17. Juli 2016
Heylshofpark in Worms:

Im letzten Jahr wurden sie von vielen Festspielgästen wehmütig vermisst, die Theaterbegegnungen. Jene themenzentrierte Veranstaltung, bei der im idyllisch romantischen Ambiente des Heylshofes in moderierten Gesprächsrunden über den Nibelungenstoff gesprochen, diskutiert oder auch mal gestritten wird.

In diesem Jahr stand die Frage im Mittelpunkt, ob die Nibelungen sich für eine zeitgemäße Filmerzählung eignen. Bevor jedoch dieses Thema erörtert wurde, stand die aktuelle Inszenierung im Mittelpunkt und ganz plötzlich auch das Thema Trauer. Eigentlich sollten an diesem Vormittag auch die beiden Hauptverantwortlichen für das Stück „Gold. Der Film der Nibelungen“, Autor Albert Ostermaier und Regisseur Nuran David Calis zusammen mit Intendant Nico Hoffmann auf der Bühne stehen, um der Journalistin Klaudia Wick Rede und Antwort zu stehen. Letztlich war aber nur Hofmann anwesend, da Calis erkrankt war und Ostermaier wegen eines Trauerfalls abreisen musste. Frei und unbekümmert bestritt dann der erfolgsverwöhnte Produzent das Gespräch alleine und erzählte sehr detailfreudig von den Problemen bei der letztjährigen Inszenierung „Gemetzel“. Es ist mittlerweile kein Geheimnis mehr, dass Regisseur Thomas Schadt gar nicht als Regisseur eingeplant war. Wie Albert Ostermaier in einem Gespräch mit WO! bereits einräumte, war dies schon damals Nuran David Calis, der allerdings verhindert war, wie auch die anderen Wunschregisseure. Schadt übernahm und wie Hofmann erzählte, zog dieser sich im Laufe der Zeit immer weiter zurück und traf Entscheidungen, die der Tausendsassa Hofmann nicht wirklich nachvollziehen konnte. So hätte er Elemente im Stück behalten, die der Intendant und Ufa Geschäftsführer für nicht bühnenkompatibel hielt. Trotzdem war er mit dem Ergebnis einigermaßen zufrieden. Mehr Begeisterung zeigte der gebürtige Mannheimer jedoch für die aktuelle Aufführung und seinen Regisseur Nuran David Calis, den er gerne im kommenden Jahr wieder engagieren möchte. Hofmann zeigte sich sehr angetan von der filmischen Herangehensweise des jungen Regisseurs. Kritisches äußerte er zum Autor Ostermaier, den er zwar für seine starken Stoffideen schätze, der aber auch ausgebremst werden müsse, da Ostermaiers Zitierwut gelegentlich über das Ziel hinausschoss. So gab Hofmann zu, dass das Stück „Gold“ mehrfach vom Dramaturg Thomas Lau überarbeitet werden musste, um es spielbar zu machen. Die bekanntesten Zitate in dem Stück beziehen sich dabei auf Klassiker wie „Apocalypse now“ oder auf Personen wie Bernd Eichinger, den man in der Figur des Konstantin Trauer wiederfinden kann. Auch Eichinger, den Hofmann sehr bewunderte, beschäftigte sich vor seinem überraschenden Tod mit dem Nibelungenstoff und verfasste ein Drehbuch, das bis heute in den Schubladen der Constantin Film liegt und auch von Hofmann gelesen wurde. Mit dem diesjährigen Erfolg sieht er die Festspiele auf dem besten Weg, das Niveau von Salzburg zu erreichen und äußerte sich vor allem begeistert über das Engagement der Wormser Bürger und der vor Ort ansässigen Verantwortlichen, die ein Organisationslevel geschaffen haben, das es so noch nicht mal in Berlin geben würde. Offen ließ er allerdings die Frage, wie es für ihn nach 2017 weitergeht. Einerseits könne er sich ein weiteres Engagement in Worms vorstellen, andererseits mochte er aber nicht die Frage nach dem „Wie“ beantworten. Zumindest plauderte er darüber, dass im kommenden Jahr die Frauen im Mittelpunkt stehen sollen, genauer gesagt, sieben sogar. Nebenbei lüftete er auch das Geheimnis um die Anwesenheit des Nationaltrainers Joachim Löw bei der Premiere. Diesen verbindet eine enge Freundschaft mit der Schauspielerin Dennenesch Zoudé, die die jüngere Brünhild in „Gold“ spielte. Im Frühjahr war deren Mann Carlo Rola verstorben, ein guter Freund Löws.

Nach so vielen Informationen und Intimem aus dem Nibelungenzirkus sorgten die Musiker des Ensembles für eine erfrischende Abwechslung. Eine Stunde lang begeisterten sie mit Titeln aus dem Stück und glänzten mit einem virtuosen Umgang mit ihren Instrumenten. Im Anschluss führte der Filmjournalist Hans Helmut Prinzler durch die bisher übersichtliche Welt der Nibelungen Verfilmungen. Darunter finden sich solch eigenwillige Werke wie Tom Gerhardts „Siegfried“ oder der trashige Sat 1 Zweiteiler „Die Nibelungen“ mit Benno Fürmann als Siegfried. Danach gab Filmstar und Kuratoriumsmitglied Mario Adorf eine Anekdoten aus seinem prallen Schauspielerleben zum Besten, darunter auch eine zu Götz Georges Vater Heinrich George. Die Mittagszeit schon deutlich jenseitig kam es schließlich zur Diskussion über eine zeitgemäße Filmbearbeitung des Stoffes, daran beteiligt: Prinzler, der SWR Redaktionsleiter Frank Hertwecke und Sascha Schwingel, Redaktionsleiter bei der Produktionsfirma Degeto, der auch schon wiederholt für Nico Hofmann arbeitete. Schwingel erzählte, dass man sich zurzeit mit der Verfilmung von Wolfgang Hohlbeins Roman „Hagen von Tronje“ beschäftige. Der Stoff solle sowohl als Kinofassung als auch als Zweiteiler realisiert werden. Einig war man sich aber auch, dass das Publikum in Anbetracht zahlloser Fantasyspektakel in der Zeit nach „Herr der Ringe“ auch gewisse Ermüdungserscheinungen zeige, so dass Produzenten den Millionenetat im Moment scheuen würden. Letztlich zog sich die Diskussion etwas ergebnislos in die Länge, vor allem wäre ein gewichtiger Name wie der von Nico Hofmann in der Runde sicherlich erhebend gewesen.

FAZIT: Es war schön zu erleben, dass die „Theaterbegegnungen“ eine Wiederbelebung erfuhren, allerdings wären ein paar Verschnaufpausen mehr wünschenswert gewesen. So geriet die Veranstaltung sehr kopflastig und erlebte nur gelegentliche Auflockerungen (siehe Musik und die Anekdoten des Mario Adorf).