Dass es wieder nicht reichen würde, um seinen Kontrahenten Jan Metzler zu übertrumpfen, war schon früh absehbar. Dass Marcus Held aber am 24.09. ein Wahldebakel erleben würde, damit hatte er wohl selbst nicht gerechnet. Über die rheinland-pfälzische Landesliste der SPD wird er trotzdem wieder in den Bundestag einziehen. Zurück bleiben viele Fragen.
Die Wahl eines Direktkandidaten ist in erster Linie eine Sympathiewahl. Vor vier Jahren konnte der stets bodenständig und authentisch auftretende Jan Metzler (CDU) einen Überraschungscoup landen und gewann erstmals nach mehr als 60 Jahren SPD-Herrschaft den Wahlkreis 206. Sein Kontrahent Marcus Held hatte seinerzeit einen erheblich aufwendigeren und ziemlich teuren Wahlkampf betrieben, der längst nicht bei allen Wählern gut ankam. Obwohl er sich anschließend geläutert zeigte in Anbetracht von mehr als 60.000 Euro Werbekosten, machte er diesmal die gleichen Fehler wieder. Held war erneut omnipräsent, verteilte auf dem Umzug Rosen an Frauen oder vor der Schule Brotdosen an Grundschüler und tappte damit in ein Fettnäpfchen. Held hier, Held da – ein kurzes Foto für Facebook und ab zum nächsten Termin. Held setzte auf großflächige Plakatwerbung, Zeitungsinserate und erinnerte auf der Titelseite des kostenlosen Anzeigenblattes „Nibelungenkurier“ Woche für Woche daran, ihn am 24.09. zu wählen. Auch in den Sozialen Netzwerken waren beide Kandidaten aktiv und präsentierten kurz vor der Wahl einen Imagefilm über ihre Person, wobei Metzler erneut ein glücklicheres Händchen bewies. Während sein junges Filmteam, bestehend aus Wormser Kreativen, auf Emotionen setzte und unter dem Titel „En ganz normale Kerl“ den privaten, durchaus sympathisch wirkenden Jan Metzler in den Vordergrund rückte, wirkte Helds Wahlkampffilm wie ein professionelles Imagevideo über die Stadt Worms und ihre Errungenschaften, für die selbstverständlich auch Marcus Held verantwortlich sei. Bis kurz vor der Wahl brachte es Helds Clip auf knapp 30.000 Klicks, Metzlers Film dagegen wurde weit über 70.000 Mal angesehen. Bereits da war absehbar, dass es ein ziemlich eindeutiges Rennen wird.
In einem anonymen Dossier wird Held beschuldigt
Die Aussicht, dass es Held diesmal gelingen würde, den Wahlkreis 206 wieder zurückzuerobern, erhielt bereits im April dieses Jahres einen herben Dämpfer. Ein bis heute Unbekannter hatte ein mehrseitiges Memorandum, inklusive interner Unterlagen aus dem Rathaus Oppenheim, an verschiedene Zeitungen und die Staatsanwaltschaft geschickt. Darin enthalten waren Hinweise auf Unregelmäßigkeiten des Stadtbürgermeisters Marcus Held bei Grundstücksgeschäften der Stadt Oppenheim. Die Folge: Über Wochen hinweg fand eine Sonderprüfung des Landesrechnungshofes im Rathaus Oppenheim statt. Ein erster Zwischenbericht ließ bereits tief blicken, so dass sich mittlerweile auch die Staatsanwaltschaft Mainz mit den Vorwürfen beschäftigt und in mindestens neun Fällen von Untreue ermittelt. Bis dato haben sich mehr als 1.000 Seiten Aktenmaterial angesammelt, weitere strafrechtlich relevante Anhaltspunkte werden derzeit noch untersucht. Der Journalist Thomas Ruhmöller hat den Fall beleuchtet und auf einer Internetseite (www.der-oppenheim-skandal.de) dokumentiert. Selbst die sonst gemäßigte AZ schreibt mittlerweile vom „System Held“, gilt der doch als ein Politiker vom alten Schlag, der Netzwerke knüpft, Abhängigkeiten schafft und wie selbstverständlich verdiente Parteifreunde in verantwortliche Positionen hievt. Held selbst