Brückengeländersanierung an Wormser Brücken
Manchmal tauchen auf dem Radar einer Stadt Probleme auf, bei denen man sich fragt, wie deren Bürger einigermaßen sicher durch Jahrzehnte ihres Lebens kommen konnten. Die Diskussion um die Erhöhung von Brückengeländern wirft genau diese Frage auf und ist zugleich ein Spiegelbild einer Gesellschaft, die einerseits über den Staat meckert, ihn aber andererseits für alles verantwortlich macht.
Es gab eine Zeit, da kümmerte es niemanden, ob ein Brückengeländer nur 95 Zentimeter hoch ist oder 1,05 Meter. Doch das ist Vergangenheit. Bereits 2020 informierte ANNETT BÖTTNER, Abteilungsleiterin Verkehrsinfrastruktur, den Stadtrat darüber, dass satte 90 Brückenbauwerke in der Nibelungenstadt nicht den neuen Anforderungen entsprächen. Seitdem weisen Schilder auf allen Brücken in Worms darauf hin, dass man sich in Lebensgefahr befindet! Nicht wenige fragten sich: Ist Worms nun das neue Schilda? Ganz so schlimm ist es dann doch nicht gekommen. Weder ist in den letzten zwei Jahren jemand von einer Brücke gefallen, noch sind es 90 Brücken, die einer Ertüchtigung unterzogen werden müssen. Dennoch sorgt die Geschichte für Diskussionen, Missverständnisse und in den Sozialen Netzwerken für kollektives Kopfschütteln.
400.000 Euro für 18 Brücken
Alles begann damit, dass 2018 ein neuer Mitarbeiter mit der Überprüfung der Brücken in Worms beauftragt wurde. Dabei stellte er nicht nur fest, dass ein erheblicher Teil marode sei, sondern dass es bereits seit 2004 neue Richtlinien gebe, wie hoch Brückengeländer sein müssen. Glaubte man 2020 noch, dass man nun alle Brückengeländer anpassen müsste, zeigt sich zwei Jahre später, dass dies lediglich Brücken betrifft, die bereits in die Jahre gekommen sind, auf denen ausdrücklich die Querung mit dem Rad gestattet ist und die niedriger als 1,20 Meter sind. Denn das Problem ist nicht der Fußgänger, sondern der höher sitzende Radfahrer. In Worms betrifft das elf Brücken. Ausgetauscht werden sollen auch sogenannte Holmgeländer an sieben weiteren Brücken. Das sind Geländer mit vertikalen Verstrebungen, die mehr als 12 Zentimeter auseinanderlegen. Insbesondere für Kinder besteht aus Sicht der Stadt Gefahrenpotential. Die Kosten für die Maßnahmen belaufen sich auf stolze 407.719 Euro. Der Glücksbote, der Ende März die unliebsame Nachricht im Stadtrat übermitteln durfte, war Stadtentwicklungsdezernent TIMO HORST.
Jan Metzler klärt
Auf Unverständnis stieß die teure Maßnahme bei der Wormser CDU, die per Pressemitteilung wissen ließ, dass MdB JAN METZLER den Brückenärger aus der Ferne geklärt hätte, denn die CDU witterte bereits Ausgaben in Millionenhöhe. Metzler teilte mit, dass die Richtlinie nur für neue Brücken gelte, während die alten Bestandsschutz genießen würden. Das rief wiederum die SPD auf den Plan, die ebenfalls per Pressemitteilung Metzler widersprach und darauf hinwies, dass es keinen Spielraum gebe. Das sehe auch der Oberbürgermeister so. Eine Antwort der CDU ließ nicht lange auf sich warten. In einer weiteren Mitteilung verwies man die Aussagen der SPD in das Land der Märchen, denn schließlich beziehe man sich bei der Feststellung auf eine Aussage des zuständigen Bundesministeriums, dass es schlicht auf die Widmung des Weges ankäme. Die CDU bezog die Erhöhung der Geländer auf eine Neuregelung, bei der Eltern aus Sicherheitsgründen mit ihren Kindern auf Gehwegen fahren dürften. Damit sei aber ein Gehweg immer noch ein Gehweg und damit nicht betroffen, so die Logik der Christdemokraten.
Jeder Zentimeter zählt
Sichtlich verwirrt machte sich unser WO! Redakteur auf die Suche nach Antworten und fragte direkt bei Dezernent Horst nach. Dieser erklärte, dass es bei der Erhöhung grundsätzlich um Haftungsfragen ginge. Vor- geschrieben sei eine Höhe von mindestens 1,20 Meter. Horst verweist beispielhaft auf die Pfrimmbrücken in der Nievergoltstraße und in der Landgrafenstraße zwischen Pfiffligheim und Leiselheim. Erstere ist gerade mal 97 Zentimeter hoch, während die zweite immerhin 1,01 Meter misst. Zudem weisen beide Brücken erhebliche Schäden an den Verstrebungen auf. Nicht betroffen sind wiederum Brücken wie die Brünhildenbrücke, die es immerhin auf 1,21 Meter Geländerhöhe bringt. Wir wollen von Horst wissen, ob es im Zusammenhang mit Brücken Fälle gab, die nach einem Unfall eine Klage gegen die Stadt nach sich zogen. Das sei zwar nicht der Fall gewesen, dennoch hätte es in den letzten Jahren immer wieder Beschwerden von Bürger/innen gegeben, sowie Auseinandersetzungen mit Versicherungen. Für Verwunderung sorgte in der Redaktion die Entdeckung zweier einsamer Brückengeländer im Wäldchen, die über ein ausgetrocknetes, wenige Zentimeter tiefes Bachbett verlaufen. Grundsätzlich gehört dieser Abschnitt nicht zu den angesprochenen Brücken, räumt Horst ein. Allerdings hätte es in der Vergangenheit wohl einen Unfall mit Kindern gegeben, woraufhin sich die Eltern massiv beschwerten.
Letztlich ist das symptomatisch für eine Zeit, in der nicht wenige Menschen eine Stadt für ein eigenes Fehlverhalten, wie zum Beispiel die Nichterfüllung ihrer Aufsichtspflicht, verantwortlich machen wollen. Für die anderen Bürger/innen ist das eine teure Entwicklung, die den einen oder anderen Facebook Kommentator zu der Frage verleitete, ob zukünftig der Geh- oder Radweg mit einem Zaun zur Straße abgetrennt wird, damit auch niemand mit dem restlichen Verkehr in Kontakt kommt. So abwegig wie das klingt, sollte man nicht überrascht sein, wenn es tatsächlich irgendwann so weit kommt.
Text und Titelfoto: Dennis Dirigo