Was hätte das für ein fantastisches Jahr 2020 werden können. Aber dann kam Corona, Deutschland und fast alle anderen Länder weltweit erlebten den ersten Lock-Down ihrer Geschichte und viele Menschen hatten fortan Angst vor einem unbekannten Virus. Heute, viereinhalb Monate später, dürfte die Anzahl derer, die sich vor den finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie fürchten, weitaus größer sein als die Anzahl der Leute, die sich noch vor dem Virus fürchten und eine zweite Welle herannahen sehen. Trotzdem wird uns das Thema Corona in den nächsten Monaten noch weiter beschäftigen – und sei es auch „nur“ in Form von Firmenpleiten.

4 1?2 Monate nach dem Lock-Down erinnern im öffentlichen Leben immer noch Spender mit Desinfektionsmitteln, Aufkleber mit Sicherheitsabständen und der obligatorische Mund-Nasen-Schutz an Corona. Gab es in den Medien, vor allem den Sozialen, in den ersten Wochen kaum ein anderes Thema, ist es mittlerweile nahezu eingeschlafen. Man hat den Eindruck, dass die Leute nach dem wochenlangen Stillstand raus wollen und am liebsten wieder „wie früher“ feiern würden (und es teilweise auch schon längst wieder tun). Ein ansteckendes Virus scheint da nicht wirklich ein Hinderungsgrund zu sein. Wenn man im privaten Kreis über Corona spricht, dann zumeist über die Auswirkungen der Pandemie auf das Wirtschaftsleben und jeden Einzelnen, weniger über die Gefährlichkeit des Virus selbst. Nachdem Politiker, Virologen und Mediziner wochenlang regelrecht Panik vor Corona geschürt hatten, scheint das Virus in der Bevölkerung seinen Schrecken verloren zu haben. Zwar akzeptieren die Deutschen den Mundschutz als letztes Zeichen der Hörigkeit gegenüber der Obrigkeit, aber was die öffentliche Meinung über Corona angeht, ist das Pendel in den letzten Wochen deutlich umgeschlagen. Tatsächlich geben die Zahlen hierzulande auch keinen Anlass zur Beunruhigung. In Worms befanden sich zum Zeitpunkt unseres Redaktionsschlusses drei Menschen mit Corona in Quarantäne. Anfang Juli war Worms sogar mal für drei Tage komplett coronafrei. Insgesamt sind aus Worms sieben Menschen und aus dem Landkreis Alzey-Worms zwölf Menschen, die an Covid-19 erkrankt waren, verstorben. Im Klinikum Worms sind glücklicherweise, wie auch in anderen Krankenhäusern Deutschlands, die Horrorszenarien mit überfüllten Intensivstationen und fehlenden Beatmungsgeräten ausgeblieben. Anfang Juni hat man die nur noch selten genutzte Corona-Isolationsstation am Wormser Klinikum wegen mangelnder Nachfrage wieder abgebaut. In Berlin hat man auf dem Messegelände für 43 Millionen Euro extra eine Corona-Klinik mit 500 Betten gebaut, die zur Eröffnung im Mai keinen einzigen Patienten vorweisen konnte, weil die Corona-Welle längst abgeebbt war. Die wenigen erkrankten Berliner waren bequem in den zehn anderen Krankenhäusern der Stadt untergekommen. Bundesweit bewegt sich die Zahl der aktiven Covid-19-Fälle bei ca. 6.000 Personen, die mit Sars-CoV-2 infiziert sind und sich aktuell in Quarantäne befinden. Auch „Anti-Corona“ und „Black lives matter“- Demonstrationen trieben die Zahlen genauso wenig nach oben wie öffentliche (unerlaubte) Partys. Wenn es größere Corona Ausbrüche in den letzten Wochen gab, dann hauptsächlich in Fleischfabriken, in denen nicht nur die Tiere, sondern auch die Billiglohnarbeiter wie die letzten Schweine zusammengepfercht sind. Seit Februar 2020 sind in Deutschland knapp 9.000 Menschen, die sich mit dem Coronavirus infiziert hatten, verstorben. Davon abgesehen, dass sich Fachleute darüber streiten, ob diese Menschen an oder mit Covid-19 gestorben sind, ist das in einem Land, in dem vor zwei Jahren knapp 25.000 Menschen an Influenza und laut Robert-Koch-Institut jährlich 20.000 Bürger an einem gewöhnlichen Krankenhauskeim sterben, noch moderate Zahlen. Gleichwohl ist das Jahr noch nicht vorbei und die Mahner vor einer zweiten Welle werden nicht verstummen, auch wenn man ehrlicherweise zugeben muss, dass sogar die befürchtete erste Welle bis heute ausgeblieben ist. Während die Reproduktionszahl bereits vor dem Lock-Down gesunken war, ist die Corona Kurve seit Mitte März rapide nach unten gegangen und hat sich seit gut zwei Monaten auf einem konstant niedrigen Niveau eingependelt. „Flatten the Curve“ hieß das Motto zu Beginn der Pandemie. Was das angeht, sind wir in Deutschland zweifellos sehr gut durch die Pandemie gekommen. Sollten wir uns weiterhin an Hygienevorschriften, Abstandsregeln und wegen mir auch einen Mundschutz halten, dürfte eine zweite Welle weiterhin nur ein Schreckgespenst bleiben.

