Als Mitte März das Corona-Virus auch Worms erreichte, war schnell klar, dass die Auswirkungen auf das gesellschaftliche Leben weit über Hygieneschutzmaßnahmen – wie der Abstandsregel – hinausgehen würden, fand doch das Virus vor allem Verbreitung auf Festen, bei denen Menschen zusammen feierten. Als wahrer Infektionsherd erwiesen sich insbesondere die Fastnachtsveranstaltungen, wie z.B. Gangelt im Kreis Heinsberg (NRW), sowie bayerische Starkbierfeste. Insofern zeigte sich schon früh, dass der Kultursommer 2020 auch in Worms ein anderer sein wird.
Noch bevor Bund und Länder am 14. April das Aus für Großveranstaltungen bis zum 31. August beschlossen, hatte die Politik im März darüber entschieden, dass es in der Zeitspanne vom 23. März bis 6. Mai überhaupt keine Veranstaltungen geben wird. Das heißt, wenn Sie diese Zeilen lesen, hat sich möglicherweise die Situation für kleinere Veranstaltungen schon wieder geändert. Bislang sah sich aus den Reihen der Politik niemand dazu in der Lage, Künstlern, Gastronomen und Veranstaltern eine Perspektive zu geben, wie es weitergehen könnte. Aufgrund dieser unsicheren Lage reagierte die Kultur- und Veranstaltungsgesellschaft (KVG), die für das Durchführen zahlreicher städtischer Veranstaltungen verantwortlich ist, und verkündete Anfang April, dass der beliebte Wormser Mittelaltermarkt, das Spectaculum, nicht vom 22. bis 24. Mai stattfinden wird, sondern auf den 25. bis 27. September verschoben wird. Zwar ist dieser Zeitpunkt knapp vier Wochen nach Ablauf des Großveranstaltungsverbot, dennoch kann man bereits zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass das Festival, das jährlich rund 20.000 Besucher ins Wäldchen lockt, nicht in gewohnter Form stattfinden wird. Für die Durchführung der Wormser Kulturnacht, die mit rund 2.500 Besuchern weit entfernt von dem Publikumszuspruch des Mittelaltermarkts ist, wurde noch keine endgültige Entscheidung getroffen. Da diese Veranstaltung vor allem die freie Kulturszene der Nibelungenstadt fördert, berät die Kultur und Veranstaltungs GmbH in enger Abstimmung mit der städtischen Kulturkoordination, ob eine Verschiebung in den Herbst oder eine Durchführung in anderer Form sinnvoll ist. Den zahlreichen Kulturschaffenden soll dennoch auch in diesem Jahr eine Präsentationplattform geboten werden.
Das vorzeitige Aus für die Nibelungen
Während es bei den vorangegangenen Veranstaltungen noch die Hoffnung auf ein Später gibt, ist diese bei der wichtigsten Wormser Kulturveranstaltung bereits verloren. In der Stadtratssitzung vom 22. April bestätigte man einstimmig, der Empfehlung des Gesellschafterausschusses zu folgen und die Nibelungen-Festspiele in diesem Jahr endgültig abzusagen. Eigentlich wäre in diesem Jahr der gefeierte Regisseur Roger Vontobel („Siegfrieds Erben“) wieder nach Worms zurückgekehrt, um das von Ferdinand Schmalz verfasste Stück „hildensaga – ein königinnendrama“ vor der imposanten Kulisse des Wormser Doms zu inszenieren. Der Schweizer Regisseur kann sich allerdings in Vorfreude üben, denn 2022 wird das schon vor Monaten verfasste Stück nachgeholt. Die 11.000 verkauften Karten (Gesamtkontingent 18.000) können gegen einen Gutschein für die Aufführung 2022 eingetauscht werden. Dennoch ist das Aus der Festspiele auch ein schmerzlicher Verlust für den Wormser Geldkreislauf, denn die Festspiele sind längst ein Wirtschaftsfaktor, von dem viele Bereiche, wie Gastronomie, Hotels, Einzelhandel etc., profitieren. Die bisher ermittelte Wertschöpfung wird von den Festspielen mit 1,6 Millionen Euro beziffert. Geschäftsführer Sascha Kaiser erklärt hierzu: „Wir sind uns bewusst, dass das auch ein wirtschaftlicher Ausfall für die Region ist“, und ergänzt: „Veranstaltungen, so wie wir sie kennen, werden so nicht umsetzbar sein“. Petra Simon, technische Betriebsdirektorin, begründete die Absage damit, dass man nicht nur den Gästen Schutz bieten müsste, sondern auch den Menschen vor und hinter den Kulissen. In diesem Jahr sollte auf der Bühne u.a. eine Wasserlandschaft entstehen. Wie Simon erklärt, wäre das unter den aktuellen Bestimmungen des Infektionsschutzgesetzes nicht möglich. Wie hoch die bereits angefallenen Kosten sind, konnte Simon nicht sagen, verwies aber darauf, dass aufgrund bereits erbrachter Leistungen (Buch, Kostümentwürfe, Bühnenbild, Regievorbereitung u.a.) schon Teilbeträge gezahlt wurden. Erfreulich ist in diesem Zusammenhang, dass Intendant Nico Hofmann die Hälfte seines Gehaltes für Wormser Kreative spenden möchte.
Wie geht’s mit der Kinowelt weiter?
