Wer in den letzten Augusttagen aufs Backfischfest ging, erlebte am Eingang zunächst nichts, was es nicht auch schon in den letzten drei Jahren dort zu sehen gab. Im Bemühen, einen Terroranschlag mit einem LKW oder Ähnliches abzuwenden, ziert eine riesige Sicherheitssperre des Herstellers Conselgroup den Bereich vor dem Backfischfesttor. Fast hat man sich zwischenzeitlich daran gewöhnt. Die Frage ist dennoch: Wie sicher ist sicher und wann wird aus Sicherheit reine Symbolpolitik?

Die Fahrzeugsperre am Eingang ist lediglich der Auftakt zu einer Reihe zusätzlicher Maßnahmen, die man in diesem Jahr zum Teil erstmals getroffen hat, um den Festplatz vor einem Anschlag zu schützen. Wer das Gelände abläuft , entdeckt schon bald, dass entlang der Rheinstraße Betonwandsperren die Händlermeile sichern, während an der Einfahrt zur Floßhafenstraße zwei versetzt aufgebaute, mobile Pollersperren größeren Autos die Fahrt erschweren sollen. Ironischerweise passierte zum Zeitpunkt unseres Rundgangs gerade ein größeres Feuerwehrfahrzeug mühelos diese Stelle. Direkt neben den Bahngleisen warten weitere Betonwände auf ihren Einsatz. Selbstverständlich wird, wie im letzten Jahr, der Verkehr über eine Einbahnstraßenregelung gelenkt. Aber Sicherheit wird nicht nur rund um den Platz groß geschrieben, sondern auch auf dem Parkplatz. Zahllose Betonsperren durchziehen das Gelände nördlich der Kisselswiese. Wahlweise fühlt man sich an das Spiel „Das verrückte Labyrinth“ erinnert oder wähnt sich in einem Schutzstreifen zwischen den Grenzen zweier Länder, die sich nicht so wohlgesonnen sind. Entwickelt wurde dieses Sicherheitskonzept in einer Kooperation zwischen der Stadt Worms und der Polizei. Zusätzlich wurden diese durch einen externen Berater unterstützt. Das kostet natürlich Geld, viel Geld. Die Rede ist aktuell von Sicherheitskosten zwischen 150.000 Euro und 200.000 Euro. Alleine die mobilen Sperren, die zukünftig auch bei weiteren Festen eingesetzt werden, schlagen im Wormser Haushalt mit rund 40.000 Euro zu Buche. Kurz vor der Eröffnung rollten 10 LKW’s an, die die massiven Betonwände anlieferten. Wir haben an dieser Stelle schon öfters gefragt, wie lange es bei diesen Ausgaben überhaupt noch möglich ist, größere Veranstaltungen durchzuführen? Für die Polizei bedeuten offene Veranstaltungen, wie das Backfischfest, purer Stress, da der Besucherstrom nur eingeschränkt kontrollierbar ist. Zudem gibt es trotz Sperren und Sicherheitsdiensten weiterhin die Möglichkeit, unerkannt auf den Platz zu kommen. Insofern ist es ein konsequenter Gedanke, wenn die Polizei sich damit beschäft igt, das Gelände komplett einzuzäunen. Aber ist das nicht alles eine trügerische Sicherheit, die in erster Linie nur dazu dient, dass sich die Veranstalter, also die Stadt, rechtlich absichern können? Ist das überhaupt möglich, ohne den kompletten Verlust von Freiheit in Kauf zu nehmen?

In der Diskussion um die richtige Dosis wird gerne das Argument ins Feld geführt, dass, wenn etwas passiert, hinterher niemand den Vorwurf erheben kann, nichts getan zu haben. Ist das so? Würde nicht bei einem Attentat mit einer Drohne die Frage laut werden, warum man nicht zusätzlich den Luftraum gesperrt hat? Oder wenn jemand mit einem Messer auf den Platz geht und damit Unheil anrichtet, warum es keine Körperabtastung am Eingang gab? Verwundert ob dieser Festung, in die man die Kisselswiese verwandelt hat, zeigte sich auch Albert Ritter, Präsident der Europäischen Schausteller-Union, der am ersten Wochenende dem Traditionsfest einen Besuch abstattete. Im Gespräch mit WO! erzählte er, dass er natürlich auf vielen Festen in Deutschland sei, bei denen das Thema Sicherheit deutlich zurückhaltender verhandelt wird. Verwundert zeigte er sich darüber, dass man weder von Seiten der Stadt, noch von der Polizei, den Kontakt mit den Schaustellern gesucht hat, obwohl die letztlich das größte Interesse an einem friedlichen Volksfest haben. „Die Schausteller sollte man nicht ignorieren. Wir sind die Augen auf so einem Platz oder man könnte auch sagen, dass man mit den Schaustellern 500 Hilfsordner hat, die zugleich auf dem Gelände wohnen“, erklärt Ritter. Für die Schausteller bedeuten die umfangreichen Maßnahmen auch ein Bangen um Gäste. Wer aufgrund der neuen Verkehrsregelung zulange braucht, um mit seiner Familie zu dem Fest zu kommen, entscheidet sich vielleicht beim nächsten Mal für einen Besuch in einem Vergnügungspark. Vielleicht fühlt sich der ein oder andere Besucher in Anbetracht solcher martialischer Maßnahmen auch einfach nur abgeschreckt, denn wo viel Schutz ist, lauert vielleicht auch eine Bedrohung. Das wollen wir natürlich nicht annehmen. Das Thema Sicherheit wird in den kommenden Jahren wahrscheinlich weiterhin eine dominante Rolle spielen, denn neben dem Schutz von Menschen geht es auch um die Angst – und mit der lässt sich viel Geld verdienen. Eine kleine Runde Google beschert dem Suchwilligen eine ganze Reihe von Unternehmen, die unterschiedlichste Schutzlösungen anbieten. Einen absoluten Schutz, den wird man allerdings vergeblich suchen.