bekleidet so viele Positionen in stadtnahen Gesellschaften, dass eine Aufzählung schier den Rahmen sprengen würde. Sein größtes Problem ist aber seine mangelnde Glaubwürdigkeit, denn hinter vorgehaltener Hand trauen ihm selbst Parteikollegen zu, gemauschelt zu haben. Als im Hintergrund bereits die Staatsanwaltschaft ermittelte und ihm seine Immunität als Bundestagsabgeordneter längst entzogen war, stellte sich Held in der Öffentlichkeit immer noch als das Opfer einer Rufmordkampagne dar, ohne auch nur einen Funken von Einsicht zu zeigen oder gar einzuräumen, Fehler gemacht zu haben. Womöglich bringt der Jurist auch ein ganz spezielles Rechtsverständnis mit. Wenn er zum Beispiel bei der Erschließung von Neubaugebieten dem SPD-Bürgermeister des Nachbarortes lukrative Aufträge nicht nur als Planer, sondern auch als Immobilienmakler zuschanzt, der laut Vertrag gleich doppelt kassieren darf – vom Käufer und vom Verkäufer. Im Gegenzug füllt der die Parteikasse mit Spenden auf. Oder wenn im Zuge eines Grundstücksverkaufs Helds Amtsvorgänger und Parteikollege Erich Menger mal eben 35.000.- Euro Maklercourtage kassiert. Dass Held einer Geschäftsfrau 50.000.- Euro bei einem Grundstücksgeschäft erlässt und anschließend einen neuen Mercedes dort erwirbt – für Held sind das offensichtlich ganz normale Vorgänge. Wohlgemerkt: ohne vorher den Stadtrat darüber informiert zu haben. Und während Held die Suche nach dem „unbekannten Denunzianten“ in den Fokus der Ermittlungen stellen wollte, ließ er sich im Hintergrund, mit drei Jahren Verspätung, seine umstrittenen Grundstücksgeschäfte nachträglich vom Stadtrat legitimieren, was in Anbetracht einer SPD-Mehrheit im Oppenheimer Rathaus ein Leichtes war.
Eindeutiges Votum
Dass die Treue der Genossen aber auch Grenzen hat, zeigte die (geheime) Abstimmung über die zu vergebenden Listenplätze der rheinland-pfälzischen SPD. Von allen 37 Kandidaten erhielt Held mit 76%, mit gebührendem Abstand zum Vorletzten (ca. 88%), die geringste Zustimmung der Basis, wurde aber trotzdem vom Parteivorstand auf den sicheren Listenplatz vier gehievt. Offensichtlich ist das Vertrauen der SPD-Führung in die Integrität ihres Bundestagsabgeordneten größer als das Votum ihrer Mitglieder aussagt. Somit wird Held, ungeachtet des Denkzettels seiner Wähler, über die Landesliste sicher wieder in den Bundestag einziehen. Abzuwarten bleibt allerdings, was der für das 4. Quartal anvisierte Abschlussbericht des Landesrechnungshofes und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft noch alles ans Tageslicht befördern. Bis dahin gilt für Held nach wie vor die von seinen SPD-Kollegen oft zitierte „Unschuldsvermutung“. Für viele Wähler waren die jüngsten Enthüllungen aber offensichtlich Bestätigung genug, dass Held keineswegs der Saubermann ist, als den er sich gerne in der Öffentlichkeit inszeniert. Am 24.09. haben die Wähler ziemlich eindeutig dafür votiert, dass diese Art von Politik ausgedient hat. Das sollte auch einem Marcus Held zu denken geben.
In Helds Heimat Oppenheim fand wohl die größte Revolution des Wahlabends statt. Wo Stadtbürgermeister Marcus Held im Jahr 2013 noch 50,1% der Oppenheimer von seiner Politik überzeugen konnte, während sein CDU-Kontrahent nur 30,3% erzielte, lag Metzler diesmal knapp zwei Prozent vor Held, der in seiner eigenen Stadt 18,5% verloren hat. In der Nachbargemeinde Nierstein fiel Metzlers Sieg sogar noch deutlicher aus. Dort triumphierte der Winzersohn mit 43,0% gegenüber 21,1% von Held.