Die Worte im Vorfeld waren groß, markig der Titel, die Premiere eine nasse Angelegenheit und die Festspielkassen am Ende voll. Das Stück selbst spaltete jedoch das Publikum. Geschrieben wurde es von dem Autor Thomas Melle, der mit dem Buch „Die Welt im Rücken“ einen veritablen Erfolg feierte. Inszeniert wurde es von der angesagten Regisseurin Lilja Rupprecht.

Los ging es zunächst mit einem ordentlichen Regenguss bei der Premiere, sodass die Mitarbeiter der Festspiele ausgiebig damit beschäftigt waren, die Premierengäste beschirmt und trocken in das Gebäude des Heylshofmuseums zu geleiten. Unter den Gästen befanden sich in diesem Jahr auch zwei AfD-Politiker, der damalige Fraktionsvorsitzende Uwe Junge und sein Landtagskollege Heribert Friedmann. Das sorgte zuvor für Unmut und die Frage wurde laut, warum Politiker einer rechts ausgerichteten Partei überhaupt eingeladen wurden. Die Antwort war schnell gefunden. Grundsätzlich gingen Einladungen an alle Fraktionsvorsitzenden des rheinland-pfälzischen Landtags und dazu gehören nun mal auch die unpopulären Populisten. In den Sozialen Netzwerken formierte sich schnell Widerstand, der jedoch am roten Teppich weitestgehend keinen Widerhall fand. Für die kommenden Jahre möchten die Festspiele die Einladungsplanung neu diskutieren und gegebenenfalls neu ausrichten. Politiker wie Julia Klöckner und Jens Spahn, die Moderatoren Frank Plasberg, Bettina Schausten und Katja Burkhard, sowie die Schauspielerinnen Elke Heidenreich und Marie-Luise Marjan gehörten ebenfalls zu den Premierengästen.

Der größte Star stand jedoch auf der Bühne: Klaus Maria Brandauer als Hagen. Er war der Besetzungscoup der diesjährigen Nibelungen-Festspiele. Wahrscheinlich hätte man dem großen Theaterstar und früheren Hollywood- Darsteller („Jenseits von Afrika“, „Sag niemals nie“) auch zugehört, wenn er einfach nur den Wormser Haushaltsplan vorgelesen hätte. So durfte er allerdings als jovialer Staatsmann über die Bühne laufen und wuchtige Sätze sagen, die oftmals der Erklärung dienten und ihn wie einen gutmütigen Märchenonkel erscheinen ließen. Nebenbei durfte er gestehen, dass er Kriemhild liebt und verschwand am Ende mit dem um seine Kindheit gebrachten Ortlieb in den Katakomben des seltsamen Bühnenbildes. Ortlieb, gespielt von Lisa Hradina, war zugleich der Dreh- und Angelpunkt des Stückes. Melle wollte etwas ganz Neues wagen und dachte darüber nach, ob der Verlauf der Geschichte zu ändern gewesen sei. Die Antwort ist am Ende ein ernüchterndes Nein. Bis es soweit war, durfte Lisa Hrdina mit Fuchsschwanz, Schlafanzug und Dinoschlappen die Burgundersippe ordentlich aufmischen. Auf einem Zeitpfeil reiste sie zurück an den Anfang der bekannten Sage. Zunächst schaute sie den Burgundern zu, wie diese die Bekanntschaft mit Siegfried schlossen und sie dann gemeinsam zu Brünhild reisten, um diese bekanntermaßen mit einem Betrug nach Worms zu zwingen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Ortlieb längst beschlossen, dass Siegfried ein viel coolerer Papa sei und mit Kriemhild bestimmt glücklich geworden wäre. Dazu müsste man am besten Hagen aus dem Weg räumen, was aber nicht klappt. Nicht wenige Zuschauer waren da schon längst aus dem Geschehen gedanklich ausgestiegen und verpassten so die Erkenntnis, dass man sein eigenes Schicksal nicht abwenden kann.

Der Zuschauer litt zusätzlich unter einer seltsam unentschiedenen Inszenierung, die nie zu den pathetischen Worthülsen Melles passen wollte. Irgendwo zwischen Kammerspiel und protzigem Freilufttheater wandelnd, fand Rupprecht keine geeignete Bildersprache, die sie Melles Worten entgegensetzen konnte. „Überwältigung“ hatte durchaus interessante Ansätze und zeigte damit, dass die Nibelungensage längst nicht auserzählt ist, vermochte aber selten zu fesseln. Mag das Stück dramaturgisch einige Zuschauer enttäuscht zurückgelassen haben, konnten zumindest die Nibelungen-Festspiele mit einem positiven Ergebnis aufwarten und ein „Ausverkauft!“ für sich proklamieren. Am letzten Abend gab es noch den Mario-Adorf-Preis für Lisa Hrdina sowie eine Pressekonferenz mit zufriedenen Gesichtern, ehe das „schönste Theaterfoyer Deutschlands“ seine Pforten schloss und erst wieder öffnet, wenn Roger Vontobel ab dem 17. Juli „Hildensaga. Ein Königinnendrama“ nach einem Buch von Ferdinand Schmalz erzählt. Für all jene, die gerne im Park flanieren, ohne sich das Stück anzuschauen, wird das allerdings teurer. Denn ab diesem Jahr kostet das Flanieren satte 4.- Euro.