Ärztesituation in Worms und Umland weiterhin angespannt

Ärztehaus im Liebenauer Feld. Foto: Andreas Stumpf

Die Situation ist angespannt, insbesondere im Bereich der Allgemeinmedizin. Wer in Worms einen Hausarzt sucht, tut dies oftmals vergeblich und muss in Nachbargemeinden ausweichen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) prognostizierte kürzlich, dass bis 2027 ca. 52 Prozent aller Hausärzte ersetzt werden müssen. Eine alarmierende Zahl!

In der öffentlichen Sitzung des Seniorenbeirats im vergangenen Dezember stellte Robin Sann von der Kassenärztlichen Vereinigung Rheinland-Pfalz (KV RLP) den Stand und die Prognosen der haus- und fachärztlichen Versorgung in Worms vor – und die ist sind nicht gut. Denn die Daten der KV zeigen: Bis 2027 sollen über 50 Prozent der aktuell niedergelassenen Vertragsärzte in Worms das Renteneintrittsalter erreicht haben. Aktuell fehlen in Worms laut Berechnung der KV elf Ärzte. Bei Fachärzten sei wiederum die Versorgung deckend. In der Realität sieht das aber oftmals anders aus. Etliche Ärzte nehmen aus unterschiedlichsten Gründen keine neuen Patienten mehr an. Wer es geschafft hat, dennoch einen Termin zu vereinbaren, muss einen langen Atem haben. Oftmals ist es so, dass dieser erst in ein paar Wochen stattfindet, wenn entweder das Leiden nachgelassen oder man schon beim Notdienst einen guten medizinischen Rat gefunden hat. Dr. Denis Alt, Staatssekretär im Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit, empfahl daher bei einem Treffen der SPD nahen Arbeitsgemeinschaft 60plus, sich bei Schwierigkeiten an die Terminvermittlung der KV zu wenden. Doch ist das der Weg der Zukunft? Zahllose Telefonate, bis man schließlich einen Arzt konsultieren darf? Auf der Suche nach Antworten, begab sich der WO! Redakteur in das „Wormser Ärztehaus“.

„Rundum Sorglospaket“

Ein Besuch in dem Gebäude im Liebenauer Feld zeigt es bereits nach wenigen Schritten: Ärzte sind begehrt. In den Praxen herrscht reger Be- trieb. Die Wartezimmer sind voll und teils auch die Treppen mit wartenden Patienten gefüllt. Der Weg des WO! Redakteurs führt allerdings nicht in eine der acht Praxen, sondern zur WoGe, dem Wormser Gesundheitsnetz, das auch die Ärztegemeinschaft betreibt und sich darüber hinaus aktiv mit der Situation in Worms auseinandersetzt. Hinter der WoGe steht ein Zusammenschluss von zahlreichen regionalen Ärzten. Mittlerweile zählt das Netz 125 Mitglieder. Das Besondere an diesem Zusammenschluss ist das Konzept dahinter. Mit einem „Rundum-Sorglospaket“, von der Verwaltung bis zur Bereitstellung von Praxisräumen, möchte man jungen Ärzten und Ärztinnen den Gesundheitsstandort Worms schmackhaft machen. Darüber hinaus bietet das Netzwerk regelmäßig Fortbildungen an und hilft bei der Suche nach Mitarbeitern. Das mit den Räumen hat sich allerdings erst mal erledigt, denn wie Sascha Dupuis, Projektmanager der WoGe, im Gespräch erklärt, hat man im Sommer des vergangenen Jahres die letzten freien 80 Quadratmeter erfolgreich vermietet. Die zentrale Frage ist allerdings, wie man zukünftig Ärzte zur Niederlassung in Worms bewegen möchte, denn klar ist, dass der Ärztemangel kein lokales Problem ist, sondern deutschlandweit herrscht. Birgit Sattler, Geschäftsführerin WoGe, betont daher zu Beginn des Gesprächs, dass in den Nachbarstädten und insbesondere im ländlichen Bereich die Versorgung schlechter sei. Allerdings macht sie keinen Hehl daraus, dass die Entwicklung auch in Worms schwierig ist.

Weniger Niederlassungen, mehr Krankenhausärzte

Dr. Denis Alt verwies bei seinem Gespräch mit der Altersgemeinschaft 60plus darauf, dass die Landesregierung das Problem erkannt und da- her die Zulassungsquote um 15 Prozent angehoben hätte. Für Sascha Dupuis ist das aber nur ein Teil der Lösung, denn das eigentliche Prob- lem sei, dass die fertig studierten Ärzte nicht in der Versorgung vor Ort ankämen. Viele gehen in die Krankenhäuser und wollen dort bleiben, weiß Sascha Dupuis. Zwar sei die Anzahl der Betten in den vergangenen Monaten um rund 20 Prozent geschrumpft, der Anteil der Ärzte sei wiederum um 25 Prozent gestiegen. Ergo, mehr Köpfe, die weniger Patienten betreuen. Günther Matheis, Vizepräsident der Bundesärztekammer, erklärte hierzu in der Allgemeinen Zeitung: „Mittlerweile gibt es Krankenhäuser, wo ganze Abteilungen in Teilzeit beschäftigt sind. Wenn also ein Arzt aus dem Krankenhaus ausscheidet, braucht man mindestens 1,5, wenn nicht sogar 1,8 Leute, um diesen einen zu ersetzen.“ Den jungen Ärzten kommt das oftmals nicht ungelegen. Die Gründe sind mannigfaltig, so wollen viele nicht mehr das zeitliche Pensum schultern, das eine Hausarztpraxis oftmals erfordert. Sascha Dupuis verweist darauf, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine immer größere Rolle spielt. Dem gegenüber steht eine Zunahme von Krankheiten durch eine immer älter werdende Gesellschaft. Um diesem Problem entgegenzusteuern, bietet die WoGe dem Nachwuchs jede Menge Unterstützung an. Birgit Sattler erklärt: „Zunächst haben Ärzte eine ewig lange Studiendauer. Bis sie im Anschluss ihren Facharzt haben, vergehen mindestens nochmals fünf Jahre. Zeit, in der viele Familien gründen. Das heißt, viele sind Ende 30, wenn sie ihren Facharzt haben. Um eine Praxis zu eröffnen, braucht man aber auch wieder Managementkenntnisse, die man allerdings im Studium nicht erhält und schließlich ist das alles mit einem finanziellen Risiko verbunden“. Das erklärte Ziel der WoGe ist es, alle Steine aus dem Weg zu räumen. So sind Mieten nicht an langfristige Verträge gekoppelt und durch die Ärztegemeinschaften ist auch mehr zeitliche Flexibilität möglich. Das gilt natürlich auch für Ärzte außerhalb der Ärztegemeinschaft im Liebenauer Feld, die man bei Neugründungen gerne unterstützt, um den Alltag zu erleichtern.

