War es die Milde zu Wedels Abgang oder der „Mut“ des Regisseurs, die Nibelungen auch mal mit Maschinengewehren und Gasmasken ins Verderben rennen zu lassen, damit auch der Letzte im Publikum den aktuellen Bezug zum Nahen Osten erkennt? Wenn der gemeine Theater-Besucher mit dem Kopf schüttelt, klatschen sich die Kritiker der Feuilletons begeistert auf die Schenkel. Das Presse-Echo zu „Born this Way“ fiel so positiv wie noch nie aus. Und wie immer dürfen Sie raten, welche Zitate aus der BILD-Zeitung stammten…

Zusammengestellt von: Frank Fischer

Der Spiegel Nachtkritik: Harald Raab findet die Inszenierung trotz der martialischen Vorlage ziemlich gelungen. Das liegt für ihn im Wesentlichen an der jungen, aus Leipzig stammenden Schauspielerin Charlotte Puder. Sie „lotet“ die ganze seelische Bandbreite der Kriemhild aus: ihren Schmerz, ihre Empörung, dass da nicht Gerechtigkeit ist für den Mord an ihrem Gatten Siegfried. Sie will den Mörder Hagen verurteilt sehen. Empörung schreit sie heraus, als ihre Brüder, auch der unschuldige Giselher, dem Mordgesellen die Treue halten, bis alles in Scherben fällt. Einer für alle, alle für einen: Spießgesellenmoral. Charlotte Puder vermittelt mit erschreckender Konsequenz einer Nemesis ihren Weg zur Rächerin, zur Herrin über Leben und Tod, weil sie sonst keine Sühne erlangen konnte: „Ich schlag den Drachen tot und jeden mit, der sich zu ihm gesellt und ihn beschützt.“

Frankfurter Allgemeine: Die Atmosphäre von Misstrauen, Angst und grimmigem Wahn, die den Endkampf umwabert, ist mit Händen zu greifen, die Anspielungen auf den Vernichtungskrieg im Osten sind deutlich. Die Burgunder, ausgerüstet mit Maschinengewehren, Nachtsichtgeräten und Stahlhelmen voller Blut, singen bei ihrem Unternehmen Barbarossa Landserlieder und „Am Brunnen vor dem Tore“ und schauen peinlich berührt weg, wenn ihr Held grundlos einen Hunnen massakriert oder der Schamanin an die Gurgel geht: Der verschworene Haufen grausam sentimentaler Desperados würde lieber sterben, als seinen Führer im Stich zu lassen.

Deutschlandfunk: Bei seiner letzten Premiere als Intendant hat Dieter Wedel nun seine bislang beste Inszenierung abgeliefert – weil er sich nach dreizehn Jahren am Rhein offenbar erstmals mit den Erzählweisen heutigen Theaters auseinandergesetzt hat. Er kann vom großen Kriegsgemälde nicht ganz lassen, aber insgesamt ist die Aufführung von kammerspielartiger Stille und Bescheidenheit.

Deutschlandfunk: Dann aber übernimmt der Musiker Matthias Trippner mit seinen Trommeln und Sounds die Tonregie, und die Burgunder begeben sich unter der Leitung des todessüchtigen Hagen an Etzels Hof. Es ist klar, dass „Apokalypse Now“ hier Pate stehen soll; Wedel lässt zunächst die Burgunder als Wehrmacht, dann die Hunnen als heutige westliche Militärmaschine marschieren, die wir aus dem Irak, Afghanistan oder dem Nahost-Konflikt kennen. Ob diese heutigen Konflikte einfach 1:1 auf die Nibelungen und Kriemhilds Maßlosigkeit zu projizieren sind, sei einmal dahingestellt.

Focus: Mit einem kritischen Blick auf die deutsche Heldensage verabschiedet sich Intendant Dieter Wedel von den Nibelungenfestspielen.

Frankfurter Allgemeine: Wedel gibt dem Stück mit der Hassliebe zwischen Kriemhild und Hagen ein Zentrum, Räume und szenische Einfälle und hält so die Balance zwischen Kammerspiel und Welttragödie, heroisch-tragischem Pathos und übermütiger Posse.

