WO! im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Jan Metzler (CDU)
Es war der 22. September 2013, als der in Dittelsheim-Hessloch aufgewachsene Jan Metzler für die CDU erstmals in den Bundes- tag gewählt wurde. Damals beherrschte die Euro Krise – in Verbindung mit Griechenland – die Schlagzeilen. Ebenso fiel in diese Zeit die Entscheidung zum endgültigen Ausstieg aus der Atomenergie, nachdem Kanzlerin Angela Merkel sichtlich bewegt auf die Ereignisse in Fukushima regierte. Mittlerweile sind es zwei Kriege, die ungelösten Fragen der Zuwanderung, die hochverschuldeten Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sowie die zunehmende Politikverdrossenheit, die die Politik fest im Griff haben. Wir sprachen mit dem Abgeordneten über diese Themen in zwei Interviewteilen (siehe Teil 1 in unserer WO! November-Ausgabe) und über die Frage, ob Friedrich Merz der richtige CDU-Kandidat für die Bundestagswahl 2025 ist.
WO! Nachdem Sie acht Jahre lang Teil der Regierung waren, sitzen Sie nun auf der Oppositionsbank. Wie hat das Ihre Arbeit verändert? Da muss man unterscheiden zwischen meiner Arbeit in Berlin und meiner Arbeit im Wahlkreis. In Berlin hat man als Teil der Opposition natürlich nicht mehr den gleichen Gestaltungsspiel-
raum wie vorher. Natürlich ist es schwieriger, die eigenen Positionen durchzu- setzen. Gerade, wenn Dinge in unserem Land nicht so laufen, wie man sich das wünscht, fühlt man sich ein wenig wie ein Fußballspieler auf der Bank. Das Spiel läuft und man will eigentlich ins Geschehen eingreifen, damit die Mannschaft nicht zurückfällt. Aber die Kontakte brechen auch nicht von heute auf morgen komplett weg. Man hat vielleicht nicht mehr überall die ganz kurzen Dienstwege, aber wo ein Wille ist, ist oft auch ein Weg, sich Gehör zu verschaffen. In der Heimat hat sich meine Arbeit kaum verändert. Ich bin und bleibe Dienstleister für die Menschen in meinem Wahlkreis. Politik muss Service sein, Politiker müssen ein offenes Ohr haben für die Anliegen und Sorgen der Menschen, der Unternehmen, der Vereine. Nur so funktioniert das.
WO! Nach Fukushima wurde unter Angela Merkel der Atomausstieg beschlossen. Die Ampel setzte letztlich diesen Ausstieg um. War es richtig von der Regierung, daran festzuhalten?
Nein, selbstverständlich nicht. Wir sind auch nicht aus der Atomenergie aus- gestiegen. Aktuell kommen 17% unseres importierten Stroms aus Atomkraft- werken. Am gesamten Strom-Mix macht damit die Kernenergie derzeit 4% aus, also ironischerweise mehr als vor der Abschaltung der letzten drei Atommeiler. Das Abschalten der Kraft- werke war eine rein ideologische Entscheidung ohne jeglichen wirtschaftlichen oder politischen Sachverstand. Strom ist jetzt teurer, weil das Angebot geringer ist. Wir sind nun Netto-Importeur von Strom, der CO2 Ausstoß in Deutschland ist heute so hoch wie lange nicht mehr. Und unser Land ist auch nicht sicherer, weil wir nun mal weiterhin Atomkraftwerke in unmittelbarer Nachbarschaft haben und diese auch noch als Abnehmer mitfinanzieren.
WO! Längst wirken sich viele politische Entscheidungen auf die Kostenspirale aus. Damit ist auch der Staat zum Inflationstreiber geworden. Statt beispielsweise den Mindestlohn zu erhöhen und damit weiter an den Preisschrauben zu drehen, wäre es nicht sinnvoller, Steuern auf Einkommen, vor allem in den niedrigeren und mittleren Einkommensklassen, zu senken und auch Betriebe zu entlasten?
Die Regierung treibt die Kostenspirale ja selbst: Zuerst wurde der Mindestlohn als eines der Wahlversprechen erhöht, jetzt folgt das Bürger- geld. Wenn sich aber Arbeit lohnen soll, braucht man genug Abstand zwischen dem, was die Bürger mindestens verdienen und dem, was sie bekommen, wenn nicht gearbeitet wird. Also bleibt keine andere Wahl als auf kurz oder lang auch den Mindestlohn wieder zu erhöhen und so weiter. Auch wenn man es nicht hören will: Das Bürgergeld steht in direkter Konkurrenz zum Niedriglohnsektor. Dadurch steigt weder Wohl- stand noch Produktivität. Arbeit muss sich loh- nen, sonst werden sich immer weniger Leute finden, die Willens sind, arbeiten zu gehen. So viel zur Kostenspirale. Und natürlich ist eine Entlastung der mittleren Einkommen längst überfällig. Wenn man sich die nackten Zahlen anguckt, kann man überhaupt nicht zu einem anderen Schluss kommen: Bei 63.000 Euro be- ginnt mittlerweile der Spitzensteuersatz. Das ist völliger Irrsinn. Niemand, der mit 63.000 Euro nach Hause geht, ist Spitzenverdiener. 1965 griff der Spitzensteuersatz beim 15-fachen des Durchschnittslohns, inzwischen reicht das 1,5-fa- che. Das Problem ist schon lange bekannt und das hätten wir ehrlicherweise in der letzten Legislatur bereits anpacken müssen. Wir können den Menschen nicht erzählen, dass sie fürs Alter vorsorgen sollen und ihnen dann keinen finanziellen Spielraum dafür lassen. Wir haben eine der niedrigsten Eigenheimquoten in Europa. Das hat ja einen Grund. Auch die Betriebe ächzen zurecht unter der Abgabenlast, die eine der höchsten weltweit ist. Da müssen wir dringend ran.
