Autor: Dennis Dirigo
08. Juli 2013
Das Wormser Theater:
Es war schon eine besondere Veranstaltung, die den Zuschauern im Wormser Theater innerhalb des Rahmenprogramms der Festspiele geboten wurde. Es kommt schließlich nicht oft vor, dass man fiktive Gestalten einer Sage bzw. Oper mit ihren Straftaten im Sinne des Strafgesetzbuches konfrontiert.
Konkret ging es an diesem Abend um die Figuren aus Richard Wagners vierteiliger Mammutoper „Der Ring des Nibelungen“. Vertreter der Anklage war der smarte Schauspieler und Autor Sky du Mont. Mit präziser Sprache und einem feinen Gespür für Ironie führte er durch das komplexe Werk, in dem es, wie der gebürtige Argentinier erklärte, um die Entstehung der Welt und deren Untergang gehe. Ein Epos, in dem geraubt, gemordet und gelogen wird und das nach heutigen Maßstäben erst ab 18 Jahren freigegeben werden dürfe. Visuell unterstützt wurden die spannenden Ausführungen durch Ausschnitte aus dem sog. „Jahrhundertring“, jener Bayreuther Inszenierungen aus den Jahren 1976 bis 1980, die anlässlich des hundertjährigen Bestehens des Festspielhauses aufgeführt wurden. Unter der Regie des französischen Film- und Opernregisseurs Patrice Chereau lösten diese Inszenierungen anfangs Handgreiflichkeiten und Drohungen aus, wie die mittlerweile 76-jährige britische Opernsängerin und Brunhild-Darstellerin Gwyneth Jones in einer späteren Gesprächsrunde, die die „Gerichtsverhandlung“ unterbrach, erzählte. Hauptaugenmerk galt natürlich „Nitzsches blonder Bestie“, nämlich Siegfried. Hausfriedensbruch, Raub, Sachbeschädigung und schließlich Mord gehen auf das Konto des germanischen Überhelden, der, wie du Mont erläuterte, das Produkt der inzestuösen Beziehung zwischen Siegmund und Sieglinde war. Dabei warf der Schauspieler die Fragen auf, ob Siegfried überhaupt zurechnungsfähig war und wenn ja, wendet man dann das Erwachsenen- oder Jugendstrafrecht an? Letztlich sei der Held, der im Grunde eine Mischung aus Conan, Superman und King Kong sei, ein fehlgeleiteter ungebildeter Bursche – oder wie Sky du Mont mit einem Lächeln auf den Lippen resümierte – „ein Vollmonk“. Manipuliert, nicht wissend, was er tat, sei Siegfried zwar moralisch verantwortlich, aber juristisch gesehen nicht zu belangen. Abgesehen von den feinsinnigen Ausführungen des Edelmimen, bot diese originelle Veranstaltung auch die Möglichkeit, einen Einblick in diese ausufernde Mythenwelt und die Anfänge der Nibelungensage zu bekommen. Dass die Ausschnitte aus der aufwändigen Operninszenierung ein wenig zu lang ausfielen, war angesichts der unterhaltsamen Erläuterungen verschmerzbar.
Fazit: Eine intelligente Veranstaltung, die ebenso informativ wie unterhaltsam war. Sky du Mont als Staatsanwalt, Richter und Moderator wusste dabei durchweg zu gefallen.