Ein WO! Appell via FACEBOOK an die Wormser Politik und seine Folgen
Text: Dennis Dirigo, Frank Fischer
Da im Mai die Inzidenzen in Rheinland-Pfalz besonders in Worms und Ludwigshafen erheblich höher als im Rest des Landes waren, hatte dies auch unmittelbare Auswirkungen auf den Einzelhandel und die Gastronomie. Von politischer Seite war in dieser Zeit wenig zu hören. Erst ein Appell unseres Magazins via Facebook am Mittwoch, den 26. Mai 2021, brachte die vorher so schweigsame Politik wieder zum Reden.
Die Situation ist dramatisch! Seit 2. November 2020 haben Gastronomie, Veranstalter oder Tanzschulen de facto ein Berufsverbot. Mitte Dezember folgte der Handel. Die Unternehmerhilfen ersetzen den Verlust kaum und die Hürden sind zudem hoch. Viele Geschäftsleute zehren mittlerweile von ihrem Ersparten. Viel ist wiederum seit dem Beginn des Lockdowns passiert. Nachdem die Zahlen in den vergangenen Monaten dramatisch anstiegen, scheint sich der Inzidenzwert aktuell in Worms zwischen 100 und 120 eingependelt zu haben. Im Vergleich mit den europäischen Nachbarländern ein vergleichsweise niedriger Wert, aber zu hoch für Deutschland. Denn zwischenzeitlich hat die vom Bund und den Ländern verordnete Corona-Notbremse die Stadt fest im Würgegriff. Diese greift bei einem Inzidenzwert ab 100, also in Worms. Warum die Zahlen in Worms nicht unter die magische Grenze von 100 gehen, ist eine komplexe Frage. Hierfür Lösungen zu finden, ist Sache der Stadtverwaltung und soll auch nicht Thema unseres Appells sein. Vielmehr richtet sich dieser an die Politik, denn die Notbremse wirft Fragen auf. Derzeit ist in Worms dem Einzelhandel das Terminshopping erlaubt, während andere Branchen weiterhin nicht öffnen dürfen. Das Terminshopping verhindert allerdings nicht die dramatische Entwicklung, insbesondere für inhabergeführte Geschäfte. Zu hoch sind für viele Kunden die Hürden. Der Weg ins Internet ist nun mal leichter. KAI HORNUF, Geschäftsführer Stadtmarketing e.V. und Wormser Vinothek, sprach zuletzt mit JAN METZLER über die katastrophale Situation. Für viele Bürger und Bürgerinnen ist die Regel zudem kaum nachvollziehbar. Weshalb dürfen in „systemrelevante Geschäfte“ wie den Woolworth oder Drogeriemärkte ohne Tests die Massen hineinströmen, während ein kleines inhabergeführtes Geschäft wie die Puderdose oder die Kunsthandlung Steuer, die ohnehin auch im normalen Geschäftsleben keine Massenanstürme erleben, nur mit Termin sowie Test- oder Impfnachweis Kunden empfangen? Wäre die Zahl dauerhaft bei 98, dürften diese wiederum die Kunden ohne Termin begrüßen. Warum ist es nicht möglich, wie im vergangenen Jahr, Quadratmeterbegrenzungen zu erlassen, die Händlern mehr Luft zum Atmen lassen? Die Infektionsgefahr würde das wahrscheinlich nicht anheben, da die Kunden weiterhin ihre Nachweise vorzeigen müssten. Das gleiche gilt für die Gastronomie. Die Logik der Notbremse war es, Kontakte zu vermeiden. Die Tests waren kaum vorhanden und die Zahl der Geimpften gering. Das hat sich mittlerweile in Worms geändert. Dementsprechend sterben glücklicherweise kaum noch Menschen in der Nibelungenstadt. Was spricht also dagegen, bei einem überschaubaren Infektionsgeschehen, gegen Vorlage besagter Nachweise Gäste/Kunden empfangen zu dürfen? Kurzum, es ist Zeit über Ausnahmeregelungen nachzudenken. Von der lokalen Politik hört man derzeit wenig, das Mut machen könnte. Wäre es insofern nicht an der Zeit, dass der Stadtrat, Oberbürgermeister Adolf Kessel, der Landtagsabgeordnete Jens Guth und der Bundestagsabgeordnete Jan Metzler sich aktiv an die politischen Verantwortlichen richten? Aktuell ist davon auszugehen, dass Worms, nicht vor Mitte Juni unter die magische 100er Grenze kommen wird. Ist das nicht der Fall und es gibt weiterhin keine Ausnahmeregelungen, dürfte das große Geschäftesterben in einer Stadt, die ohnehin seit Jahren von vielerlei Problemen gebeutelt ist, unvermeidbar sein. Förderlich ist hierbei auch nicht, dass manche Bundespolitiker bereits laut darüber nachdenken, die Corona-Notbremse über den 30. Juni hinaus zu verlängern. Kurzum, es ist Zeit zu handeln.
