Worms ist eine der ältesten Städte Deutschlands, die bis ins späte Mittelalter eine wichtige Bedeutung für dieses Land hatte. Namen wie Martin Luther, die Nibelungen oder der Riesling sind untrennbar mit der Stadt verbunden. Zwar wächst der Tourismus in Worms, dennoch ist die Stadt weit davon entfernt, das touristische Potential auszureizen. Das soll sich nun mit dem Tourismuskonzept 4.0 ändern, das im vergangenen Jahr als Ergebnis einer mehrjährigen Zusammenarbeit zwischen der Hochschule Worms, dem Stadtmarketing und der Stadt im Wormser Ratssaal vorgestellt wurde.

Wirtschaftsfaktor Tourismus

In den letzten Jahren erfreut sich Worms zunehmender Beliebtheit bei Touristen. Wer sich insbesondere am Wochenende am Lutherdenkmal platziert, wird etliche Gruppen sehen, die zu Fuß durch zwei Jahrtausende geführt werden. Das Problem hierbei ist, dass die meisten Besucher nach zwei Stunden wieder in den Bus steigen oder auf das Schiff gehen und weiter reisen. Das soll sich nun mit dem neuen Konzept ändern, das verstärkt Übernachtungsgäste im Visier hat. Bis August 2019 gab es 107.742 Übernachtungen in Worms. Dem gegenüber stehen rund drei Millionen Tagestouristen. Lukrativ sind allerdings die Touristen, die sich dazu entscheiden, mehrere Tage in Worms zu verbringen. Laut Konzept lassen die Worms Besucher im Jahr 80,8 Millionen Euro in der Stadt. Eine Zahl, die ordentlich klingt, aber lediglich am Möglichen kratzt. Zusätzlich bietet touristischer Wachstum die Chance, dass zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden.

Mehr Betten für Worms

Um mehr Aufmerksamkeit auf dem stark umkämpften Tourismusmarkt zu bekommen, empfiehlt man, das Profil der Nibelungenstadt Worms zu schärfen. Das bisherige stützte sich in erster Linie auf die touristischen Kernthemen „Nibelungen“, „Stadt der Religionen“ sowie in Teilbereichen „Weintourismus“ und „Radtourismus“. Die finden natürlich weiterhin statt, sollen jedoch vertieft werden. Bereits im Vorgängerkonzept empfahl man die Umsetzung von Projekten, wie beispielsweise die Ansiedlung eines Hotels, die Ausweisung eines Campingplatzes, die Rheinufergestaltung mit Ausweisung eines neuen Wohnmobilstellplatzes, die bis heute nicht umgesetzt wurden. Kontrovers diskutiert ist insbesondere die Ansiedlung zusätzlicher Hotels. Hat Worms nicht bereits genug Hotels? Derzeit gibt es laut statistik.rlp 1.103 Betten im Angebot. Zum Vergleich: Die deutlich kleinere Stadt Speyer (ca. 50.000 Einwohner) verfügt über 1.500 Betten und hat dementsprechend mit rund 150.000 Übernachtungen eine wirtschaftlich deutlich attraktivere Zahl vorzuweisen. Besonders in der Kooperation mit Hotelketten verspricht man sich bessere Vermarktungschancen und zusätzlichen Komfort für Touristen und Tagungsgäste. Dieses Ziel ist mittlerweile in greifbarer Nähe. Im Oktober stimmte der Stadtrat dem Verkauf des EWR Parkplatzes an die Investorengruppe des lange geplanten Ibis Styles Hotels zu, ebenso steht mittlerweile die Finanzierung des Projektes. Ein weiteres Vorhaben, das 2019 konkretere Formen annahm, ist das Hotel im Wohnprojekt Gerbergasse/ehemals Nibelungencenter. Hier soll ein Hotel der Kette B & B (Bed and Breakfast) entstehen, geplant von dem Osthofener Architekten Jörg Deibert. Derzeit läuft der Abriss des alten Gebäudes, dieser soll im März dieses Jahres vollendet sein. Die Fertigstellung des gesamten Bauvorhabens Gerbergasse ist 2022/23 terminiert.

