Anmerkung der Redaktion: Seit dem 14.01. müssen Wormser mit erheblichen Einschränkungen leben. Grund war ein vorübergehend erhöhter Inzidenzwert. Aktuell liegt dieser bei 139,9. Ob die Einschränkungen maßgeblich zu der aktuelll verhältnismäßig niedrigen Zahl beigetragen hat, darf man zurecht anzweifeln. Vielmehr war ein Ausbruch in einem Altenheim und die verzögerten Meldungen bezüglich der Feiertage für den sprunghaften Anstieg verantwortlich. Der Wormser und Stadtratsmitglied Mathias Englert hält die Maßnahmen nicht für verhältnismäßig und hat als Privatperson einen Eilantrag gestellt. Parallel fordert der Landtagsabgeordnete Jens Guth eine Abkehr von der 15 Kilometer Regel.

Mathias Englert: „In meiner Eigenschaft als Privatperson – nicht als Vorsitzender von FWG-Bürgerforum oder als Fraktionsvorsitzender dieser Fraktion im Stadtrat – habe ich gegen die Allgemeinverfügung der Stadt Worms vom 11. Januar dieses Jahres Widerspruch erhoben und gleichzeitig beim Verwaltungsgericht beantragt, die Aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen.

In den letzten Tagen, als „durchgesickert“ ist, dass diese Maßnahmen von mir kommen, habe ich einerseits viel Zuspruch erfahren, vereinzelt auch Rückfragen.“

Deswegen möchte ich meine Beweggründe darlegen:

  1. Ich bin kein „Corona-Leugner“. Mir war von Beginn der Pandemie an klar, dass es zu Todesfällen – nicht nur wie teilweise in den sozialen Medien behauptet von „über 80jährigen“ – auch von jüngeren, nicht vorbelasteten Menschen kommt. Nach meiner Ansicht ist jeder Todesfall, egal ob mit oder an Corona gestorben, einer zu viel. Daneben kommt es auch bei nicht tödlichen Verläufen zu dauerhaften, irreversiblen Dauerschädigungen an unterschiedlichen Organen durch die Corona-Infektion. Dabei ist mir bewusst, dass es auch zu harmlosen Verläufen kommen kann. Insbesondere muss auch auf die Belastbarkeit des Gesundheitssystems geachtet werden, dass es nicht zur sog. Triage kommt. „Gesundheitssystem“ klingt immer sehr abstrakt. Es sind Menschen: Pflegepersonal, Ärzte und andere für die Gesundheit Tätige. Deren Belastbarkeit ist oft erreicht und sogar überschritten. Daher erachte ich es als absolut wichtig, neue Corona-Infektionen zu reduzieren. Es kann auch niemand ein Interesse daran haben, in Behandlung bei einem völlig überlasteten Arzt oder in der Obhut von überlasteten Krankenschwestern oder Pflegern zu sein.
  2. Die Infektion mit Corona-Viren erfolgt lt. Robert-Koch-Institut (RKI) im Wesentlichen durch „… die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen…“ übertragen werden. Daher gilt es, die persönlichen Kontakte auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Daneben ist bei zwingend notwendigen Kontakten alles zu unternehmen, die Ausscheidung und Aufnahme von Viren so gering wie möglich zu halten (z.B. durch Maske, Abstand, Lüften, unvermeidliche Treffen möglichst draußen).
  3. Die Allgemeinverfügung der Stadt zielt aber in den angegriffenen Punkten in keiner Weise auf die Kontaktreduzierung oder die Reduzierung der Virenübertragung. Stattdessen bewirkt die Allgemeinverfügung das Gegenteil: Beispielsweise wird durch die verkürzte Zeit zum Einkaufen hierdurch zu mehr Kontakten führen. Das ist kontraproduktiv.
  4. Grundrechtseinschränkungen (Freizügigkeit) müssen dem Zweck (hier der Verhinderung von Infektionen) dienen und zusätzlich das letzte zur Verfügung stehende Mittel sein. Beides ist hier nicht der Fall.
  5. Sinnvolle Maßnahmen hat das Land, im Widerspruch zur Bund-Länder-Absprache, beispielsweise die „ein Haushalt plus eine Person“-Regel nicht vorgeschrieben, sondern nur als „Soll-Vorschrift“ ohne Bußgeld in die 15. Corona-Abwehrverordnung aufgenommen. Stattdessen wird „Wormsern“ verboten, alleine oder als Haushaltsgemeinschaft zum Beispiel im Pfälzer Wald spazieren oder wandern zu gehen (damit meine ich keine Massenansammlungen am Skilift). Weiterhin erachte ich es ebenfalls als widersinnig, wenn Wettbüros im Gegensatz zu Einzelhandelsgeschäften geöffnet haben. Wettbüros dürfen für die Abgabe von Wetten betreten werden; de facto haben sie aber „normal“ geöffnet.
  6. Bereits vor dem Erlass der Allgemeinverfügung aber nach dem Überschreiten der 200er Inzidenz habe ich dem Oberbürgermeister meine Bedenken hinsichtlich der Ausgangssperre (die 15km-Regel war zu diesem Zeitpunkt kein Thema) per E-Mail mitgeteilt (dies als Fraktionsvorsitzender von FWG-Bürgerforum). Leider habe ich keine Antwort erhalten. Deswegen blieben mir nur diese Rechtsmittel.
  7. Der Oberbürgermeister hat in den Medien verlautbart, dass die „15km-Regel“ eine Vorgabe des Landes gewesen sei, er diese aber nicht befürworte. Leider hat sich der Oberbürgermeister nun zum wiederholten Male vom Land „zwingen“ lassen, gegen sein Gewissen zu entscheiden. Ob er dafür gewählt wurde, mag er für sich entscheiden.
  8. Die Allgemeinverfügung ist „handwerklich“ schlecht: Zum Beispiel sind die Begriffe „Lebensgefährte“ und „tagestouristische Zwecke“ nicht näher definiert. Daraus ergibt sich eine Rechtsunsicherheit.
  9. Die Allgemeinverfügung ist sprachlich so aufgebaut, dass der meiste Text auf die Ausnahmen gerichtet ist. Das verleitet den Leser dieser Verfügung immer nach „Ausnahmen“ zu suchen, statt sich auf die Kontaktreduzierung zu konzentrieren. Und hierauf kommt es meines Erachtens jetzt an. Dies gilt umso mehr bei den neuen infektiöseren Corona-Virus-Mutationen.