(Appell vom 26.05.21)
ALS ERSTER MELDET SICH JAN METZLER
Als Erster reagierte der Bundestagsabgeordnete der CDU, Jan Metzler, und verschickte noch am selben Nachmittag eine Pressemitteilung. Er verstehe die Rufe nach Aufweichung der Restriktionen: „Eine schnelle Lösung ist dies aber nicht, weil das Bundesgesetz in Abstimmung von Bundesrat und Bundestag nicht kurzfristig geändert werden wird. Es muss aber eine baldige Lösung her, um schnellstmöglich wieder öffnen zu können und so dem Handel zu helfen.“ Diese Lösung gebe es in der Bundesimpfverordnung: Über eine Schwerpunktimpfung, deren Einrichtung das Land Rheinland-Pfalz beschließen muss, könne schnell und unkompliziert die Impfquote deutlich erhöht, und damit nachgelagert die Infektionszahlen deutlich gedrückt werden. „Genau diese Schwerpunktimpfung muss jetzt dringend und ohne weitere Verzögerung für Worms her. Nur über schnelleres Impfen werden wir auch schneller wieder öffnen können“, forderte Metzler mit Nachdruck. Die CDU-Stadtratsfraktion und ihr Vorsitzender Dr. Klaus Karlin unterstütze Metzlers Forderung umfänglich.
„TRAURIGE SPITZENPOSITION MUSS BEENDET WERDEN“
Am selben Abend verschickte die SPD-Stadtratsfraktion eine Pressemitteilung, in der diese ankündigte, eine Anfrage an die Verwaltung zu stellen, um mehr über Maßnahmen zu erfahren, die die Stadt vornehmen will, um die Zahlen zu senken. Um der Entwicklung gegenzusteuern und vor allem das Impftempo weiter zu erhöhen, wenn Anfang Juni die Priorisierung entfällt, regen die Sozialdemokraten verschiedene Maßnahmen an: So könnten beispielsweise nach dem Vorbild von Speyer Aktionen wie Impfungen mittels „Drive-In“ erfolgen. „In Speyer konnten somit an einem Tag zahlreiche Menschen durch eine Gemeinschaftsaktion vieler Helferinnen und Helfer geimpft werden.“ so Stadtratsmitglied Dirk Beyer. Fraktionsgeschäftsführer Marco Fruci ergänzt: „Wir sollten aus den Erfahrungen der Aktion in Speyer die positiven Dinge übernehmen und die Punkte, die als verbesserungswürdig erkannt wurden, für eine solche Aktion in Worms entsprechend anpassen.“ Neben dem Impf-Drive-In wären nach Ansicht von Beyer auch vor-Ort Impfungen in bestimmten Stadtbezirken vorstellbar. Ergänzend zu den vorgeschlagenen Maßnahmen will sich auch Landtagsabgeordneter Jens Guth für ein zusätzliches Impfkontingent vom Land einsetzen.
„GEMEINSAME KRAFTANSTRENGUNG WEITER NÖTIG“
Am Donnerstag meldete sich schließlich auch Oberbürgermeister Adolf Kessel: „Wir können den Unmut unserer Bürgerinnen und Bürger verstehen. Nur die Frustration allein hilft nicht. Niedrige Infektionsraten sind kein Selbstläufer. Immer noch funktioniert der Weg aus der Krise nur über die strenge Einhaltung der Corona-Schutzmaßnahmen, sowohl in öffentlichen als auch privaten Räumen“. Eine einfache Antwort als Grund für die aktuellen Infektionszahlen gebe es nicht. Weder ausgesprochene „Hotspots“, noch häufige Verstöße gegen die Verordnungen der Bundesnotbremse seien in Worms zu verzeichnen: „Die städtischen Kontrollkräfte arbeiten eng mit der Polizei zusammen. Die Verstöße sind nicht auffällig hoch“, kann Angelika Zezyk, Leiterin des Bereichs Öffentliche Sicherheit und Ordnung, bestätigen. Weiterhin klärt die Stadt Worms natürlich alle Wormserinnen und Wormser über die Impfkampagne auf. Mit Plakaten in der Innenstadt, in den Stadtteilen und den Siedlungen machen die Beauftragten für Migration und Integration, Sabine Müller und Veronik Heimkreitner, auf die Impfung aufmerksam: „Die städtischen Sozialarbeiter tauschen sich mit Unentschlossenen aus. Auch telefonisch können die Menschen ihre Bedenken äußern.“ Aktuell fehle es aber leider noch an Impfstoff.
