Anmerkung der Redaktion: Der Text wurde ein Tag nach der Kommunalwahl verfasst. Leider lag zu diesem Zeitpunkt noch nicht die endgültige Auswertung der persönlichen Kandidatenstimmen vor. Insofern ist unsere Interpretation, dass FWG / Bürgerforumkandidat Peter Englert erfolgreicher war als Richard Grünewald, Spitzenkandidaten Bündnis 90 / Die Grünen, nicht korrekt. Auch Peter Englert erreichte die hohe Zahl durch eine Dreifachwertung. Zwischenzeitlich liegt uns die detailierte Auswertung der Personenstimmen vor. Tatsächlich ist hier der erfolgreichste Stadtratskandidat Timo Horst, der durch Kumulieren und Panaschieren Stimmen von insgesamt 5.577 Wormser erhielt. Die zweitmeisten Stimmen erhielt Dr. Klaus Karlin (CDU). Er bekam Kreuze von 4.672 Wormsern. Richard Grünewald wurde von 3.390 Bürgern direkt gewählt und Peter Englert von 3.079. Durch die Möglichkeit der Mehrfachwertung erreichte auch der AfD Kandidat Ludger Sauerborn einen Wert von 10.019 Stimmen. Gewählt wurde er indes nur von 1.020 Wormsern. Dr. Jürgen Neureuther wurde von 1.280 Wahlberechtigten gewählt.
Der Wahlmarathon, der im vergangenen Jahr mit der OB-Wahl begann, hat am 26. Mai 2019 mit der Kommunal- und Europawahl ein Ende gefunden. Durchatmen und neu sortieren ist nun angesagt, bevor im Frühjahr 2021 die Landtagswahl in Rheinland-Pfalz stattfindet. Die Vertreter von acht Parteien ziehen in den Ratssaal ein.
Mit der „Freien Liste Pfeddersheim“ (1 Sitz) und der „Alternative für Deutschland“, die gleich sechs Plätze für sich erobern konnte, konnten gleich zwei Parteien erstmals in den Wormser Stadtrat einziehen. Die AfD profitierte hierbei offensichtlich von den starken Verlusten der einstmals großen Volksparteien. Auffällig ist, dass lediglich eine Partei gegenüber 2014 Sitze hinzugewonnen hat, während alle anderen verloren oder bestenfalls die Zahl halten konnten, wie im Falle der FWG Bürgerforum. Die sind abermals mit fünf Sitzen vertreten und konnten zusätzlich mit dem Neu-Stadtrat Peter Englert ein mehr als ordentliches Ergebnis bei der Personenwahl verzeichnen. Insgesamt konnte der Newcomer, der erste Politikluft bei der OB-Wahl im letzten Jahr schnuppern konnte, stolze 14.381 Stimmen auf sich vereinen. Eine Zahl, die lediglich von Richard Grünewald, Bündnis 90/Die Grünen, überflügelt wurde. Durch geschickte Aufteilung der Liste mit doppelter Wertung, gelang es ihm, 18.422 Stimmen zu sammeln. Ganz nebenbei steigerte die Partei die Anzahl ihrer Sitze von 6 auf 8. Wahrscheinlich dürfte die Öko-Partei auch in Worms vom Bundestrend, der stetig nach oben zeigt, profitiert haben. Hinzu kommt, dass der Parteichef und bisherige Fraktionssprecher, Richard Grünewald, zusätzlich von seiner Bekanntheit im OB-Wahlkampf zehren konnte. Ein Umstand, der sich für Die Linke und die FDP nicht auszahlte. Auch sie hatten im letzten Jahr eigene Namen im Rennen, die jedoch eher enttäuschende Ergebnisse einfuhren. Enttäuschend und vor allem schmerzhaft dürfte für die FDP der Verlust eines Sitzes sein, ebenso wie für Die Linke das Einbüßen des zweiten Sitzes, den sie bisher innehatten. Franz Lieffertz, der bisherige Fraktionssprecher, wird insofern auch der zukünftige Fraktionssprecher sein. Klarer Gewinner dieser Stadtratswahl dürfte indes die AfD sein. Dass sie in das Rathaus einziehen, dürfte zwar niemanden überrascht haben, dass dies aber gleich mit sechs Sitzen geschieht, hätten zuvor die wenigsten vermutet. Noch nicht mal die AfD selbst, die kurz nach der Wahl vermeldete, dass sie mit maximal fünf Plätzen gerechnet hatte. Was der Einzug der rechts-konservativen Partei für den Stadtrat bedeutet, ist im Moment noch nicht klar. Der Programmflyer für Worms ähnelte in den meisten Punkten denen der anderen Parteien, außer dass er zusätzlich mit AfD typischen Angstbildern aufgefüllt wurde, wie z.B. die drohende Islamisierung in den Kommunen zu stoppen. Es dürfte ganz klar der unverständliche Nimbus der Protestpartei gewesen sein, der die AfD in den Stadtrat brachte. Anders ist nicht zu erklären, dass eine Partei, die hinter dem Mantel des Populismus eine liberal-konservative Wirtschaftspolitik vorantreibt, die selbst die FDP wie unbedarfte Chorknaben wirken lässt, ausgerechnet in den klassischen Arbeiterbezirken und den sozialen Brennpunkten der Stadt besonders hohe Ergebnisse einfahren konnte. Zum Ortsvorsteher in Neuhausen hat dieser Nimbus letztlich nicht gereicht. Matthias Lehmann, der zukünftig auch im Stadtrat sitzt, trat in dem Stadtteil an, um Uwe Merz (SPD) als Ortsvorsteher zu beerben. Das gelang ihm nicht, allerdings schaffte es wiederum Uwe Merz nicht, erneut in den Stadtrat einzuziehen. Überhaupt haben sich bei der SPD ungewöhnliche Personalverschiebungen zugetragen. So gelang dem medial allgegenwärtigen Ex-Manager Ralf Lottermann der sensationelle Sprung von Listenplatz 36 auf Platz 11. Diese Form der Aufmerksamkeit hatte Markus Trapp nicht notwendig, schließlich ist er durch seine jahrelange Tätigkeit als Bojemäschter vun de Fischerwääd so ziemlich jedem Wormser ein Begriff. Trapp toppte sogar das Ergebnis und sprang von Platz 37 gleich auf 10. Die Kehrseite der Medaille ist jedoch, dass sich die Stadtratsfraktion der SPD von einigen bisherigen Wegbegleitern trennen muss und auch die jungen Wilden der Jusos, Tatjana Lietz und Jonas Deichelmann, schafften es trotz bester Listenplatzierung nicht, diese in einen Stadtratssitz umzuwandeln. Besonders schmerzhaft dürfte aber sein, dass die Sozialdemokraten zukünftig mit vier Plätzen weniger auskommen müssen. Die CDU verlor zwar nur zwei Sitze (jetzt 15), wird aber aufgrund der Sitzkonstellation weiterhin die Nähe zur SPD (14 Sitze) suchen müssen. Im Volksmund gesprochen heißt das, dass die unausgesprochene Wormser GroKo auch weiterhin Bestand haben dürfte. Die Herausforderungen für die kommende Legislaturperiode sind enorm. Schulsanierung, Haushaltssanierung, Ordnung- und Sicherheit, neue Bauprojekte, Verkehrsentwicklung oder die Frage, wohin sich Worms überhaupt in den nächsten Jahren entwickeln soll. Die Aufgaben sind zahlreich, der neue Stadtrat gewählt. Kurzum, alle Parteien und Kandidaten sind nun gefragt anzupacken, anstatt Werbung zu machen, was man alles machen könnte.