Corona und die Auswirkungen auf Wormser Großveranstaltungen

War es im letzten Jahr privaten Initiativen – wie dem Pfeddersheimer Kultursommer oder dem Nibelungenland – vorbehalten, die Menschen mit Kultur zu versorgen, fanden in diesem Jahr die drei städtischen Leuchtturmveranstaltungen Nibelungen-Festspiele, Jazz & Joy und Backfischfest wieder statt, allerdings unter starken Einschränkungen.

2020 – EIN DÜSTERES JAHR FÜR DIE KULTUR

Die Entscheidung von Bund und Ländern im vergangenen Jahr, Großveranstaltungen bis zum 31. August 2021 zu verbieten, sorgte nach dem mehrmonatigen Lockdown in vielen Branchen für angespannte Verhältnisse. Künstler, Veranstalter und Schausteller fühlten sich von der Politik alleingelassen. Diverse Förderprogramme ermöglichten zwar die eine oder andere Kulturveranstaltung, allerdings ließen die Zuschauerbegrenzungen mit maximal 350 Personen ein wirtschaftliches Arbeiten kaum zu, sodass deutschlandweit reihenweise Veranstaltungen abgesagt wurden. Auch in Worms. So wurde bereits im Mai 2020 entschieden, das Backfischfest nicht durchzuführen. Zwar hätte dieses erst am 29. August begonnen, also kurz vor Auslaufen des Großveranstaltungsverbots, dennoch legte man sich früh fest, auch kein Backfischfest light durchzuführen. In einer Pressemitteilung erklärte man: „Wir wissen noch nicht, wie sich das Infektionsgeschehen weiter entwickeln wird. Selbst wenn wir eine abgespeckte Form des Backfischfestes geplant hätten, hätten wir nicht gewusst, ob dies dann auch tatsächlich hätte stattfinden können.“ In Bezug auf ein „Backfischfest light“ gab Abteilungsleiter DENNIS OTTINGER zu bedenken: „Die bereits abgeschlossenen Verträge gelten für das reguläre Backfischfest, nicht für eine andere Variante“. Weiter hieß es in der Mitteilung, dass man keine negativen Erinnerungen an das Traditionsfest knüpfen möchte. Für die Schausteller kam dies einer Katastrophe gleich. Um den Verlust abzufedern, plante die Stadt einen „mobilen Freizeitpark“. In der Umsetzung taten sich jedoch zahlreiche Hürden auf, sodass sich der Schaustellerverband von der Idee zurückzog. Die Wormser Schaustellerfamilie Göbel zeigte sich indes angetan und begann, auf eigene Rechnung zu planen und schuf mit dem Nibelungenland sozusagen die Blaupause für das diesjährige Backfischfest. Gemeinsam mit der Stadt erarbeitete man ein Hygienekonzept und erhielt eine Genehmigung für 1.300 Gäste, die sich zeitgleich auf dem großen Platz bewegen durften. Dennoch betonte die Familie, die unter anderem das Riesenrad betreibt, dass die Auflagen ein erfolgreiches Arbeiten nicht zuließen. Für RENÉ BAUER, Vorsitzender des Wormser Schaustellervereins, war von Beginn an klar, dass es ohne die Stadt nicht geht.

2021 – EIN HOCHSICHERHEITSTRAKT NAMENS BACKFISCHFEST

Nachdem in diesem Jahr Großveranstaltungen durch die Politik wieder ermöglicht wurden, begann man nach den Festspielen und Jazz & Joy die Planungen für das Backfischfest voranzutreiben. Zwar wurde am 18. August vom Land eine Sondergenehmigung erteilt, allerdings sorgten Reiserückkehrer dafür, dass in Worms der Inzidenzwert kurzzeitig bei 113 lag. Für Oberbürgermeister Kessel dennoch kein Grund, das bereits genehmigte Fest abzusagen. Im Gespräch mit WO! berichtet ADOLF KESSEL, dass er zahlreiche Zuschriften bekommen habe, die ihm eine Absage nahegelegt hätten. Seine Entscheidung, den Schaustellern und Familien eine Perspektive zu bieten, stand jedoch. Dementsprechend erklärte Kessel, dass die Inzidenz zwar hoch sei, man aber nicht vergessen dürfe, dass es kaum schwere Verläufe gebe und seit mehreren Monaten nur noch wenige Todesfälle zu verzeichnen waren. Kurzum, das Impfen zeigt Erfolge im Kampf gegen das Virus. Zudem wurde ein umfangreiches Hygienekonzept erarbeitet. Damit das Fest der Feste auch ohne Probleme verläuft , sind aktuell verschiedene Regeln zu beachten und einzuhalten. So muss die maximale Personenanzahl auf dem weitläufigen rund 15.000 Quadratmeter großen Gelände bei unter 5.000 liegen. Außerdem gilt die 3G-Regel: Alle Personen auf dem Festplatz müssen entweder nachweislich geimpft, genesen oder tagesaktuell getestet sein. Selbsttests sind hierbei nicht gestattet. Vor dem Backfischfest-Eingang steht wiederum ein Testzentrum, das kurzfristiges Testen ermöglicht. Auf dem Platz selbst und in den Fahrgeschäften gilt eine Maskenpflicht. Diese darf lediglich beim Verzehr von Speisen und dem Genuss von Getränken abgenommen werden. Geschlossene Zelte gibt es auf dem Platz nicht. Um überhaupt auf diesen zu gelangen, muss man zuvor im Internet seinen Besuch buchen. Ein Aufenthalt ist auf drei Stunden begrenzt und es können maximal fünf Personen angemeldet werden. Damit auch keine unerwünschten Besucherinnen und Besucher den Weg auf den Platz finden, ist das Gelände komplett eingezäunt. Beim Verlassen des Festplatzes müssen die Gäste bei den Sicherheitskräften auschecken, damit die Stadt wiederum eine Übersicht über die Anzahl der Personen hat, die sich auf dem Platz befinden.