Die Kritik an Corona-Maßnahmen wächst

Aber obwohl man in Deutschland wohl ziemlich viel richtig gemacht, hat, reißt die Zahl der Kritiker nicht ab, die der Regierung während der Corona-Krise übereiltes Handeln vorwerfen – in Anbetracht eines Virus, das alle paar Jahre so oder in ähnlicher Form vorkommt. Ist Sars-CoV-2 zwar kein ungefährliches Virus, aber vom Verlauf her doch mit einem normalen Grippevirus zu vergleichen, der im Frühjahr heftig tobt, im Sommer nahezu verschwindet, und im Herbst, wenn es kälter wird und das Immunsystem der Menschen schwächelt, steigen die Fallzahlen wieder? Einer der Befürworter dieser These ist Sucharit Bhakdi, emeritierter Professor der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und von 1991 bis 2012 Leiter des dortigen Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene. Während die Aussagen und Thesen des Virologen Christian Drosten oder von RKI-Chef Prof. Dr. Lothar H. Wieler bei Ausbruch der Corona-Pandemie noch als Nonplusultra galten, landete Bhakdi in der Ecke der Verschwörungstheoretiker, als er schon frühzeitig die Lock-Down-Maßnahmen der Merkel-Regierung als überzogen kritisiert hatte. Im Juni 2020 veröffentlichte Bhakdi, zusammen mit seiner Ehefrau, der Biologin Karina Reiß vom Quincke-Forschungszentrum der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, ein Buch mit dem Titel „Corona Fehlalarm? Zahlen, Daten und Hintergründe“, das den ersten Rang der Spiegel- Bestsellerliste in der Kategorie „Sachbuch Taschenbuch“ erreichte. Im Übrigen warnt Bhakdi aktuell vor der Einnahme eines Impfstoffes, da er die Wirksamkeit eines solchen bezweifelt. Vor dem Hintergrund, dass die amerikanische Regierung gerade potentielle Covid-19 Impfstoffe im Wert von 1,95 Milliarden Dollar bei dem US-Konzern Pfizer und dem Mainzer Biopharmaunternehmen Biontech geordert hat, ist diese Aussage besonders interessant und dürfte Impfgegnern neue Munition liefern. Während die Kritik von Fachleuten wie Bhakdi, Wolfgang Wodarg oder Hunderten Medizinern breite Kreise zieht, hat die Jugend sich derweil anderweitig informiert. In Anlehnung an das millionenfach angeklickte Video „Die Zerstörung der CDU“ des Youtubers Rezo, hat Sebastian, ein Psychologiestudent aus Ulm, einen Film produziert mit dem Titel „Die Zerstörung des Corona-Hypes“, der in drei Wochen bereits 700.000 Mal angesehen wurde. Auch er kommt in der knapp 60-minütigen Dokumentation zu dem Schluss, dass der Hype um Corona überzogen war. Dem gegenüber stehen Corona-Hardliner wie Karl Lauterbach (SPD), der geradezu inflationär in Talkshows auftaucht, sich hierbei für strenge Kontaktbeschränkungen einsetzt und zu den scharfen Kritikern von zu schnellen Lockerungen gehört. Lauterbach würde Veranstaltungen am liebsten bis 2022 verbieten und warnt permanent vor einer zweiten Welle. Dagegen sind die Dauermahner, die regelmäßig nach größeren Menschenzusammenkünften vor einer Ausbreitung des Virus warnen, deutlich leiser geworden, denn weder nach Demonstrationen noch nach öffentlichen Partys ist die Zahl der Corona-Erkrankten signifikant angestiegen. Auch die Angst, dass das Virus von Urlaubern nach Deutschland eingeschleppt wird, scheint unbegründet. Von 25.000 getesteten Personen am Frankfurter Flughafen waren 70 positiv.

