In den Nuller Jahren gehörte sie mit ihrer Band „Wir sind Helden“ zu den musikalischen Überfliegern der deutschen Musikszene. Wie keine andere Band dominierten sie ein Jahrzehnt lang Charts und Bühnen und galten als Wegbereiter für Bands wie Juli und Silbermond. Mit ihren Texten, die von einem großen Wortwitz lebten, sprachen sie einer ganzen Generation aus der Seele. Doch mit dem Erfolg wuchs auch der Druck und der machte der empfindsamen Sängerin immer mehr zu schaffen. Nachdem die Band 2010 ihr bisher letztes Album „Bring mich nach Hause“ veröffentlichte und damit ausgiebig tourte, beschloss man gemeinsam, die Band vorerst auf Eis zu legen. Judith Holofernes ist mit dem Helden Schlagzeuger Pola Roy verheiratet und hat mit ihm zwei Kinder (6 und 8 Jahre). Im Januar dieses Jahres veröffentlichte sie ihr erstes Soloalbum „Ein leichtes Schwert“, das sie am Festivalsamstag auch bei Jazz und Joy 2014 live vorstellte. WO! traf sich mit der sympathischen Sängerin in den weiten Fluren des Wormser Rathauses, um mit ihr über ihre Bandvergangenheit und ihre Liebe zu Dolly Parton zu sprechen.
WO! Hallo Judith, mit Erstaunen las ich in deinem Blog, dass du glühender Dolly Parton Fan bist. Unlängst hattest du die Grand Dame des Country sogar getroffen. Wie war es, einem Idol wahrhaftig gegenüber zu stehen und wie kam es zu deiner Vorliebe für Miss Parton?
Seit ich ungefähr 14 bin, habe ich einen Hang zu Alternative Country, wie zum Beispiel Michelle Shocked oder Townes van Zandt, also Sachen, mit denen man noch einigermaßen cool dastand. Und das hat sich immer mehr ausgeweitet und irgendwann kam ich zu Dolly Parton. Eine fantastische Songwriterin, extrem witzige Frau und eine der ersten selbstbestimmten Künstlerinnen. Das Treffen selbst war extrem kurz. Zusammen mit 15 weiteren Personen habe ich sie getroffen. Eigentlich wollte ich das Treffen gar nicht, es wurde von der Plattenfirma organisiert und fand nach einem Konzert statt. Im Grunde war sie so, wie ich sie mir vorstellte, zumal sie stimmlich wie früher klang. Letztlich ein tolles Treffen.
WO! Musikalisch war dies bisher nicht anzumerken, im Gegensatz zum neuen Album „Ein leichtes Schwert“. Würdest du dem zustimmen, dass das dein persönliches Dolly Parton Album ist?
Ich habe tatsächlich meine Backing Vocals an Dolly Parton und an Bob Marley orientiert. Das waren meine Soundvorbilder. Natürlich finde ich es auch reizvoll, die zuckersüßen Backings mit Funk Elementen, die etwas rauer klingen, zu verbinden.
WO! Kann man sagen, dass das Album insgesamt etwas verspielter klingt, mit Ausnahme des Stücks „Havarie“, als die „Wir sind Helden“ Alben?
Ja, das ist richtig. „Havarie“ hätte es auch fast nicht auf das Album geschafft (lacht). Tatsächlich ist es so, dass man nicht sagen kann, leicht wäre immer ein Element von „Wir sind Helden“ gewesen. Das letzte Album war ja eher schwermütig, das war ich auch zu dieser Zeit. Ich hatte jetzt das starke Gefühl, dass Freiheit das Grundmotiv sein muss, es musste eine einzige Spielerei sein.
WO! Also dein ganz persönlicher Sound, während man in einer Band Kompromisse machen muss?
Genau, man muss Kompromisse machen. Ich wollte mich allerdings nicht beschränken, ich wollte es auf die Spitze treiben. Ich wollte einen roten Faden, ich wollte, dass sich die Spielfreude überträgt. Es sollte aus einem einzigen Guss sein. Ich bin auch total zufrieden damit, wie das Album klingt, und das hatte ich ehrlich gesagt noch nie. Das heißt natürlich nicht, dass die nächsten Soloplatten, die ich machen möchte, genauso klingen sollen. Da ist schon ziemlich viel davon drin, was nach meiner Soundästhetik klingt.
