Text: Dennis Dirigo, Frank Fischer

Wie viel Besucher haben eigentlich ein Ticket für das Drei-Tage-Festival gelöst? Eine Frage, die uns schon länger beschäftigt und die nun nach einer Anfrage der FWG / Bürgerforum Worms an den neuen Oberbürgermeister Adolf Kessel beantwortet wurde.

„Gehändelte Tickets“ statt echte Zahlen

Wer schon mal ein Konzertevent organisiert hat, weiß, mit welchen Kosten dies verbunden ist. Künstler, Infrastruktur, Sicherheit und viele weitere Kosten machen besonders Open-Air-Veranstaltungen zu einer Herausforderung, da diese zusätzlich von der Gunst des Wetters abhängig sind. Im Gegensatz zu anderen Veranstaltungen, wie das dreitägige Maifeld-Derby in Mannheim, hat das Wormser Musikfestival Jazz & Joy das dezente Glück, eine städtische Veranstaltung zu sein, wo man bekanntermaßen nicht so genau auf das Verhältnis Gewinn und Verlust schaut. Schließlich dient das Festival nicht nur der schnöden Zerstreuung und zur simplen Gewinnmaximierung, sondern ist zugleich eine Form der Wirtschafts- und Tourismusförderung. Aber gerade weil das beliebte Festival überwiegend mit dem Geld des Steuerzahlers realisiert wird, sollte Transparenz das oberste Gebot sein und dazu gehört es nicht zu erzählen, wie viele Menschen an drei Tagen unterwegs waren, sondern der klare Fakt, wie viele Tickets tatsächlich verkauft wurden. Eine Frage, die der ehemalige OB Kissel im Rahmen des abschließenden Pressegesprächs so gar nicht mochte, die aber gerne von unliebsamen Redakteuren gestellt wurde. Als Antwort erhielt man seltsame Formulierungen, wie z.B. 2018, da sprach Kissel von 20.000 „gehändelten Tickets“. Eine Nachfrage, was das genau bedeute, mochte er nicht beantworten. 2019 scheint sich trotz Kissels Abwesenheit nicht viel geändert zu haben, denn auch dieses Jahr sprach man von der Zahl 20.000, dieses Mal in Person von Sascha Kaiser, Geschäftsführer der städtischen Kultur- und Veranstaltungsgesellschaft. Der war dann auch der Meinung, dass die Presse zu fixiert auf Zahlen sei. Vielleicht verraten aber Verkaufszahlen auch etwas darüber, wo das Fest steht und ob die Organisatoren sich mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob man Jazz & Joy nach rund 30 Jahren einer Frischzellenkur unterziehen sollte. Das ist aber nur möglich, wenn man sich mit Erfolg und Misserfolg auseinandersetzt und da hilft es auch nicht, Zahlen zu veröffentlichen, die suggerieren, dass das Musikevent auch 30 Jahre später keinerlei Abnutzungserscheinungen zeigt. Die Zahl 20.000 ist in erster Linie eine Zahl, die Gastronomen und Sponsoren beeindrucken soll, schließlich sind die, neben dem Ticketverkauf, eine weitere wichtige Einnahmequelle für die Veranstalter und tragen nachhaltig zur Attraktivität der Veranstaltung bei. Die Platzmiete orientiert sich dementsprechend an den Gesamtbesuchern, schließlich ist der Besitzer einer Mehrtageskarte auch als Konsument an drei Tagen unterwegs. Aber wie kommen die Veranstalter auf ihre Zahl, die voller Stolz am Ende der drei Tage der Presse präsentiert wird?

Eine Anfrage bringt Aufklärung

Insgesamt bietet das Festival drei verschiedene Arten von Tickets an: für das Sonderkonzert, Tageskarten und Mehrtageskarten. Die Stadtratsfraktion der FWG / Bürgerforum Worms wollte nun wissen, wie viele Karten jeweils verkauft wurden und bekamen Ende August auch eine Antwort mit entsprechender Aufschlüsselung. Das Ergebnis ist durchwachsen und zeigt, dass das Sonderkonzert einen erheblichen Teil zur Verbesserung der Bilanz beiträgt. Während für das Drei-Tage-Festival 2018 insgesamt 5.484 Tickets verkauft wurden (davon 2.746 Mehrtageskarten und 2.738 Tageskarten), setzte man alleine für das Sonderkonzert (Sarah Conner) 2.639 Karten ab. Das ist allerdings weit vom Rekordjahr 2016 entfernt, bei dem Boss Hoss für 4.462 verkaufte Tickets sorgten. Gemessen an dem Verhältnis Aufwand / Einnahmen ist das Sonderkonzert ein wichtiger Faktor. Um auf die Zahl 20.000 zu kommen, werden die Mehrtageskarten im Anschluss dreifach gewertet und eine Schätzung durchgeführt, wie viele Besucher das kostenlose Angebot am Dom und an der Jugendherberge genutzt haben.

Ein gutes Geschäft für Gastronomen?

Problematisch werden die Zahlen für die Gastronomen. Besonders in diesem Jahr fiel auf, dass viele Gastronomen der vergangenen Jahre nicht mehr dabei waren. Für Sascha Kaiser eine normale Entwicklung, dass der ein oder andere aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr dabei ist. Hört man sich unter Gastronomen und Winzern um, ist die Leidenschaft in den vergangenen Jahren tatsächlich ein wenig abgekühlt. Zu hohe Mietpreise im Verhältnis zum wirklichen Publikumsverkehr, sowie eine große Abhängigkeit vom Wetter, wecken wenig lukrative Perspektiven. Das äußerte dann auch der Verein Kiwanis in einem Schreiben an den Ex-OB Kissel. Die hatten in den vergangenen vier Jahren einen Stand vor dem Dom, mit dem Ziel, Geld für einen guten Zweck zu verdienen. Leider entwickelte sich das in den letzten Jahren immer schwieriger, sodass sie im letzten Jahr am gesamten Wochenende lediglich einen Gewinn von 500 Euro verbuchen konnten, trotz einer verhältnismäßig niedrigen Standgebühr von 800 Euro. Zu wenig für den guten Zweck und so wandten sie sich an Michael Kissel mit der Bitte um Rückerstattung, die natürlich nicht erfolgte. Erschwert wird der erfolgreiche Betrieb durch Vertragsbindungen bezüglich der Getränkemarken und dem Lieferanten. Je nach Lage des Standes können Mietpreise bis zu 5.500 Euro netto für die drei Tage anfallen. Hinzu addieren sich Personal-, Waren- und sonstige Kosten. Die Zeit zum Geldverdienen ist indes eingeschränkt. Der teuerste Platz ist der Marktplatz, aber ausgerechnet dort fiel besonders in diesem Jahr das Zeitfenster für die Gastronomen recht knapp aus. Freitags startete das einzige Konzert um 21 Uhr, samstags ging es erst um 16:45 Uhr los und sonntags um 18:30 Uhr. Aus der Sicht der KVG kann man wiederum verstehen, dass diese in Anbetracht des Drucks, mit öffentlichen Geldern zu hantieren, auch Geld verdienen müssen. Dennoch drängt sich der Gedanke auf, dass sich das Festival in den kommenden Jahren in jeglicher Beziehung neu aufstellen muss. Der Anfang ist zumindest schon mal mit der Veröffentlichung von transparenten Besucherzahlen gemacht.