Mehr Erlebbarkeit

Ein weiteres Problem, welches man im Konzept ausmacht, ist die Erlebbarkeit von Worms. Trotz des hohen kulturellen Wertes der Stadt gibt es nur wenige Orte, an denen die Geschichte erfahrbar ist. Ein Umstand, der besonders bei dem größten Alleinstellungsmerkmal, den Nibelungen, deutlich wird. Außerhalb der Nibelungen-Festspiele gibt es zu diesem Thema in Worms nur wenig zu entdecken, was natürlich auch dem fiktionalen Charakter der Geschichte geschuldet ist. Nicht umsonst ist ein Foto mit dem Hagendenkmal ein beliebtes Fotomotiv für Touristen und auch Wormser. Genau an diesem Ort sollen, entwickelt in einer Gemeinschaftsarbeit, Kriemhilds Rosengarten des Künstlers Eichfelder sowie eine Installation „Nibelungenschatz am Rhein“ entstehen. Wenn alles gut läuft, sollen die Nibelungen bereits im großen Tourismusjahr 2021 am Rheinufer erlebbar sein, denn dann findet in Worms die große Landesausstellung („Hier stehe ich. Gewissen und Freiheit. Worms 1521″) statt. Besonders in diesem Jahr hofft man europaweit auf viel Aufmerksamkeit und dementsprechende Zahlen. Einen Schub für den Tourismus verspricht man sich zudem von der möglichen Ernennung des Friedhofs „Heiliger Sand“, im Zusammenhang mit dem Antrag SchUM-Städte, zum UNESCO Welterbe.

Wormser und ihre Stadt

Das 100 Seiten starke Papier beschäftigt sich aber auch mit dem Wormser Gemüt und erkennt, dass die Wormser eine schlechte Meinung über die eigene Stadt hätten. Zudem könne man eine gewisse Innovationsresistenz unterstellen, die mit einem mangelnden Engagement für seine Stadt, aber auch einer geringen Motivationsfähigkeit einhergehe. Demgegenüber steht, dass die Bewohner der Stadt mit ihrem Traditionsbewusstsein und vor allem ihrer Fähigkeit, Feste und Anlässe aller Art zu feiern, einen wichtigen Beitrag zum Leben/Lebensgefühl in der Stadt Worms leisten. In diesem Zusammenhang wird die örtliche Wein- und Getränkekultur herausgestellt. Um die Einwohner mehr in die touristische Entwicklung einzubinden, empfiehlt das Konzept mehr Bürgerbeteiligung sowie eine Kampagne zur Förderung der Identifikation mit der Stadt. Diese solle möglichst alle Wormser – Unternehmen, Vereine und Privatpersonen – erreichen und schlägt Arbeitstitel wie „Wormser für Worms“, „Mein Worms“ oder „Mein Lieblingsplatz in Worms“ vor. Ein erster Schritt ist hier sicherlich das Vorhaben der Stadtverwaltung, eine Bürgerbefragung zu initiieren, in dem die wichtige Forderung des Konzeptes, in der Innenstadt den Verkehr zu beruhigen, thematisiert werden soll.

Befragungen

Um den Blick auf das touristische Worms nicht nur durch Workshops zu erleben, hat man zusätzlich Umfragen unter Touristen gemacht sowie im Internet ein Tourismusforum angeboten, in dem sowohl Touristen als auch Wormser nach ihrer Meinung gefragt wurden. Oftmals wurde hier die Qualität des gastronomischen Angebots kritisiert, aber auch die Beherbergungskapazitäten wurden benannt. Ein weiterer Aspekt an dieser Stelle sei, dass die Wormser gegenüber Besuchern – im Vergleich zu anderen Städten – weniger freundlich wären. Das zeigte das Untersuchungsergebnis unter 42 Städten in Rheinland-Pfalz. Ebenso wurden die zahlreichen „Bausünden“ als negativ empfunden.

Große Ziele

Hauptforderungen sind die Schaffung eines touristischen Zentrums, also zwischen Andreasquartier und Synagoge, sowie der Ausbau der Bettenkapazität. Desweiteren empfiehlt man, das touristische Angebot digital zu erweitern. Aktuell bietet die Stadt Worms unter dem Namen City & Quest eine App an, unter der man selbiges spielerisch entdecken kann. Am Ende schließt das Konzept mit dem selbstbewussten Fazit, „dass Worms in zehn Jahren als eine Top-Destination im Städtetourismus mit ihrem starken Profil: Kultur – Geschichte – Wein(erlebnis) gilt.“ Die Verwaltung sprach in der Ratssitzung, in dem das Konzept vorgestellt wurde, von einem großen Wurf. Petra Graen (CDU), die zuständige Dezernentin, erklärte, man müsse die Anforderungen der Touristen von Morgen und die Verweildauer der Gäste in der Nibelungenstadt erhöhen. Worte, an denen sich die Verantwortlichen aus Politik und den einzelnen Bereichen messen lassen müssen. Eine große Herausforderung dürfte auch sein, bei den Wormsern mehr Akzeptanz für Vorhaben, wie die Verkehrsberuhigung der Innenstadt oder die Ansiedlung eines Hotels auf einem Parkplatz, zu finden.