Deutschlandfunk: Zwischendrin immer wieder Rückfälle ins Idyllische, Kriemhild treibt die Zicklein vor sich her, Etzel wirbt auf einem wirklich schönen Rappen um die leidgeprüfte Witwe; frischgewaschene Mädchenchöre singen „Es kommt der Tag, da will ich in die Fremde“, und schon marschieren die Burgunder ins Hunnenland. Das sind so die Klischees, in denen der Fernsehmann Wedel denkt.

Die Welt: Einer kennt die Mechanik der Tragödie, sie ist ihm eingeschrieben, er selbst ist ihr Schwungrad: Hagen Tronje. Es ist sein Abend und der Abend seines Darstellers Lars Rudolph, der alle anderen über ragt, von denen viele auch nicht von schlechten Eltern sind. Woran man sieht, was für Theaterfestspiele unter freiem Himmel essenziell ist: Es braucht einen Schauspieler, der das Ganze reißt.

Der Spiegel: Sander war bereits der Winnetou in Bad Hersfeld. Jetzt gibt er einen stolzen Etzel, sparsam in der Geste und zielgerichtet in der Bewegung – imposant eingeführt, als er auf einem schwarzen Pferd auf die Freilichtbühne vor die Nordseite des Doms reitet. Es ist eine der Schmuckbeigaben, die sich Wedel gerne gönnt.

Deutschlandfunk: Das High-Society-Publikum applaudierte nur moderat, es wollte sich seine Feierlaune nicht verderben lassen. Dieter Wedel aber hat erst kurz vor seinem Abschied erkannt, was er in Worms hätte machen können.

Frankfurter Allgemeine: Erol Sanders Etzel zeigt hoch zu Ross, dass er schon als Winnetou in Bad Segeberg den Umgang mit prächtigen Rappen gelernt hat, aber mehr als im Migrationshintergrund tänzeln, beschwichtigen und mahnen darf er eigentlich nicht. Sander, als türkischer Mordkommissar zu Fernsehruhm gekommen, ist weiser Pazifist, liebevoller Papa und stolzer Reitersmann, aber den ungarisch-mongolischen Despoten nimmt man ihm dann doch nicht ab.

Bild: „Wedels letztes Nibelungenfest reißt Promis von den Sitzen“ Wedels letztes Gemetzel! Promis auf der Bühne – pure Energie: Erol Sander, Elisabeth Lanz, Franziska Reichenbacher, Lars Rudolph. Promis im Publikum – berauscht, begeistert, gefesselt! Seit Jahren dabei „Tagesschau“-Legende Dagmar Berghoff: „Hervorragend inszeniert. Tolle Schauspieler. Einmalig.“ Lucas Cordalis ohne seine Daniela: „Leider verhindert, ich bedauere es sehr.“ Franzi van Almsick dafür mit ihrem Jürgen. Trennungsgerüchte machten die Runde. Die strahlten beide weg. Franzi legte demonstrativ ihre Hand auf sein Bein.

Bild Frankfurt: Der Lotto-Fee wird das Herz herausgerissen! Franziska Reichenbacher (46) als Schamanin auf der Nibelungen- Bühne von Star-Regisseur Dieter Wedel (71) – getreten, geschlagen, gequält. BILD FRANKFURT war bei der Generalprobe dabei. Trotz rabiater Schinderei: So schön war die Reichenbacher noch nie. Der Esoterik-Look, die dunkelrote lange Mähne und die Wildheit stehen ihr gut. Ganz anders als im Lotto-Studio, wo Franziska immer sehr brav wirkt. Reichenbacher: „Ich bin total die Femme Fatale. Als ich mich zum ersten Mal so sah, da war ich geschockt. Ich musste mich erst hinein fühlen. Inzwischen überlege ich wirklich, ob ich meine Haare anders tragen soll.“ Ist der Grund für ihr Beauty-Glühen vielleicht ein ganz anderer? Gerüchten zufolge soll sie in Regisseur Dieter Wedel nicht nur einen Theater-Arrangeur gefunden haben…Reichenbacher lacht: „Wir sind ziemlich beste Freunde. Wir kennen uns über 8 Jahre. Da ist wirklich nichts. Ich bin glücklich verheiratet.“ Und schöner denn je.

Die Welt: Den ärgerlichsten Part hat Erol Sander als Etzel. Er hätte gleich sein Bad Segeberger Winnetou-Kostüm anlassen können, so dick trägt er den edlen Wilden auf, der weit über den Vertretern des „Westens“ steht, die sich in Gestalt der Nibelungen ordentlich danebenbenehmen.