläche kontra Straße

Beobachtet man die Verkehrsplanung in Worms, so fällt genau dies immer wieder auf. Jüngstes Beispiel ist die bauliche Maßnahme am Lutherplatz, wo ein Kreisel entstehen soll. Statt die Chance zu nutzen, mutige Verkehrskonzepte zu beschließen und die Innenstadt zu beruhigen, setzt man auch hier auf das Mantra: der Verkehr muss fließen und man opfert sogar ein ordentliches Stück eines der touristisch wichtigsten und bisher auch attraktivsten Plätze in der Wormser Innenstadt, dem Lutherplatz. Rund 700.000 Euro kostete das Verlegen der Steine. Ein Teil davon wird nun wieder herausgerissen. Auf Anfrage unseres Magazins verwies die Stadt darauf, dass der ADFC ebenfalls an dieser Stelle einen Kreisel gefordert hätte. Im persönlichen Gespräch mit WO! erklärt der Fahrradclub, dass sie Kreisel zwar als fahrradfreundlicher erachten, aber dies an dieser Stelle nie explizit gefordert hätten.

LBM und die vergessenen Pläne von einst

Ein weiteres Beispiel, wie sehr Verkehrsplanung vom Auto dominiert wird, zeigt aktuell der Umgang mit der Forderung des ADFC, im Zuge des Ausbaus der B9 zwischen Bahnunterführung McDonalds und Hornbach zur vierspurigen Schnellstraße, eine Unterführung zu bauen. Täglich kreuzen rund 20.000 Autos die Straße. Dazu gesellen sich Fußgänger sowie Radfahrer, die zum Teil von Westen kommend vor der Herausforderung stehen, diese schwer befahrene Straße zu queren. Bereits 1985 veröffentlichte der Landesbetrieb Mobilität Pläne, an der Stelle der Pfrimmbrücke/Am Holzhof eine Unterführung für Fußgänger und Radfahrer zu schaffen. Damals war allerdings noch kein vierspuriger Ausbau geplant. Da der Verkehr im Laufe der vergangenen Jahre erheblich zugenommen hat, folgte eine Neuplanung, bei der eine Unterführung plötzlich keine Rolle mehr spielt. Verantwortlich für die baulichen Maßnahmen ist der LBM (Landesbetrieb Mobilität) und nicht die Stadt, da es sich bei der Straße um eine Bundesstraße handelt. Die Stadt ist im Anschluss unterhaltungspflichtig und hat insofern auch ein Wörtchen mitzureden. Der LBM betrachtet mittlerweile die Kosten für die Unterführung als unverhältnismäßig hoch und lehnte den Wunsch des Fahrradclubs ab. Hinsichtlich des derzeit im Aktualisierungsprozess befindlichen Stadtentwicklungskonzepts Mobilität verwundert die Haltung.

Viel Geld für Straßen, wenig für Radwege

2017 stellte das Ingenieurbüro Habermehl und Follmann im Bauausschuss der Stadt Worms eine Statistik zur aktuellen Verkehrssituation vor und entwickelte zugleich Zielformulierungen, wie der Verkehr im Jahre 2030 aussehen soll. Aktuell ist in Worms, wie auch im Rest der Welt, das Auto das beliebteste Fortbewegungsmittel und macht einen Anteil von rund 64% im derzeitigen Verkehrsmix aus. Klar ist aber auch, dass das Auto – neben vielen anderen Einflüssen – dem Klima einer Stadt nicht besonders zuträglich und die dazugehörende Infrastruktur (Straßeninstandhaltung / Parkhäuser etc.) immens teuer ist. Ein Beispiel hierfür ist die Verbreiterung der B9 zwischen der Firma Rowe in Richtung Kläranlage. Ausgebaut wird ab Spätsommer / Herbst. Für die ein Kilometer lange Strecke sind derzeit Ausgaben in Höhe von drei Millionen Euro geplant. Viel Geld für 1000 Meter. Insgesamt wurden in Rheinland-Pfalz im vergangenen Jahr 444,440 Millionen Euro in den Straßenbau investiert, davon entfielen gerade mal fünf Millionen Euro auf Radwege. Wenig Geld für das älteste und vor allem umweltfreundliche Fortbewegungsmittel.

Der Verkehr der Zukunft

Geht es nach dem Stadtentwicklungskonzept, kommt dem Fahrrad in den nächsten Jahren allerdings eine Schlüsselrolle im Verkehrsmix zu. Das Konzept sieht vor, dass man eine Reduzierung des Autoanteils auf 50% erreichen möchte und gleichzeitig eine Anhebung des Radverkehrs von 12 auf 20%. Kein abwegiges Ziel, denn tatsächlich gewinnt das Rad in den letzten Jahren wieder mehr an Bedeutung. In Zeiten, in denen Autofahren immer teurer wird, Fahrverbote auferlegt werden und viele junge Menschen mehr Verantwortung für ihre Umwelt übernehmen wollen und freiwillig auf ein eigenes Auto verzichten, kommt dem Rad zunehmend wieder eine Bedeutung als alltägliches Fortbewegungsmittel zu. Der E-Bike Boom trägt dazu einen nicht unerheblichen Teil bei. Um den Radanteil weiter zu erhöhen bedarf es aber auch einer attraktiven Infrastruktur und die ist in Worms derzeit nur partiell gegeben. Gerade dem Pendlerverkehr kommt an besagter Stelle Pfrimmbrücke B9 eine besondere Bedeutung zu, da sich an dieser Stelle die Radwege von Neuhausen kommend und Richtung Rhein weiterführend treffen. Neben dem Pendlerverkehr hat der Radverkehr auch eine touristisch immense Bedeutung für Worms und Rheinhessen. Unlängst verkündete man, dass man Rheinhessen verstärkt als fahrradfreundlich bewerben möchte. Hierzu bedarf es natürlich mehr als Lippenbekenntnisse.

CDU und SPD unterstützen Pläne

Prominente Unterstützung erhält der ADFC von Seiten der Stadtratsfraktion der CDU. Der Fraktionssprecher im Stadtrat, Dr. Klaus Karlin, fordert den LBM nun auf, im Dialog mit den betroffenen Ortsbeiräten und den Radverbänden eine Lösung zu suchen. Das Argument „zu teuer“ lässt er nicht gelten, schließlich gebe es gesonderte Zuschüsse für den Radwegeausbau. Im Gegensatz zum ADFC hält Karlin allerdings eine Ampelregelung eher für sinnvoll, da die Unterführung bei Hochwasser nicht nutzbar sei. Jens Guth und Timo Horst, beide SPD, halten die lapidare Ablehnung des LBM ebenfalls für nicht hinnehmbar. Insofern weiß der ADFC längst politisch gewichtige Partner an seiner Seite. Fragt sich nur, ob das dem LBM ausreicht, seine Meinung zu überdenken. Wünschenswert und sinnvoll wäre das allemal.