In den vergangenen Jahren zeigte Regisseur Kenneth Brannagh eine auffällige Nähe zu mittelmäßigen Blockbuster Spektakeln („Cinderella“, „Jack Ryan: Shadow Recruit“). Fast schien es, als hätte das frühere Shakespeare Genie die Lust am Kino verloren (siehe „Tod auf dem Nil“) und würde nur noch für seinen Gehaltsscheck arbeiten. In der Einsamkeit der Corona Zeit beschloss der Ire schließlich, etwas Persönliches zu schaffen. So beschrieb er es zumindest in Interviews. Herausgekommen ist der Film „Belfast“, eine fiktionale biografische Kindheit in dem von Terror überschatteten Belfast. Erzählt wird diese Kindheit konsequent aus der Sicht des neunjährigen Buddy. Das erlaubt einen ganz besonderen Blick auf die verstörende Gewalt, die die Kinder um sich herum erleben mussten. Sinnbildlich hierfür ist eine Szene gleich zu Beginn, die zugleich ganz großes Kino ist. Während die Kamera scheinbar schwerelos und ohne Schnitt durch die schwarzweiß gefilmten Straßen eines Arbeiterviertels schwebt, spielen Kinder sorglos auf den seltsam steril wirkenden Gassen im Jahre 1969. Eine Mutter ruft nach ihrem Sohn, der in einem Hinterhof unbeschwert gegen imaginäre Drachen kämpft, doch dann wird dieser Moment durch ohrenbetäubenden Krach unterbrochen. Am Ende der Straße formiert sich ein Mob, der nun laut brüllend und randalierend durch die Straßen zieht. Doch Brannagh erzählt kein Bürgerkriegsdrama, sondern findet immer wieder Zeit für die kindlichen Momente. Gleichzeitig ist der Film auch eine Liebeserklärung an das große Kino Hollywoods, wenn Buddy mit großen Augen gemeinsam mit seinen Eltern im Kino sitzt und sich Filme wie „Tschitti Tischitti, Bäng Bäng“ oder „12 Uhr mittags“ anschaut.

FAZIT: „Belfast“ ist sicherlich kein Meisterwerk, aber es ist trotz des vermeintlich düsteren Settings des Nordirland Konflikts ein erstaunlich lebensbejahender Film, der einem aber bekümmert zurücklassen kann ob der Sinnlosigkeit dieses jahrzehntelang schwelenden Konflikts. Am Ende weißt Brannagh zumindest, dass Toleranz der Schlüssel zur Lösung aller Konflikte ist.

Belfast. GB 2021

Regie: Kenneth Brannagh

Darsteller: Jude Hill, Caitriona Balfe, Jamie Dornan, Cieran Hinds, Judi Dench

Laufzeit: 97 min

Freigegeben ab 12 Jahren

 

Bewertung: sehenswert

Eine Kritik von Dennis Dirigo