Derzeit erlebt die Debatte um das sogenannte Rathaus II neuen Auftrieb. Das kann man prinzipiell begrüßen. Dass die Diskussion allerdings im Vorwahlkampf geführt wird, macht die unvoreingenommene Betrachtung nicht leichter. Daher liegt es Büdnis 90 / Die Grünen – Worms an einer grundsätzlichen Überlegung, die bislang zu kurz kommt:
Die Zukunft der Verwaltung heißt Veränderung
Unsere Zeit ist – egal ob in Verwaltung, Wirtschaft oder sonst wo – durch zwei Dinge gekennzeichnet:
- Veränderung
- steigende Geschwindigkeit der Veränderungen
So ist es schon schwierig, Bedarfe für ein Rathaus in 10 Jahren zu prognostizieren, mehr als sportlich wird es, Bedarfe in 25 Jahren beziffern zu wollen. Gebäude werden allerdings für eine Nutzungsdauer von über 50 Jahren errichtet, daher ist es fast unmöglich, heute ‚passend‘ für kommende Jahrzehnte zu bauen.
Mindestens vier, teils gegenläufige Entwicklungen, werden sich auf den Raumbedarf eines künftigen Rathauses auswirken:
Mitarbeiterwachstum, z.B. durch vermehrte Wahrnehmung ehemals gesellschaftlicher Aufgaben wie Soziales, Erziehungsberatung, Integration u.v.m.
Mitarbeiterschwund, durch zahlreichen Renteneintritt (400 in den nächsten Jahren) und Mangel an Bewerbern zum ‚Nachrücken‘.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz, die Routinetätigkeiten in der Sachbearbeitung übernehmen könnten.
Sharing von Arbeitsplätzen (Schreibtischen) infolge vermehrter Teilzeit, Homeoffice, digitalem Workflow
Wir wissen also, dass wir nicht genau wissen können, wie sich die Raumbedarfe eines Rathauses in 10 oder 20 Jahren entwickeln werden.
Dass Worms mit diesem Phänomen nicht alleine steht, zeigen Bauprojekte der jüngeren Vergangenheit (Kreisverwaltung, Grundschulen), die kaum gebaut schon zu klein waren, weil sich bereits während der Planungs- und Bauzeit deutliche Bedarfsveränderungen ergeben hatten.
Für die Zukunft der Verwaltung brauchen wir ein „atmendes Raumkonzept“
Die angemessene Reaktion auf Veränderung ist Flexibilität. Für ein Rathaus bedeutet dies wiederum zweierlei:
– Die Räume müssen verändernden Nutzungen angepasst werden können.
– Das Raumprogramm oder Raumangebot muss variabel sein:
– Bei Bedarf muss das Raumangebot erweitert oder verringert werden können.
Es liegt auf der Hand, dass dies nur im Mietverhältnis möglich ist. Hilfreich wären dann Rahmenverträge, innerhalb derer mehr Kapazität hinzugebucht oder zurückgegeben werden kann. Realisierbar ist dies innerhalb größerer Gebäudekomplexe.
Für die Verwaltung der Zukunft sollte daher ein externer Anbieter gefunden werden, bei dem die Stadt quasi als ‚Ankermieter‘ fungiert, und der mit einem gewissen zeitlichen Vorlauf zusätzliche Räume vermieten oder auch wieder zurücknehmen kann. Ein solcher Anbieter müsste also ein multifunktionales Gebäude errichten, in dem er die Räume sowohl als Geschäfte, Wohnungen, Büros oder ‚Amtsstuben‘ vermieten kann. Viele Unternehmen verfolgen bereits einen solchen Ansatz und lassen bauen (und mieten), anstatt selbst zu bauen.
Würde man als Kommune weiterhin das Ziel verfolgen, die heute angenommenen Raumbedarfe durch eigene Bautätigkeit in Beton zu gießen, so beraubte man sich jener Flexibilität, die zweifelsohne immer wichtiger wird. Daher sollte unsere Stadt bauen lassen, um durch Rahmenverträge flexibel mieten zu können, und so ein „atmendes Raumkonzept“ für die Verwaltung zu realisieren.
Für die Grüne Stadtratsfraktion
Richard Grünewald