Nibelungen Festspiele 2022 rücken die Frauen in den Mittelpunkt
In wenigen Wochen ist es soweit, dann finden erstmals nach zwei Jahren die Nibelungen Festspiele wieder ohne jegliche Einschränkungen vor dem Wormser Kaiserdom statt. Anfang Mai stellten die Veranstalter schon mal das Stück – nebst Ensemble – der regionalen und überregionalen Presse vor. Die war auch zahlreich erschienen, um zu erfahren, was es mit der „hildensaga.ein königinnendrama“ auf sich hat.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung im Mozartsaal freute sich Oberbürgermeister Adolf Kessel, dass doppelt so viele Presseakteure an- wesend waren, als bei der digitalen Pressekonferenz im vergangenen Jahr zur Luther Inszenierung. Kessel bekräftige zudem, dass die Stadt zu den Festspielen stehe und betonte den Wirtschafsfaktor Nibelungen Festspiele. Der politische Bühnengast der Landesregierung, Kulturstaatssekretär Prof. Jürgen Hardeck, konnte dann auch in Bezug auf die Kosten der Festspiele Positives an diesem Vormittag vermelden. „Gerade jetzt brauchen wir Kultur“ erklärte Hardeck und fügte an, dass man derzeit beobachte, dass es, obwohl es keine Einschränkungen mehr gibt, zahlreiche Formate gebe, die wenig Zuschauer haben. Umso mehr freute er sich, dass der Vorverkauf bei den Festspielen gut laufe. Sich des Leuchtturmcharakters der Festspiele bewusst, hätte das Land die Fördersumme für die Festspiele von 650.000 Euro auf 680.000 Euro angehoben. Das sei landesweit die größte Fördersumme. Festspielintendant Nico Hofmann wollte wiederum erkannt haben, dass die Festspiele in der Bürgerschaft stark verankert sind und zeigte sich entsprechend begeistert von Worms.
HELDINNENEPOS UND WELTPOLITIK
Was Hofmann am Stück wiederum besonders gefällt, sei, dass in diesem Jahr „Weltpolitik“ im Schatten des Wormser Doms verhandelt werde. Geschrieben wurde das Stück „hildensaga. ein königinnendrama“ von dem Österreicher Ferdinand Schmalz (siehe auch Interview WO! Juni 2022). Angesicht solch großer Worte aus dem Mund des Intendanten, ergänzte Schmalz gegenüber der Presse, dass das Stück für ihn eher ein Heldinnenepos sei. Schmalz, der bereits in Salzburg Festspielerfahrung sammelte, erklärte, dass für ihn früh feststand, die beiden zentralen Frauen der Geschichte, Kriemhild und Brünhild, in den Mittelpunkt zu rücken. Dennoch zeigte er sich auch nicht gänzlich unbeeindruckt von den gegenwärtigen Entwicklungen. Insbesondere im Umgang mit dem Ukraine Konflikt böte der Text die Möglichkeit, über viele Dinge nachzudenken, denn letztlich geht es bei den Nibelungen um Machtgeflechte, die Frage nach der Loyalität und wie Gewalt Gegengewalt provoziert, so Schmalz. Passend dazu merkte er an, dass auch die Sprache der Presse in Verbindung mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenski zur heldenhaften Verklärung neige. Regisseur Roger Vontobel („Siegfrieds Erben“, 2018) ergänzte entsprechend, dass man lieber über das Thema Frieden sprechen wollte, doch nun „müssen wir über Gewalt reden“ und zitierte den letzten Satz des Stückes: „Wir blicken auf wölfische Zeiten!“ In Anbetracht der aktuellen Entwicklungen hieß das für Ferdinand Schmalz, noch einmal Hand an das Stück zu legen. Eigentlich war dies schon 2020 fertiggeschrieben, doch dann kam Corona und die Festspiele wurden auf 2022 verschoben. Um die aktuelle Kriegssituation im Theater zu reflektieren, musste Schmalz schließlich nacharbeiten. Vontobel betonte jedoch, dass man zwar bei den Nibelungen Festspielen Bildung biete, aber ohne belehren zu wollen.
