Seit ein paar Tagen streiten, morden und hassen sie wieder, die Nibelungen. In diesem Jahr erstmals ohne Dieter Wedel. Unter der Regie von Thomas Schadt und mit den Worten des renommierten Münchner Autors Albert Ostermaier, beschreitet man in diesem Jahr neue inszenatorische Wege. Zwei besonders auffällige Merkmale betreffen das Bühnendesign, das von zwei Türmen dominiert wird, sowie die musikalische Gestaltung, für die man das Quintett Panzerballett engagiert hat.

Eigentlich wirkt er, trotz seiner stattlichen Größe, eher sanftmütig, der Musiker Jan Zehrfeld, der zugleich auch Kopf der Band Panzerballett ist. Doch dann sagt er diesen Satz: „Ich bin ständig wütend auf etwas!“. Wenn er das sagt, möchte man ihm vielleicht doch nicht nachts über den Weg laufen. Aber Zehrfeld hat im Laufe der Jahre seinen eigenen Weg gefunden, seine Aggressionen, nämlich genau mit selbiger Band, zu kanalisieren. Seit 2004 irritiert und begeistert er Menschen mit seinem ungewöhnlichen musikalischen Mix. Jazz-Metal bezeichnet er selbst den Sound der Fünferbande. Um sich vorzustellen, was damit gemeint ist, erklärt er, es gehe darum, Stücke auseinander zu nehmen und anschließen wieder neu zusammenzusetzen. Wie das klingt, davon kann man sich bei You Tube einiges anhören, u. a. ein Neuarrangement des Titelthemas „The Simpsons“. Bei einer Veranstaltung der hiesigen Tageszeitung konnte man dem in schwarz gekleideten Musiker lauschen, der beim Reden immer etwas unsicherer als beim Musizieren wirkt. Und irgendwie ist musizieren ein unpassendes Wort, denn rocken trifft es eher. Ziel seiner Aggressionsbewältigung war das berühmte Jazzstück „Take five“ von Dave Bruback. Es war schon eine Show, dem Mann zuzusehen, als würde er gerade ein Solo von Iron Maiden auf den Saiten seiner Gitarre bearbeiten. Zwar hatte er nicht die gesamte Band im Gepäck und so diente ein Playback im Hintergrund dazu, den Zuschauern eine Vorstellung von dem zu geben, was Panzerballett ist, nämlich das Aufeinandertreffen von filigraner Technik und brachialem Sound. Wie das im Kontext mit den Nibelungen wirkt, ist eine spannende Frage, denn sicherlich schweben Thomas Schadt keine rockenden Nibelungen vor. Um davon einen Eindruck zu vermitteln, gab es einen kleinen Auszug aus dem Stück, bei dem Zehrfeld gesanglich von dem Opernsänger Radu Cojocariu unterstützt wurde, der den Erzähler gibt und dabei auch melodische Töne anschlägt. Fast mit einem hypnotischen Charakter im Sound, schlängelte sich Zehrfelds Gitarre ins Ohr, während Cojocariu diese Gänsehaut erzeugend begleitete. Vor allem die erste Hälfte der Inszenierung wird sehr musikalisch ausfallen, wie beide sowie Choreograf Ted Stoffer erläuterten. Wer befürchtet, dass ein Musical auf den irritierten Zuschauer zukommt, der täuscht natürlich. Wie Cojocariu schelmisch erklärte, wird es schon ein bisschen „Gemetzel“ geben.

Zwei Türme für einen Dom

Bereits bei der Pressekonferenz war der preisgekrönte Bühnendesigner Aleksandar Denic zu Gast, um dem Publikum von seiner Bühnengestaltung, die im wesentlichen auf zwei Türmen beruht, zu erzählen. Zwischenzeitlich stehen die Türme nicht nur in Worms, sondern werden auch seit Mitte Juli bespielt, denn sie sind nicht nur optisches Futter, sondern aktiver Teil des Dramas. Immer wieder verändern sie ihre Position, so wie sich die Geschichte im Laufe der Spielhandlung verändert. Dazu müssen sie natürlich bewegt werden. Diese Kraftaufgabe kommt einigen Statisten zu, die bei sommerlichen Temperaturen, wenigstens im Schatten des Wormser Kaiserdoms, selbige bewegen müssen. Um ihnen diese Aufgabe zu erleichtern, baute man, entgegen früherer Ankündigungen, nun doch ein Bühne. Es wäre nahezu unmöglich gewesen, die tonnenschweren Türme auf dem Naturboden zu bewegen, erläuterte Schadt bei einem Pressetermin. Besser so, denn schließlich soll ja das „Gemetzel“ auf der Bühne stattfinden und nicht unter den Türmen! Mit ihrem martialischem Design könnten sie auch ohne Weiteres in „Herr der Ringe“ mitgespielt haben oder in einer aktuellen Folge von „Game of Thrones“. Doch das ist nicht der Fall. Sie zu beschreiben, wäre in Anbetracht ihres Detailreichtums müßig, sagen doch Bilder mehr als tausend Worte. Dramaturgisch stehen sie für die Konfrontation der Kulturen. Auf der einen Seite der Westen, vertreten durch die Burgunder, auf der anderen Seite der Osten, also die Hunnen. Eigens hierfür gefertigt in Hamburg und zusammengesetzt in Worms, sind beide rund acht Meter hoch, was voraussetzte, dass alle Darsteller schwindelfrei sind. Wie Schadt vor kurzem schmunzelnd erläuterte, war das eine klare Einstellungsbedingung. Die Höhe ist dabei durchaus bewusst gewählt, so dass Zuschauer in den oberen Tribünenreihen immer mal wieder einen sehr guten Blick auf die Darsteller und deren Spiel haben. Auch das oben genannte Panzerballett findet seine Heimat in den Türmen und wird somit zum aktiven Bestandteil der Aufführung. Lediglich der Schlagzeuger bekommt aufgrund von Lärmschutzbedingungen ein eigenes Häuschen! Neben den Türmen setzt das diesjährige Team auch auf eine ausgefeilte Beleuchtung, um den Dom als Kulisse stärker in das Stück mit einzubringen. Wer neugierig geworden ist auf die diesjährige Saison, hat noch die Möglichkeit, sich bis zum 16. August 2015 Albert Ostermaiers „Gemetzel“ anzuschauen.

Hier noch ein paar Ticket Infos:
WANN: an allen Tagen bis zum 16. August 2015, jeweils ab 20:30 Uhr
WO: Nordseite Wormser Dom
WIEVIEL: Freitag / Samstag 69,- € bis 129,- €, Sonntag bis Donnerstag 29,- € bis 119,- €
INFOS: www.nibelungenfestspiele.de, Tickets auch unter 01805-337171 (0,14 €/Min. aus dem dt. Festnetz / Mobilfunk max. 0,42 €/Min)