Konzertkritik von „Worms: Jazz & Joy 2021“ (SO) mit Private Selection, GAUCKtrio, Rikas, Night Fever und Trygve Seim

22. August 2021 | Weckerlingplatz & Schlossplatz Worms:

Der Festivalsonntag hatte gleich zu Beginn mit einem ziemlich nassen Problem zu kämpfen, denn kurz bevor mit der Private Selection am Schlossplatz der letzte Tag begann, öffnete der Himmel seine Schleusen. Da auf dem Schlossplatz nicht mal bei den Gastronomen auch nur ein Minischirmchen zu finden war, hieß das, bei Selbigen direkten Schutz zu suchen oder sich im Regencape dem Wetter zu ergeben.

Schlossplatz:
Dementsprechend waren zu Beginn des Konzertes die Stuhlreihen nur mäßig gefüllt. Die „PRIVATE SELECTION“ ist seit einigen Jahren fester Bestandteil des Festivals und setzt sich aus wechselnden Jazzgrößen zusammen. In diesem Jahr versammelten sich der der dänische Schlagzeuger, Komponist und Produzent CARSTEN LINDHOLM, Saxophonistin KERSTIN HABERECHT, Pianist und Keyboarder ROMAN SCHULER sowie Bassist und Gitarrist GERNOT KÖGEL auf der Bühne. Gemeinsam spielte man ein handwerklich großartiges Konzert. Der berühmte Funke wollte allerdings nicht überspringen, woran aber die launigen Wetterkapriolen nicht gänzlich unschuldig waren. Abseits vom gängigen Jazz belohnte anschließend das Wormser GAUCKTRIO mit einer ganz besonderen musikalischen Mischung. In der Besetzung Geige (OLGA NODEL), Cello (KATHARINA SCHMITT) und Akustikbass (RALF GAUCK) unterzogen sie zumeist bekannte Rockklassiker einer radikalen musikalischen Umgestaltung, sodass altbekannten Songs wie „Message in a Bottle“ von The Police oder dem Metallica Klassiker „Nothing else matters“ in diesem neuen Klanggewand unerwartete Facetten entlockt wurden. Zwischen diesen musikalischen Größen baute das Trio noch selbstverfasste Stücke ein, wie das Stück „Manu“, das Bassist Gauck als Ode an seine Frau komponierte. Für den Rezensenten war es leider etwas unglücklich, dass er dieses tolle Konzert mit dem zeitgleich stattfindenden abschließenden Pressegespräch teilen musste. Ebenfalls instrumental ging es um 20:30 Uhr mit dem norwegischen Saxophonisten Trygve Seim und seiner Begleitband weiter. Die Songs, die auch mal 20 Minuten dauern konnten, überzeugten mit komplexen Arrangements. Während das Schlagzeug und der Bass nervös im Hintergrund auch Dissonanzen nicht scheuten, sorgte Seim mit seinem melodieverliebten Spiel für Orientierungspunkte. Nicht selten hätte die Musik auch mit Filmbildern unterlegt werden können. Ein insgesamt runder Abschluss für das erste Wormser Musikfestival in Zeiten von Corona.

Weckerlingplatz:
Um 17:30 Uhr, die Sonne zeigte sich mittlerweile wieder als Konstante am Himmel, durfte die Nachwuchsband RIKAS dem Weckerlingplatz musikalisches Leben einhauchen. Etwas unglücklich war hierbei, dass sie als Vorband von „NIGHT FEVER“ bestehen mussten. Da die zahlreichen Night Fever Fans offenbar wenig Interesse an jugendlichem Pop Rock hatten, bedeutete dies, dass Rikas Gig vor ungefähr 50 Leuten stattfand, was diese immer wieder augenzwinkernd kommentierten. Die Spielfreude der vier Stuttgarter litt erfreulicherweise nicht unter dem mangelnden Zuspruch. Mit ihrer unbekümmerten Mischung aus Beatles, Pulp, Beach Boys oder Weezer sorgte die gut geölte Bandmaschinerie eineinhalb Stunden lang für ein mitreißendes Konzert. Zwar erfanden die Schwaben das Songwriterrad nicht neu, sorgten aber mit ihrem treibenden Sound und eingängigen Melodien für beste Unterhaltung und gute Laune. Kurz vor halb acht steigerte sich das Publikumsinteresse deutlich. Der Grund hierfür war der Auftritt der BEE GEES-Tribute Band „Night Fever“, die unter anderem von dem Wormser Michael Zai gegründet wurde. Wo sie auftreten, ist ein ausverkauftes Konzert sozusagen vorprogrammiert. Das dürfte vor allem an der einzigartigen Perfektion liegen, mit der die Band einer der erfolgreichsten Bands der Musikgeschichte Tribut zollt. Man muss kein BEE GEES-Fan sein, um zu erkennen, mit welcher musikalischen Akribie sie die zahllosen Hits der Briten wieder aufleben lassen. Schloss man die Augen, war es nahezu unmöglich, Original und Kopie voneinander zu unterscheiden. Insofern war es kein Wunder, dass eine ganze Generation auf dem Weckerlingplatz schier aus dem Häuschen war. Kaum waren die ersten Akkorde angeschlagen, kannte das Publikum keine Sitzplätze mehr und tanzte ausgelassen zu „Staying Alive“ oder schwofte zu der Kitschballade „Massachusetts“.

Fazit: Tag 4 zeigte sich musikalisch enorm abwechslungsreich und sorgte für die ein oder andere musikalische Überraschung (GAUCKTrio, Rikas). Zudem bot man am Sonntag endlich auch dem Jazz eine Bühne. Der alles überragende Headliner waren indes die Lokalmatadoren von „Night Fever“.