WONDER WOMEN TREFFEN AQUAMAN
Natürlich sollen die Nibelungen auch große Bilder liefern und das fängt bereits beim Bühnenbild an. Palle Steen Christensen, der bereits seit vielen Jahren mit Roger Vontobel arbeitet, entwarf für die dies- jährige Aufführung eine Wasserwelt. Die Idee dazu kam Roger Vontobel während einer Besprechung, wie die Kostümbildnerin Ellen Hofmann im Gespräch mit WO! verriet. Das künstlerische Team hätte gemeinsam mit dem Regisseur an einem See gesessen, als dieser begann, auf das Wasser zu stieren und schließlich seinen Wunsch nach einer Wasserwelt äußerte. Die symbolisiert einerseits düstere Moorlandschaften, sowie die vom Wasser umgebene Welt Brünhilds und schließlich eine Poollandschaft für das scheinbar sorglos, dekadente Leben der Burgundersippe. Zugleich ist das Wasser auch die Heimat der drei Nornen. Damit betreten die Nibelungen ebenfalls Neuland, tauchen die Festspiele doch erstmals im wahrsten Sinne des Wortes in die nordische Mythologie ein. Im Gegensatz zu Schmalz‘ Vorgänger verwob der Autor für „hildensaga“ Elemente der Edda (eine Sammlung nordischer Sagen) und Wagner mit seiner Erzählung. Die Nornen sind Schicksalsfrauen, die das Schicksal der Menschen in ihren Händen halten. In Wagners „Ring des Nibelungen“ spielen sie in „Götterdämmerung“ eine wesentliche Rolle, die an drei Abenden vom Geschehenen, Gegenwärtigen und von zukünftigen Dingen berichten. Man darf getrost davon ausgehen, dass Schmalz sich mit Wagners Ringzyklus auseinandergesetzt hat und die Nornen auch in Worms eine ähnliche Funktion übernehmen dürften. Zudem kommt ihnen eine musikalische Bedeutung zu. Wie die beiden Theaterkomponisten Keith O’Brien und Matthias Herrmann auf Nachfrage von WO! erklärten, sind die Darstellerinnen auch Teil des Musikensembles. Alle drei Darstellerinnen sind Saxophonistinnen und sind im Grunde das Pendant zu Enkhjargal Dandarvaanchig bei „Siegfrieds Erben“. Der beeindruckte mit seinem Kehlkopfgesang und der Pferdekopfgeige als musikalischer Kommentator der Geschehnisse auf der Bühne. Roger Vontobel witzelte in diesem Kontext, dass er sie „Wonder Women treffen auf Aquaman“ bezeichnen würde.
ZWEI FRAUEN UND VIELE MÄNNER
Letztlich ist das Stück aber nur so gut wie seine Schauspieler. Die durfte der Regisseur schließlich auf die Bühne holen, begleitet von den Worten Thomas Laues, dem Künstlerischen Leiter der Nibelungen Festspiele, dass dies das bisher tollste Ensemble in seiner Zeit in Worms sei. Statt auf große Namen setzt man in diesem Jahr auf renommierte Theaterschauspieler, wobei man auch das ein oder andere Gesicht durchaus schon im TV oder Kino gesehen hat. Angeführt wird das zwölfköpfige Ensemble von den beiden Schauspielerinnen Genija Rykova (Brünhild) und Gina Haller (Kriemhild). Rykova (36) agierte in den Ensembles vom Residenztheater München, am Burgtheater Wien und bei den Salzburger Festspielen und auch in Filmen wie „Schlussmacher“ und „Tatort“. Bei der Pressekonferenz erklärte die erfahrene Schauspielerin, dass die zuvor vorgestellte Wasserwelt ein entscheidender Aspekt für sie war, bei den Festspielen mitzuspielen und freute sich dementsprechend auf den Probenbeginn. Mittlerweile erfolgreich durchgeführt, musste ein Teil des Ensembles vor dem offiziellen Probenbeginn am 31. Mai ein Tauchtraining absolvieren, da die Schauspieler auch direkt im Wasser spielen werden. Für