Abgesagt ist derzeit auch der Kinobetrieb in der Kinowelt Worms. Im Gespräch mit WO! erklärt Geschäftsführer Patrick Mais, dass er für einen normalen Betrieb wenig Anlass zur Hoffnung hat: „Selbst wenn man uns ab Mitte Mai wieder den Kinobetrieb gestatten würde, bringt es uns nichts, da bereits alle Filme verschoben wurden“. Tatsächlich startet die erste größere Kinoproduktion wieder am 30. Juli („Mulan“). Zusätzlich zu diesem Problem geht er davon aus, dass man den Betrieb nur unter großen Auflagen wieder starten dürfe, sprich: Einlass nur für eine begrenzte Besucherzahl, um den Sicherheitsabstand zu gewähren. Mais fügt hierzu an: „Ich muss letztlich prüfen, ob der Kinobetrieb unter diesen Bedingungen rentabel ist!“ Als erste Unterstützung, um zumindest die Betriebskosten zu decken, hat er die Soforthilfe beantragt, die auch schon auf dem Geschäftskonto eingegangen ist. Die ungewollt neugewonnene freie Zeit nutzten Mais und sein Team dafür, die im letzten Jahr bestellte und gelieferte neue 3D Leinwand zu installieren und die ebenfalls im vergangenen Jahr georderten neuen Stühle einzureihen. Im Übrigen wird es im wiedereröffneten Kino dann auch Paarsitze für ein romantischeres Filmerlebnis geben. Ganz auf Kino müssen die Wormser dennoch nicht verzichten. Gemeinsam mit Christian Ruppel (Medienpark Vision) ist der Kinochef an der Carantena Arena beteiligt. Statt Kinosaal gibt es dann ein paar Filmvorführungen auf der Kisselswiese im Autokino.
Kein Musiksommer in Deutschland
Für Musikfestivals sieht es in diesem Sommer auch nicht gut aus. Die ganz großen Platzhirsche wie „Rock am Ring/Rock im Park“ und „Southside/Hurricane“ sind längst abgesagt, für die kleineren regionalen Festivals heißt es zittern und bangen. Noch ist das Hammer Open-Air, das vom 9. bis 12. Juli seinen 50. Geburtstag feiern möchte, nicht abgesagt, allerdings dürfte jedem klar sein, dass Corona auch dort die Geburtstagsstimmung dämpfen dürfte. Nicht anders sieht es beim 30. Geburtstag des Wormser Jazz & Joy-Festivals aus. Im Gespräch mit unserem Magazin erklärt Sascha Kaiser, dass man derzeit mit allen Verantwortlichen im regelmäßigen Austausch sei, auch mit der Politik. Aktuell könne man leider noch nicht viel sagen, außer der Erkenntnis, dass das beliebte Musikfestival sicherlich eine andere Form finden wird, sollte es nicht zu einer Absage kommen.
Was ist mit dem Backfischfest?
Eine Absage hat man auch dem großen Wormser Traditionsfest, dem Backfischfest, noch nicht erteilt. Gerade für die Wormser Schausteller, die durch den Ausfall zahlreicher weiterer Feste stark gebeutelt sind, ist das Backfischfest immer noch ein kleiner Hoffnungsschimmer am bisher recht düsteren Horizont. Ein Fünkchen Hoffnung ließ in der Stadtratssitzung, bei der auch über die Festspiele entschieden wurde, Oberbürgermeister Adolf Kessel aufblitzen. Kessel führte aus, dass er mit dem rheinland-pfälzischen Kulturminister Volker Wissing über das Fest gesprochen hätte. Der riet ihm dazu, aktuell noch abzuwarten. Dies ist ganz im Sinne von René Bauer, Vorsitzender des Wormser Schaustellerverbands, der bereits erklärte, dass die Schausteller nicht besonders viel Vorlauf bräuchten. Politische Unterstützung gibt es von breiter Seite. In der Sitzung untermauerte Stadtratsmitglied Jürgen Neureuther (FDP) zugleich die psychologische Bedeutung einer vorzeitigen Absage: „Das Fest nicht abzusagen, ist psychologisch notwendig, da sonst die Wormser in Agonie fallen!“ Markus Trapp (Stadtrat SPD und Bojemäschter vun den Fischerwääd) und der Landtagsabgeordnete Jens Guth veröffentlichten bei Facebook ein vielbeachtetes Video, in dem sie sich für das Wein- und Volksfest stark machen. Auf Nachfrage von WO! erklärt Guth zu dem Plädoyer, dass ihm natürlich klar sei, dass es kein Fest in seiner üblichen Form mit einer unbeschwerten Kirmes und Wonnegauer Weinkeller geben wird. Gerade der Weinkeller ist allerdings das pulsierende Weinherz dieses Festes. Der Vorsitzende des Wonnegauer Weinkeller e.V. zeigte sich auf Nachfrage von uns auch wenig begeistert von einem Weinkeller, in dem strikte Hygiene Schutzmaßnahmen gelten und die Leute möglicherweise sitzen müssen. Im Gegensatz zu den Schaustellern würden sie zudem einen etwas längeren Vorlauf benötigen. Wie auch immer die Diskussion um das Backfischfest und zahlreiche andere Veranstaltungen endet, klar ist, dass wir diesen Kultursommer so schnell nicht vergessen werden.