DIESEN MONAT: Thomas Laue

KURZBIO 2016 tauchte Thomas Laue erstmals bei den Nibelungen-Festspiele auf. Damals wurde er engagiert, um Albert Ostermaiers sprachgewaltigen Texte zu bändigen. Das machte er so gut, dass er zwei Jahre später zum Künstlerischen Leiter der Festspiele aufstieg. Theater begleitet den 1971 geborenen Laue bereits ein Leben lang. An der Universität Köln studierte er Germanistik, Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften und Philosophie. Danach erhielt er am Staatstheater Kassel ein Engagement als Regieassistent und Dramaturg, ebenso wenige Jahre später in Hannover. Am Schauspiel Essen und am Schauspielhaus Bochum stieg er gar zum Chefdramaturgen auf. Bevor er nach Worms wechselte, stellte er seine Kreativität in den Dienst des Schauspiels Köln. Sein Engagement in Worms öffnete für ihn zugleich neue Perspektiven. Nico Hofmann zeigte sich von seiner Arbeit begeistert, sodass er seit 2017 unter dessen Leitung als Chefdramaturg bei der renommierten Filmproduktionsfirma UFA arbeitet.

Was sind die Aufgaben des künstlerischen Leiters der Festspiele?
Im Allgemeinen: Gemeinsam mit dem Intendanten die Übernahmen der Verantwortung für die künstlerische Ausrichtung der Festspiele. Im Konkreten: Die Zusammenstellung der künstlerischen Teams, die Einladung der richtigen Autor:innen und die Suche nach der besten Mischung zwischen Themen und Künstler:innen sowie die Begleitung der Entwicklung des Stückes und der Proben als Dramaturg.

Was schätzen Sie an Worms?
Worms wendet in jeder Hinsicht unglaublich viel Ressourcen und Energie dafür auf, um einmal im Jahr mitten in der Stadt ein riesiges Theater aufzubauen und die Kultur buchstäblich zu ihrem Zentrum zu machen. Diese Liebe und Wertschätzung, die dabei den Künstlern entgegengebracht wird, ist einmalig und setzt jedes Jahr ganz besondere Kräfte frei. Ich kenne keinen Ort, schon gar nicht dieser Größe, der es dabei mit Worms aufnehmen könnte.

Was schätzen Sie weniger an Worms?
Die wirklich bestialischen Mücken bei den Abendproben im Hochsommer.

Warum eine Luther-Inszenierung ohne Luther?
Weil es nicht in erster Linie darum geht, wie der Mensch Luther gelebt hat, sondern darum, was er gesagt hat und was seine Worte bei anderen bewirkt haben und wie sich dadurch die Welt verändert hat.

Gibt es Parallelen zwischen der Zeit um 1521 und dem heutigen Deutschland 2021?
Wir erleben gerade, wie überall in Europa autokratische Strömungen oder Strukturen wieder auf dem Vormarsch sind. Gerade auch in Ungarn, woher ein Großteil unseres künstlerischen Teams und des Ensembles kommt. Es ist gut, sich mit einer Figur wie Luther daran zu erinnern, dass man sich dagegen wehren kann. Wir müssen das nicht hinnehmen, auch wenn es manchmal viel Mut und Durchhaltevermögen braucht, dagegen aufzubegehren.

Corona hat die Kreativbranche schwer getroffen. Welche Lehren / Erkenntnisse beziehen Sie aus der Corona Erfahrung?
Dass man immer darauf vorbereitet sein sollte, dass alles ganz anders kommt, als man es geplant hat. Und dass man sich nicht darauf verlassen sollte, dass einen alle für genauso wichtig und unverzichtbar halten, wie man selbst. Hätte man beides auf dem Schirm gehabt, wären vieleicht viel schneller viel mehr kreative Ideen freigesetzt worden.

Politisch entstand der Eindruck, Kultur ist Luxus und damit verzichtbar. Was ist für Sie die zentrale Bedeutung von Theater?
Ich halte es für eine der größten Tragödien des Theaters, dass es ausgerechnet in dem Moment, in dem es als Ort, an dem darüber diskutiert wird, wie wir als Gesellschaft miteinander leben und umgehen wollen, am meisten gebraucht wurde, zum Schweigen verurteilt war. Aus dem gleichen Grund ist genau jetzt der richtige Moment, dass die Theater wieder öffnen. Es braucht dringend Begegnung und Auseinandersetzung.

Wie würde Ihre Wunsch-Inszenierung der Nibelungen aussehen?
Natürlich ist immer die nächste Inszenierung die Wunsch-Inszenierung. Sonst müssten wir ja aufhören – entweder, weil wir glauben, dass wir es nicht besser können oder weil es nicht noch besser geht.

Welches Buch oder Stück würden Sie gerne mal als Dramaturg bearbeiten und warum?
Ich habe im Moment viel mehr Lust, direkt mit Autor:innen Stücke für das Theater zu erarbeiten. Mich interessiert, was sie über die Gegenwart zu sagen haben, selbst wenn sie sich mit einem alten Stoff beschäftigen. Nicht ohne Grund sind alle Inszenierungen bei den Nibelungen-Festspielen Uraufführungen.

Sie dürfen einen Film mit auf eine einsame Insel nehmen. Welcher wäre das?
Die Streaming-Serie „Ted Lasso“, weil sie eine der besten der letzten Jahre ist und weil der Optimismus von Ted Lasso selbst in ausweglosen Situationen ansteckend ist – und in einem solchen Fall vermutlich lebensrettend.