„WIR MÜSSEN WIEDER DAS FAMILIÄRE PFLEGEN“

In den Sozialen Netzwerken sorgten die Auflagen für Kontroversen. Nicht wenige Backfischfestgäste kommentierten, dass die Auflagen keine Stimmung aufkommen lassen und insbesondere die Maskenpflicht im Freien überzogen sei. Tatsächlich hat ein Rundgang über die sonst von zehntausenden Menschen bevölkerte Kisselswiese etwas Surreales. Hat man erstmal die drei Kontrollstationen erfolgreich durchlaufen, begrüßen einen zunächst mehrere LKWs, die wie ein Bollwerk entlang des Eingangs aufgereiht sind. Zwischen den einzelnen Fahrgeschäften oder Imbissen finden sich immer wieder Lücken, sodass der Platz unfertig erscheint. Das Weindorf, das als Ersatz für den Wonnegauer Weinkeller an selber Stelle einlädt, hat wiederum eine eigene Zugangsbeschränkung, die auf 500 Gäste begrenzt ist. Dort wurde auch die Eröffnung mit einem deutlich abgespeckten Programm gefeiert. Auch wenn das Backfischfest im Zeitalter von Corona nur wenig mit dem unbeschwerten Volksfest von einst zu tun hat, fand ALBERT RITTER, Präsident des Deutschen Schaustellerbundes e.V., die richtigen Worte. „Stellt euch vor, wir haben die Pandemie besiegt, aber die Menschen sind krank an der Seele“, gab Ritter zu bedenken und ergänzte: „Wir müssen uns wieder in die Augen schauen und wieder das Familiäre pflegen!“ Mit Blick auf die Maßnahmen schloss er in seiner Rede mit den Worten: „Wir haben die Mauer überwunden und werden auch die Zäune überwinden!“ Vielleicht ist es dann auch wieder möglich, ein Backfischfest mit all seinen Traditionen aufleben zu lassen, denn auch hier machten die Organisatoren starke Abstriche. Bereits im Juli erklärte SASCHA KAISER, Geschäftsführer der städtischen KVG, die für das Rahmenprogramm zuständig ist, dass alles, was nicht kontrolliert werden kann, nicht stattfindet. Sprich kein Umzug, kein Feuerwerk, keine Fischerwääder Kerb in der Fischerwääd und auch kein Fischerstechen. Was bleibt, ist die Hoffnung, dass die Welt vielleicht 2022 wieder zur Normalität zurückfindet.

KEIN WIRTSCHAFTLICHES ARBEITEN MÖGLICH

Die wünscht sich Sascha Kaiser auch für Veranstaltungen wie die Nibelungen-Festspiele, die in diesem Jahr auf 700 Besucher begrenzt waren, und Jazz & Joy, das in seinem 30. Jubiläumsjahr mit lediglich zwei Bühnen auskommen musste. Damit keine unkontrollierten Kontakte stattfinden konnten, wurden zudem die Plätze komplett bestuhlt und das Besucherkontingent drastisch reduziert. In Zahlen heißt das, dass auf dem Schlossplatz, wo in normalen Zeiten 1.400 Menschen Musik genießen können, gerademal 321 Personen den Konzerten lauschen durften. Auf dem Weckerlingplatz war das Gefälle noch größer. Wo sonst 4.000 Musikfans sich tummeln dürfen, konnten in diesem Jahr lediglich 451 Menschen Platz nehmen. Weniger Bühnen, Besucherinnen und Besucher bedeuten natürlich auch weniger Einnahmen. Dementsprechend gab es auch deutlich weniger Konzerte (19). Auf der anderen Seite standen aber wieder zusätzliche Ausgaben, um das Festival Corona konform zu mache. Für Sascha Kaiser ist klar, dass dieses reduzierte Konzept auf Dauer nicht zu stemmen ist. Die Jazz & Joy Gäste wiederum vermissten das Flanieren zwischen den Bühnen. Der Umstand, dass man nicht zwischen Bühnen wechseln konnte und auch das gastronomische Angebot sehr reduziert war, führte dazu, dass viele Stammgäste sich gegen einen Besuch entschieden. Dennoch konnten die Veranstalter an den meisten der vier Tage ausverkaufte Bühnen vermelden. Angesichts der eingeschränkten Platzkapazität war das allerdings nur ein kleiner Trost.