„WORMS ERHÄLT SONDERKONTINGENT AN IMPFDOSEN“
Am Freitagmorgen um 12.52 Uhr erreichte uns eine erneute Pressemitteilung von Jens Guth, die mit den Worten beginnt: „Zunächst konnte ich erreichen, dass wir für Worms ein Sonderkontingent an Impfstoff bekommen!“ Wie der neue rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch mitteilt, bekommen Worms und Ludwigshafen ein Sonderkontingent. „Damit müssen wir an die verschiedenen Infektionsherde ran, um die Zahlen dauerhaft nach unten zu bringen. Hierzu bin ich auch im engen Austausch mit unserem Sozialdezernenten Waldemar Herder (SPD)“, so Jens Guth. Überrascht zeigte sich der Wormser Abgeordnete über die Forderung vom Bundestagsabgeordneten Jan Metzler (CDU) nach mehr Impfstoff, „denn diese könne ja nur in Richtung seines Parteifreundes Jens Spahn (CDU) gehen, der sich immer mehr als Ankündigungsweltmeister entpuppt. Allein der Bund ist für die Beschaffung und Verteilung des Impfstoffes zuständig. Vordringlich ist, dass die Bundesregierung die Verfügbarkeit von Impfstoffen durch kontinuierliche und verlässliche Lieferungen sicherstellt.“ Guth weiter: „Leider hängen wir bei einer Inzidenz von wochenweise über 100 immer noch im Würgegriff dieser Bundesnotbremse, die wir nicht gebraucht hätten – weil wir dies in Rheinland-Pfalz und auch in Worms gut geregelt hatten.“ Schließlich hätten Außengastronomie und Einzelhandel klare Regelungen zur Anzahl der Gäste und Hygiene gehabt.
„MEHR IMPFSTOFF FÜR WORMS“
Am Freitagmittag um 14.50 Uhr meldete sich dann auch die Pressestelle der Stadt Worms mit der Erfolgsmeldung: „Wir haben uns stets dafür eingesetzt, dass uns das Land Rheinland-Pfalz mehr Impfstoff zuteilt. Nun haben sich unsere Bemühungen gelohnt und wir erleben zusammen mit der Bürgerschaft einen Hoffnungsschimmer im Kampf unserer Stadt gegen die Pandemie“, zeigte sich Kessel hoch erfreut über die zusätzliche Lieferung. Neben Kessel führte der städtische Impfkoordinator, Dieter Hermann, die Verhandlungen mit Daniel Stich, dem Impfkoordinator des Landes Rheinland-Pfalz – mit gutem Ergebnis: 5.000 zusätzliche Impfdosen liefert der Bund an die Landesregierung. Diese werden zwischen Worms und Ludwigshafen aufgeteilt. „Uns allen muss mittlerweile klar sein, dass der entscheidende Schritt aus der Krise nur über flächendeckende Impfungen führt. Deshalb war die Stadtverwaltung sich stets einig, dass wir dort nachbessern müssen“, erklärte Kessel die Situation der letzten Wochen.
ENDE GUT, ALLES GUT?
Und siehe da, wie durch ein Wunder sanken ab 27. Mai plötzlich die Zahlen in Worms. Oder ist das Wunder schlicht und ergreifend dem Umstand geschuldet, dass sich das Wetter verbessert und zumindest die vulnerablen Gruppen mittlerweile geimpft sind? Auch verlief der Ausbruch bei dem Unternehmen Fiege glimpflich. Insgesamt waren 28 Mitarbeiter positiv getestet worden, wovon lediglich 13 in Worms lebten. Zudem legt die schnelle Abnahme der Infektionszahlen nahe, dass die zuletzt getesteten Personen womöglich symptomfrei waren und damit nach Beendigung der Quarantäne umgehend wieder aus der Bilanz fielen. Das heißt natürlich nicht, dass die Zahlen nicht auch wieder steigen können. Die Notbremse, die eben auch Jens Guths Partei in Berlin mitbeschlossen hat, läuft eigentlich am 30. Juni aus. Allerdings haben die Kanzlerin und andere Bundespolitiker bereits laut darüber nachgedacht, diese bis zum 30. September zu verlängern. Da nach wie vor nicht zwischen erkrankt und symptomfrei unterschieden wird und das Impfen in Worms nur sehr langsam voran geht, ist die Gefahr groß, dass die Nibelungenstadt wieder schnell in den Würgegriff der Notbremse gerät. Einen Erfolg verspricht sich die Wormser Politik von den Impfungen in den vermeintlichen Hot Spots. Einen Plan B, sollten die anvisierten Personengruppen sich nicht impfen lassen, gibt es allerdings nicht. Das Beispiel Worms sollte der Politik zeigen, insbesondere unserem Wahlkreisabgeordneten Jan Metzler (CDU), der für die Notbremse im Bundestag gestimmt hat, dass man mit undifferenzierten Maßnahmen abseits eines Virus einen großen Schaden anrichten kann.