Von Beginn der Corona Pandemie an von der Politik als „nicht systemrelevant“ eingestuft, zerbröckelt die Veranstaltungsbranche immer mehr in ihre Einzelteile. Seit nunmehr acht Monaten mit einem faktischen Arbeitsverbot belegt, fehlt diesen Leuten nicht nur die dringend benötigte Hilfe aus Berlin, sondern vor allem eine Perspektive, wann sie wieder mit ihrem Beruf Geld verdienen können. Aber ausgerechnet im Land der Dichter und Denker lässt die Politik ihre Künstler weiterhin gnadenlos im Stich.
Manchmal hat man das Gefühl, Politiker denken bei Veranstaltungen in erster Linie an das Oktoberfest oder irgendein Dorffest in ihrer Heimat; offensichtlich nichtsahnend, wie groß die Veranstaltungsbranche tatsächlich ist. Zahllose Musikbands im ganzen Land (vom Profi bis zur Kneipenband), Orchestermusiker, Discjockeys – sie alle haben seit Monaten keine Einnahmen, weil ihnen die Auftrittsmöglichkeiten fehlen. Daran hängen Musikclubs, Konzerthallen, Discotheken, Kleinkunstbühnen, Opernhäuser, Theater. Apropos Theater: Natürlich hängen auch jede Menge Schauspieler, Tänzer, Artisten, Kabarettisten u. vm., die derzeit nur eingeschränkt ihrem Beruf nachgehen können, in der Luft. Ohne Aussicht auf eine Perspektive, wann man wieder zur Normalität zurückkehren kann. In Anbetracht steigender Infektionszahlen in ganz Europa ist es derzeit nicht vorstellbar, dass in absehbarer Zeit Tausende von Menschen auf engstem Raum bei einem Konzert abfeiern. Die Signale, die unsere Regierung in Richtung Veranstalter aussenden, verheißen auch für nächstes Jahr nichts Gutes. Die Branche hat bereits reagiert und die meisten größeren Konzerte im ersten Quartal 2021 weitestgehend abgesagt oder verschoben. Auch was die großen Messen im Frühjahr angeht, planen fast alle Veranstalter bereits zweigleisig und wollen zumindest eine virtuelle Messe anbieten. Vor Mai 2021 rechnet keiner in der Branche mit der Rückkehr zur Normalität. Das heißt für die im Kulturbereich tätigen Leute, dass sie ein weiteres halbes Jahr ohne Einnahmen überbrücken müssten.
Alarmstufe Rot
Am 28. Oktober hat AlarmstufeRot, der Zusammenschuss der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, bereits zum zweiten Mal in Berlin demonstriert. Unter dem Motto #On-Fire machten die Betroffenen erneut auf ihre verzweifelte Lage aufmerksam:
„Hunderttausende Menschen und tausende Firmen haben seit Monaten keine Arbeitsmöglichkeit und damit keine Einnahmen mehr. Die Bundesregierung verschleppt und vertröstet lieber, anstatt die dringend benötigte Unterstützung auf den Weg zu bringen.“
Zwar hat der Staat kürzlich das Paket „Neustart Kultur“ auf den Weg gebracht, allerdings berücksichtigt dies hauptsächlich Veranstaltungshäuser oder Fördergelder für zukünftige Initiativen – für die Schulden aus den letzten acht Monaten soll man dagegen selbst aufkommen. Dabei zählt die Veranstaltungsbranche mit 130 Milliarden Euro Umsatz zu den sechs umsatzstärksten Wirtschaftszweigen in Deutschland und liegt bei den Beschäftigtenzahlen sogar auf Platz 2. Während aber die Regierung für die knapp 25.000 Mitarbeiter der Lufthansa binnen kürzester Zeit ein 9-Milliarden-Euro-Rettungspaket geschnürt hat, hält sich das Interesse für die knapp 1,5 Millionen Menschen, die im Veranstaltungsbereich tätig sind, bisher noch in Grenzen. Wie so oft trifft es nicht die Großen der Branche besonders hart, sondern die vielen kleinen Solo-Selbständigen, die in diesem Bereich tätig sind. Den Tontechniker, den Lichtmann, Roadies, Caterer, die Betreiber des kleinen Musikclubs oder örtliche Veranstalter. Noch ein halbes Jahr Arbeitsverbot werden selbst die nicht verkraften, die sich zuvor ein Polster angelegt hatten und deren Geschäft vor Corona eigentlich ganz gut lief. So mancher ist schon wieder auf seinen alten Beruf umgestiegen, andere halten sich mit Krediten über Wasser, einige wenige haben bereits Hartz IV beantragt. Zu der mangelnden Hilfe durch den Staat und die Perspektivlosigkeit kommt noch die Unsicherheit in der Bevölkerung. Bis die Leute wieder bedenkenlos Veranstaltungen besuchen, werden noch einige Monate ins Land ziehen. So lange können die meisten Selbständigen aus der Veranstaltungsbranche aber nicht mehr warten.