Sagen Sie mal, Herr Bims?
Die Klimaschutz-Klebeaktionen der Letzten Generation finde im ganzen Land statt und polarisieren in der Bevölkerung. Ich höre Sie deshalb schon wieder zu Tausenden fragen, „Sagen Sie mal, Herr Bims, wo kleben Sie sich denn eigentlic fest, um das Klima zu retten?“
Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass sich in diesem unserem Land kein Mensch auf dem Asphalt festkleben müsste, wenn jeder seinen beeindruckenden technischen Standard etwas zu- rückfahren würde. Als Boomer komme ich ja noch aus einer Zeit, als es den ganzen technischen Schnickschnack, den ein gewöhnlicher Jugendlicher heutzutage mit sich herumschleppt, noch gar nicht gab. Erst neulich hat mich beim Arzt im Wartezimmer ein junger Mann von der Seite angesprochen: „Hey Alder, wo hängst du ab?“ Nachdem ich zunächst etwas irritiert war, was ich wohl einem wildfremden Typen, der direkt neben mir beim selben Arzt im selben Wartezimmer saß, auf diese Frage antworten soll, bemerkte ich die beiden Kopfhörer in seinem Ohr. Ehrlich gesagt hätte ich mir als Kind die technische Weiterentwicklung spektakulärer vorgestellt, als auf lautstark rumtelefonierende Wichtigtuer an den unmöglichsten Orten zu treffen und auf Smartphone Zombies mit einem fahlen Gesichtsausdruck, die unentwegt auf ihr Handy starren.
Nachdem ich nämlich 1985 im Wormser Roxy-Kino (die Alten kennen es noch) „Zurück in die Zukunft“ gesehen hatte, war ich mir tausendprozentig sicher, dass man schon bald einen Verkehrsstau locker mit einem Hoverboard umfliegen kann. Das war auch der Grund, warum ich mir nie ein Skateboard gekauft habe, weil ich lieber auf die weitaus spektakulärere technische Weiterentwicklung warten wollte. Und heute, 38 Jahre später? Staus gibt es immer noch, nur wer- den diese im Jahr 2023 mit einem Lastenfahrrad umfahren. Und das nennt sich dann Fortschritt. Aber vielleicht ist das ja genau die Art von „360 Grad Wende“, von der unsere Außenministerin Annalena Baerbock gesprochen hat. Wir, also die Menschheit, drehen uns einmal um die eigene Achse und landen dann wieder direkt in der Steinzeit. Dabei ist es doch so einfach, im Alltag ein bisschen auf die Umwelt zu achten. Wenn ich zum Beispiel mit unserem Pflegehund Gassi gehe, lass ich seine Kacke konsequent auf dem Bürgersteig liegen, um die Umwelt nicht mit einem Hundekotbeutel aus Plastik über Gebühr zu belasten. Auch multimedial habe ich schon einiges zurückgeschraubt. Wenn ich zum Beispiel im Südflügel unseres Anwesens ein nur noch auf 39 Grad (statt zuvor 40 Grad) temperiertes Bad nehme und mit meiner Partnerin im Wohnzimmer (= Nordflügel) telefoniere, benutzen wir wegen der gefährlichen Strahlungen keine Handys mehr, sondern nur noch Walkie-Talkies: „Stinkender Fuchs ruft Princess Sparkle, benötige dringend ein neues Duschgel. Over and out!“. Aber hey, mich deswegen als Klimaaktivist zu bezeichnen, wäre zu viel der Ehre. Dabei hab ich noch mehr Energiespartricks auf Lager, die die Letzte Generation überhaupt nicht mehr auf dem Schirm hat.
Kürzlich habe ich einer jungen Klimaaktivistin in der Nachbarschaft, die mir gerade von technischen Problemen mit einem nagelneuen AEG-Wäschetrockner berichtet hatte, davon erzählt, dass ich ihr – quasi unter der Hand – ein komplett CO2-freies Gerät besorgen könnte, das garantiert nicht seinen Dienst versagt. Ein Teil zum Trocknen der Wäsche, das komplett aus Solar- und Windenergie gespeist wird und sich somit die „A+++“ Öko-Verifizierung redlich verdient hat. Zugegebenermaßen war sie nach der ersten Euphorie über diese klimafreundliche Alternative ein wenig enttäuscht, als ich ihr eine gewöhnliche Wäscheleine in die Hand gedrückt habe. Ihr jüngerer Bruder sei übrigens ein passiver Klimaaktivist. Der würde nämlich den ganzen Tag faul auf dem Sofa rumlümmeln, um Energie zu sparen. Die Mutter der beiden meinte wiederum zu mir, dass ihre Kinder zwar die Erde sauberer machen wollen, sich davon aber nur wenig in ihrem Zimmer bemerkbar machen würde. Auch beruflich wissen die verwöhnten Gören noch nicht wirklich, was sie machen wollen. Da kam mir die rettende Idee, hatte ich doch kurz zuvor den Spruch gelesen: „Ohne Hirn und Arbeitgeber wird man einfach Klimakleber.“ Jetzt sogar möglich mit einer sozialversicherungspflichtigen Festanstellung, gratis Festklebekurse inklusive. Gesponsert übrigens von der Firma Pattex, die natürlich ein gesteigertes Interesse daran hat, dass der klebewütige Nachwuchs nicht ausgeht. Und wenn man sich dann als Klimaaktivist wochenlang im Dienst der guten Sache auf dem Asphalt festgeklebt hat, kann man anschließend zur Erholung 16 Stunden lang mit einem CO2-Killer um die halbe Welt in den Urlaub nach Bali fliegen und die Treibhausgase ein bissel in Schwung bringen. Hach, Klimaschutz kann so schön sein…
HÖR MEER UFF MIT MORAL
Das hat auch nichts mit Doppelmoral zu tun. Ich sehe das nämlich exakt genauso wie die Mitglieder der Letzten Generation: „Man muss das Private vom Geschäftlichen trennen!!“ Nur weil ich geschäftlich ein Spaßvogel bin, heißt das noch lange nicht, dass man sich privat mit mir irgend- welche Späßchen erlauben kann, geschweige denn, dass ich in irgendeiner Form lustig wäre. Nur weil jemand von Beruf Koch ist, heißt das nicht automatisch, dass er auch im Privathaushalt das Essen für seine Frau zubereitet. Nur weil jemand tagsüber als gesetzestreuer Polizist agiert, kann man ja nicht ernsthaft erwarten, dass er sich auch noch in seinem Privatleben an die Gesetze hält. Und nur weil jemand hauptberuflich Politiker ist, bedeutet das nicht zwangsläufig, dass er auch innerhalb der Familie ein korruptes, rücksichtsloses Schwein ist. Ich könnte noch viel mehr Beispiele aufzählen, aber ich denke, Sie haben vermutlich verstanden, was ich meine. Denn kein normal tickender Mensch kann von einem professionellen (festangestellten!) Klimakleber erwarten, dass er auch noch in seiner Freizeit die Welt rettet, ohne dafür Überstunden zu berechnen.
Mit freundlichen Grüßen, Ihr Dr. Bert Bims