Neue Ideen sind gefragt

Eine Idee, um dem Arzt mehr Spielraum zu geben, sind aktuell Videosprechstunden, die man erfolgreich in der benachbarten Hausarztpraxis im Ärztehaus ausprobiert hat. Das funktioniert natürlich nur bei leichten Erkrankungen, bei denen kein Kontakt erforderlich ist oder bei Folgeterminen. Die Vorteile liegen auf der Hand, denn sowohl der Arzt als auch der Patient spa- ren Zeit. Zudem lassen sich dadurch Raum und Personal einsparen. Dennoch wird dies die prognostizierten 52 Prozent nicht auffangen. Für Sascha Dupuis ist klar, dass nicht jeder Kopf ersetzt werden kann und verweist im Sinne der Videosprechstunde darauf, dass die Arbeitsabläufe effizienter gestaltet werden müssen. Digitalisierung ist hierbei ein wichtiger Aspekt, der in den WoGe Praxen erprobt wird. Die Geschäftsführerin verweist darauf, dass man zudem mit weiteren Gesundheitsnetzwerken im Austausch sei. Den Ernst der Lage hat auch die Stadt erkannt und bereits einen „runden Tisch“ ins Leben gerufen, an dem natürlich auch das Gesundheits- netz teilnimmt. Mitte Januar kam es zu einem erneuten Treffen im Rathaus. Stellvertretend für den Stadtvorstand liegt der städtische Anteil bei der Suche nach Ärzten in den Händen von Sozialdezernent Waldemar Herder und Bürgermeisterin Stephanie Lohr, in deren Ressort die Wirtschaftsförderung fällt. Die soll sich wiederum auf die Suche nach Immobilien machen, die für eine Praxis geeignet wären. Abgesehen von dieser wahrscheinlich nicht einfachen Suche dürfte in nächster Zeit vor allem viel Kreativität gefragt sein.

Eine unmöglich Situation

Dezernent Herder unterstreicht im Gespräch mit WO! zunächst die Dramatik der Situation: „Es gibt derzeit Pflegeeinrichtungen, die selbst keinen Allgemeinmediziner stellen können und deswegen nur noch Patienten aufnehmen, die einen Hausarzt vorweisen können“. Für Herder ist dies eine unmögliche Situation. Für ihn ist klar, dass man in viele Richtungen denken muss. So könne er sich vorstellen, dass das Klinikum Hausarztplätze einkauft und Ärzten entsprechend vermietet. Das sei aber lediglich eine Idee, betont er und erklärt, dass er den laufenden Gesprächen nicht vorweggreifen möchte. Sattler nennt wiederum die Idee eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ), das man im Rahmen des runden Tischs auch mit der Stadt erörtert hätte. Das Problem ist jedoch, dass diese Lösung Geld kostet, was weder die WoGe stemmen kann, noch der Stadt zur Verfügung steht. Birgit Sattler verweist darauf, dass man in anderen Kommunen ähnliche Projekte mit Fördergeldern stemmt, die in Worms nicht vorhanden seien. Wie schwierig die Errichtung eines Versorgungszentrums sein kann, erleben gerade die Akteure rund um das geplante Gesundheitszentrum Eisbachtal. Von einem Investor geplant, sah es zunächst gut aus. Doch dann verzögerte sich der Baubeginn immer wieder und schließlich verschwand der Investor. Die betroffenen Orte wollen indes weiter für das Zentrum kämpfen. Eine städtische Beteiligung scheint fraglich. Sascha Dupuis erklärt, dass die Bauzeit ca. zwei Jahre dauert. Um als Kommune eine Finanzierung zu bekommen, müsse diese wiederum Mieter vorweisen. Potentielle Ärzte müssen allerdings bei der Beantragung der Nie- derlassung innerhalb von sechs Monaten die Pra- xis eröffnen, da sie sonst wieder die Zulassung verlieren. Kommunen können es sich indes in den wenigsten Fällen erlauben, unter diesen Bedin- gungen zu bauen. Einer dieser wenigen Fälle ist die Verbandsgemeinde Monsheim, die aufgrund einer guten Haushaltslage ein solches Zentrum eröffnen konnte. In Worms dürfte dieser Weg ohne Fördermittel indes nicht möglich sein.

Hier erfahren Sie mehr über das Wormser Gesundheitsnetzt:https://www.woge-worms.de/

Text: Dennis Dirigo