WO! Du hast von der Schwermütigkeit des letzten Helden Albums gesprochen, war das auch der Punkt, der dazu führte, dass „Wir sind Helden“ eine Pause einlegten?
Ja, auf jeden Fall. Als wir die letzte Platte rausbrachten, dachte ich, dass die Schwermütigkeit bereits hinter mir liegen würde, immerhin war bis zur Veröffentlichung schon einige Zeit vergangen. Man verarbeitet was in einer Platte und ich dachte zum Zeitpunkt der Veröffentlichung, dass nun einige Zeit zurückliegen würde und ich vieles gelernt hätte. Da sind wir wieder rausgegangen und ich habe nach wenigen Wochen gemerkt, dass sich zu wenig verändert hatte und dass ich damit nicht glücklich werden kann.
WO! Empfandest Du, dass die musikalische Weiterentwicklung nicht weit genug ging?
Nein, ich liebe diese Alben, sie sind genauso wie sie sein sollen. Ich war einfach müde, in der Öffentlichkeit zu stehen, die PR und das viele Reisen. Im Grunde war ich schon ganz schön durch. Ich wusste, dass ich nicht noch einmal so eine Platte schreiben kann.
WO! Jetzt bist du aber genau wieder in diesem Trott?
Dadurch, dass ich nur für mich verantwortlich bin, kann ich viel freier agieren. Das macht einen sehr großen Unterschied.
WO! Wann merktest du, dass der Punkt erreicht war, wo du wusstest, dass du jetzt wieder in die Öffentlichkeit gehen kannst?
Als ich begann, die Platte „Ein leichtes Schwert“ aufzunehmen, hatte ich den Gedanken, mit dieser auch an die Öffentlichkeit gehen zu müssen, erst mal weggedrückt. Irgendwann verspürte ich extreme Lust, einfach wieder Live zu spielen. Natürlich hatte ich das Bedürfnis, das, was wir hier gemacht hatten, auch den Leuten vorzustellen. Am Ende des Tages ist der Drang, sich zu zeigen, stärker als die Angst, die dieser Beruf nun mal mit sich bringt. Deswegen stellte ich mich auch mit 14 auf die Straße und spielte mit meiner Gitarre Songs.
WO! Der Erfolg mit „Wir sind Helden“ kam ziemlich schnell. War das auch ein Grund, dass es irgendwann mit der Band problematischer wurde?
Ja, das stimmt. Bis zum Schluss bin ich der Geschwindigkeit hinterhergehinkt. Ich hatte unheimlich viel Spaß mit der Band und habe sie bis zum Schluss geliebt. Es war auch für mich nicht einfach, die Band aufzugeben. Es ist schwierig, sich in dieser Situation einzugestehen, dass man trotzdem damit nicht glücklich wird, mit dem Erwartungsdruck, mit der Geschwindigkeit. Es gab immer wieder diese Momente, in denen fantastische Nachrichten kamen und ich trotzdem geheult habe, weil ich das Gefühl hatte, dass ich noch nicht soweit war. Ich wollte zum Beispiel nicht der Headliner bei Rock am Ring sein, auch wenn ich wusste, dass man das nicht abschlagen konnte. Ich bin dann trotzdem raus und habe das auch gut hinbekommen.
WO! Ist dir der Spagat zwischen Privat- und Bühnenleben schwer gefallen?
Am Anfang fiel mir das sehr schwer. Ich habe dann ziemlich schnell gelernt, dass es enorm wichtig ist abzuschalten. Gerade wenn du einen Festivalsommer spielst, ist das wie eine Achterbahnfahrt mit einer ganz großen Intensität.
WO! Schaltest Du dann dein Handy aus?
(Überlegt) Ähm, dann fahre ich meisten wohin, wo rein zufällig ein Funkloch ist (lacht). Tatsächlich habe ich manchmal mit Leuten Auseinandersetzungen über meine Erreichbarkeit. Ich finde nicht, dass man, nur weil Technologie funktioniert, auch in der gleichen Geschwindigkeit wieder antworten muss. Es gab ja auch mal eine Zeit, als es das noch nicht gab und es funktionierte trotzdem. Ich habe zum Beispiel auf meinem Handy das Mail Icon auf dem Display losgelöst, so dass ich nicht mehr automatisch meine Mails sofort lese.
Wir danken dir für das Gespräch!