ein klares Statement sorgte die 35-jährige Gina Haller. Im Kontext dessen, dass an diesem Tag immer wieder über die Betonung weiblicher Dominanz bei dem diesjährigen Festspielstück gesprochen wurde, erklärte Haller brüsk, dass das inhaltlich zwar stimme, aber sie letztlich doch, zusammen mit Rykova, zwei Frauen inmitten von Männern dominierten Festspielen seien. Haller ergänzte: „Ich möchte aber nicht die Stimme vieler Frauen sein“. Zur Ehrenrettung der Nibelungen Festspiele muss man erwähnen, dass die starke Frau der Nibelungen, Petra Simon (Technische Betriebsdirektorin), an diesem Tag nicht anwesend war. Haller gehört aktuell zu den gefragtesten Nachwuchsschauspielerinnen im deutschsprachigen Raum. Haller war unter anderem an den Theatern Basel, Trier, Bremen und Bochum zu sehen. 2020 wurde Haller aufgrund ihrer ausdrucksstarken Leistung in einer Berliner Inszenierung von Shakespeares „Hamlet“ in einer Kritikerumfrage zur „Nachwuchsschauspielerin des Jahres“ gekürt. Zuletzt spielte sie in der viel diskutierten Tatort Episode „Schattenleben“ eine tragende Rolle.
EIN SPECIAL GUEST AUS ST. TROPEZ
Wo eine Kriemhild ist, darf natürlich auch Siegfried nicht fehlen. Der wird in diesem Jahr von Felix Rech gespielt. Thomas Laue erinnerte bei der Vorstellung des Schauspielers daran, dass dieser bereits 2018 Teil des Ensembles war, allerdings kurz vor der Premiere wegen einer Blinddarmentzündung ins Krankenhaus musste. 48 Stunden war Rech von der Bildfläche verschwunden und die Rolle bereits neu besetzt, als dieser aus dem Krankenhaus zurückkehrte, um wieder auf der Bühne zu stehen. Mit einem verlegenen Lächeln ergänzte Rech, dass er natürlich hoffe, dass es in diesem Jahr auch ohne Drama geht. Drama gehört wiederum zum festen Programm eines Gottes und den darf Werner Wölbern spielen, genauer gesagt Wotan, Wagners Variante des Göttervaters Odin. Wölbern, der unter anderem Reichsaußenminister Gustav Stresemann in der Fernsehserie „Babylon Berlin“ spielte, erklärte der Presse: „Der Text klingt gut. Ich hatte viel Spaß beim Lesen, weil die Grammatik so schön schräg und teilweise bewusst falsch ist“. Ein klein bisschen Starpower gibt es trotz aller Theaterkunst auch noch. Als Special Guest wird in diesem Jahr Kuratoriumsmitglied und Schauspielstar Mario Adorf mit dabei sein, allerdings nur auf der Leinwand. Aufgrund seines hohen Alters waren Dreharbeiten vor Ort nicht möglich, sodass man die entsprechenden Szenen bereits in seiner Heimat St. Tropez drehte. Wie Thomas Laue verriet, war das allerdings ein komplizierter Dreh. Was genau schwierig verlief, verriet er indes nicht. Die Zuschauer dürfen sich wiederum auf einen großen Darsteller und Mitbegründer der Festspiele freuen. Ob Adorf am 15. Juli bei der Premiere dabei sein wird, ist im Moment noch unklar. Klar ist wiederum, dass man an diesem Morgen mächtig die Werbetrommel gerührt hat und die Erwartungshaltung bei vielen Besuchern nicht gerade klein sein dürfte. Man darf gespannt sein, was die Nibelungen 2022 zu bieten haben.
Text und Foto: Dennis Dirigo
Foto: Intendant Nico Hofmann (links) mit seinem diesjährigen Ensemble während der Pressekonferenz
Weitere Informationen zu den Festspielen finden Sie hier: https://www.nibelungenfestspiele.de/nibelungenfestspiele/
Die Nibelungen Festspiele finden in der Zeit vom 15. bis 31. Juli auf der Nordseite des Wormser Doms statt.