Die Scherben werden zusammengekehrt

Und so ist man heute, viereinhalb Monate nachdem unsere Regierung einen Lock-Down verordnet hat, um die Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen, vor allem damit beschäftigt, die Scherben in der Wirtschaft zusammenzukehren, schließlich wurden Mitte März weite Teile des Wirtschaftslebens stillgelegt. Für manche Unternehmen ging es schon nach vier Wochen weiter, andere mussten sich etwas länger gedulden (z.B. Gastronomie, Fitnessstudios und Reisebranche), wiederum andere wissen bis heute nicht, wann es für sie wieder „normal“ weiter geht (Veranstaltungsbranche). Keine Frage, ein zweiter Lock-Down im Herbst wäre eine Katastrophe für alle Branchen und so einfach wie im März könnte man der Bevölkerung heute nicht mehr einen wirtschaftlichen Stillstand aufgrund einer Pandemie verordnen, der Widerstand wäre deutlich größer. Außerdem werden auch die verantwortlichen Politiker irgendwann zu der Erkenntnis geraten, dass die Subventionsmöglichkeiten des Staates begrenzt sind. Apropos Subventionen. Die groß angepriesene Corona-Soforthilfe, die gerade kleinen und mittelständischen Unternehmen über einen Liquiditätsengpass hinweghelfen sollte, scheint sich für viele kleine Firmen zum Bumerang zu entwickeln, droht doch in den meisten Fällen eine komplette oder zumindest eine Teilrückzahlung des beantragten Betrages. Besonders schlaue Selbständige hatten schon kurz nach Einführung der Corona-Soforthilfe auf ihrem Antrag einfach ihre Betriebskosten zusammengezählt, mit drei Monaten multipliziert, die Summe eingetragen und diese (im Rahmen der Höchstgrenzen) vermutlich auch erhalten. Ganz so einfach ist es aber nicht, denn natürlich müssen hierbei auch eventuelle Einnahmen berücksichtigt werden. Im Klartext muss man in den drei Monaten nach Antragstellung einen negativen Saldo erzielen, wenn man die Einnahmen und Ausgaben gegenrechnet. Knackpunkt bei der Sache: Bei der Berechnung der Ausgaben darf man aber weder seine eigenen Lebenshaltungskosten, wozu natürlich auch die private Krankenkasse zählt, noch die Personalkosten, die bei einer Firma mit fünf Vollzeitkräften locker eine fünfstellige Summe ausmachen, mit einbeziehen. Unter diesen Umständen einen negativen Saldo zu erhalten, ist natürlich bedeutend schwerer, muss man doch bei seiner Bank nicht nur die Bonität für Personalkosten sowie die eigenen Lebenshaltungskosten der nächsten drei Monate erhalten, sondern zusätzlich noch einen negativen Saldo in drei Monaten erzielen – und zwar in Höhe des Soforthilfebetrages, den man beantragt hat. Vor diesem Hintergrund droht vielen Kleinunternehmen schlicht und ergreifend aus Unwissenheit eine Rückzahlung der Corona-Soforthilfe. Der Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland (VGSD) hat eine Umfrage zu den Soforthilfen durchgeführt. Laut SPIEGEL seien von den Soforthilfe-Empfängern bereits 29 Prozent zu einer Rückmeldung beziehungsweise Rückzahlung aufgefordert worden. Rund die Hälfte von ihnen kennt laut der Umfrage bereits die Höhe der Rückzahlung. 44 Prozent sollen demnach mehr als die Hälfte und 42 Prozent die gesamte Soforthilfe zurückzahlen. Auf die Frage, warum man Soforthilfen zurückzahlen müsse, gaben 44 Prozent an, private Kosten, etwa Miete, Krankenversicherung oder Lebensunterhalt, angesetzt zu haben. 29 Prozent hatten betriebliche Kosten geltend gemacht, die nach heutigem Stand nicht angesetzt werden dürfen. Immerhin 16 Prozent sagten, dass ihre Einnahmen höher als erwartet waren. Allen anderen wird die Rückforderung der Corona-Soforthilfe einen weiteren Dolchstoß versetzen.

Wer bleibt übrig?

Bleibt also die spannende Frage, welche Firmen überhaupt übrigbleiben, wenn im Herbst die Steuerstundungsmöglichkeiten im Zuge der Corona-Pandemie auslaufen und zahlreiche Unternehmen wieder mit der Wirklichkeit – namens Finanzamt – konfrontiert werden. In der ohnehin gebeutelten Gastronomie haben bundesweit und auch hier in Worms bereits einige Gastrobetriebe aufgegeben. Für die nächsten Monate erwartet man nun das große Club-Sterben. Und während der Einzelhandel in Zeiten mundschutztragender Kunden schon seit Monaten schwächelt, in Worms muss man zusätzlich die Schließung der Kaufhof-Filliale verkraften, ist das Vermögen von Amazon-Haupteigentümer Jeff Bezos seit Beginn der Pandemie um sage und schreibe 34 Milliarden Dollar gewachsen. Hier gilt der Satz ganz besonders: „Das Geld ist nicht weg, es hat nur ein anderer.“ Und nicht zuletzt pfeift die Veranstaltungsbranche, von der Politik von Beginn der Pandemie an als „nicht systemrelevant“ eingestuft, aus dem letzten Loch. wenn das Verbot für Großveranstaltungen auch nach Oktober 2020 noch anhält, wird es im Herbst eine gewaltige Pleitewelle in der Veranstaltungsbranche geben und Hundertausende Solo-Selbständige werden in Hartz IV gezwungen. Nach Corona wird sich die Wirtschaftswelt zwangsläufig neu formieren und so manches Liebgewonnene einfach so von der Bildfläche verschwinden. Es ist eine merkwürdige und schwierige Zeit, in der viele Leute Angst haben. Aber weniger vor Corona, als vielmehr vor dessen Folgen.