WO! Die Kommunen klagen chronisch über Unterfinanzierung durch den Bund und die Länder. Ein Umstand, der bereits in Ihrer Regierungszeit auftrat. Bund und Länder halten oftmals das öffentliche Leben nur durch Förderprogramme am Leben. Kann das auf Dauer der richtige Weg sein?
In Deutschland gilt nach wie vor das Subsidiaritätsprinzip – das heißt, dass zuallererst die Länder für die Finanzierung der Kommunen verantwortlich sind. Der Bund hat in den letzten Jahren viel getan, um den Kommunen finanziell unter die Arme zu greifen, gerade bei den Aufgaben, die vor Ort erledigt werden müssen. Leider kommt von den bereitgestellten Bundesmitteln nicht alles bei den Kommunen an. Wir haben aber auch genug Beispiele, wo es gut klappt und die Kommunen gut aufgestellt sind. Es gibt Aufgaben und Verantwortlichkeiten, die müssen bei den Kommunen bleiben und können nicht von Land und Bund übernommen werden. Dafür brauchen die Kommunen Spielraum. Wenn wir einen Weg finden wollen, wie wir die Finanzbeziehungen zwischen den Ebenen anders regeln, dann sind wir ganz schnell im schwierigen Bereich einer Föderalismus-Reform. Da gibt es keine schnelle Patentlösung. Eine pauschale Entschuldung, wie sie viele fordern, macht in jedem Fall keinen Sinn, wenn die Grundstruktur dazu führt, dass sich in kürzester Zeit erneut Schulden auftürmen. Damit ist niemandem geholfen.
WO! Bei einer vielbeachteten Befragung im Auftrag der Körber-Stiftung zeigte sich, dass 54 Prozent der Befragten wenig großes bis geringes Vertrauen in die Demokratie haben. Die Wahlbeteiligungen wer- den geringer und die Politikverdrossenheit nimmt zu. Wie kann die Politik wieder Vertrauen zurückgewinnen?
Ich glaube, dass schon viel geholfen ist, wenn Politiker in ihren Wahlkreisen unterwegs sind, erreichbar sind, mit den Menschen reden, auf die Menschen zugehen. Das ist keine Bringschuld der Bürger, sondern eine Holschuld der Politik. Da sind wir als Politiker in der Verantwortung. Aber das ist natürlich nicht alles. Wir haben derzeit zu viele Dinge, die nicht rund laufen. Ich bekomme das täglich mit. Viele Menschen haben den Ein- druck, dass bei uns gar nichts mehr so richtig klappt; von Bahn, über Grenzschutz, Gesund- heitswesen, Bildungssystem und vieles mehr. Die Menschen zahlen viel Steuern und erwarten dafür zurecht, dass der Laden läuft. Da muss die Politik liefern. Die Leute müssen merken, dass nicht nur lamentiert, sondern vor allem auch entschieden wird, dass in Berlin, in Mainz und anderswo ordentliche Arbeit gemacht wird. Jens Spahn hat das gut gesagt: Wenn wir die Probleme in der politischen Mitte nicht anpacken und lösen, lösen die Probleme die politische Mitte. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Dass es geht, sieht man in Dänemark: Das Land ist in wenigen Jahren zum digitalen Vorzeigeland auf- gestiegen und hat mit konsequenten Regeln die illegale Migration steuern können. Inzwischen sind rechtsextreme Parteien in der Bedeutungslosigkeit verschwunden. Nicht, weil Dinge nicht angesprochen, sondern ganz im Gegenteil, weil sie gelöst wurden.
WO! In zwei Jahren ist die nächste Bundestagswahl. Ist Friedrich Merz der richtige Kandidat, der es zum Kanzler schaffen kann?
Ein CDU-Vorsitzender muss immer auch bereit und fähig sein, Kanzlerkandidat zu werden. Dass er potentieller Kandidat ist, steht außer Frage. Ob es andere Kandidaten geben wird, wird man sehen. Ich finde, dass die Regionalkonferenzen und der offene Schlagabtausch zur Kandidatenfindung unserer Partei gut gestanden haben. Das Format war lebendig und interessant für die Wähler. Wenn wir nochmal bei den Zahlen bleiben: Nach jüngsten Umfragen hat die Union mit Friedrich Merz an der Spitze bei der Sonntagsfrage mehr Zustimmung als alle drei Ampelparteien zusammen. Das ist doch kein schlechter Wert, darauf kann man aufbauen.
Das Gespräch führte: Dennis Dirigo
Fotoquelle: Jan Metzler