Anfang Mai soll der Prozess gegen Marcus Held eröffnet werden

Anfang Mai beginnt vor dem Landgericht Mainz der Prozess gegen einen einstigen Shootingstar der SPD, der 2017 nach einem Dossier eines unbekannten Insiders ins Wanken geriet und fortan zum tragischen Held(en) der Partei wurde. Heute spricht man in der Partei nur noch ungerne über den Vorgänger von Dr. David Maier.

Mit 26 Jahren wurde Held bereits Ortsbürgermeister in Oppenheim, neun Jahre später saß er schon als Direktkandidat der SPD für den Wahlkreis 206 im Deutschen Bundestag. Die politische Karriere des Marcus Held schien nur einen Weg zu kennen – und der zeigte steil nach oben. In Oppenheim galt er als großer Macher, der das verschlafene Städtchen während drei Amtszeiten auf Vordermann gebracht hatte. Welchen Preis man dafür zahlen musste, sollte erst viel später ans Tageslicht kommen. Intern war er verschrien als Patriarch, der andere Meinungen nur selten zulässt und politische Entscheidungen am liebsten in privaten Hinterzimmern bespricht. Die einen bewunderten und wählten ihn, die anderen misstrauten ihm. Letztere fühlten sich bestätigt, als Ende Februar 2017 ein mehrseitiges Dossier von einem bis heute unbekannten Insider an die Staatsanwaltschaften Mainz und Koblenz, sowie an verschiedene Zeitungsverlage verschickt wurde und die politische Welt des Marcus Held erschütterte. Darin enthalten waren massive Vorwürfe an den Oppenheimer Bürgermeister im Zusammenhang mit Grundstücksgeschäften der Stadt, unterfüttert mit mehrseitigen Kopien von offiziellen Amtspapieren. Auch an unser Magazin wurden die Unterlagen seinerzeit geschickt. Aufgrund der Brisanz der Informationen entschieden wir uns dafür, zunächst eigene Recherchen anzustellen und stellten schon bald noch mehr Merkwürdigkeiten fest. Derweil ging Held in die Offensive und sprach bei seinem ehemaligen Arbeitgeber, der Allgemeinen Zeitung, vor. Unter der Überschrift „Jemand will mich zerstören!“ berichtete die AZ über die anonymen Vorwürfe gegen den Oppenheimer Bürgermeister, freilich ohne näher auf die Sachverhalte einzugehen, sondern hauptsächlich Helds Sichtweise abzudrucken. Also entschieden wir uns für einen Artikel, in dem die Vorwürfe konkretisiert und mit eigenen Recherchen angefüttert werden sollten. Zudem sollten die von Held in der AZ getätigten Aussagen in den Artikel für unsere April-Ausgabe mit einfließen. Darüber informierten wir Held telefonisch und verabredeten ein ausführliches Interview für die folgende Ausgabe. Umso überraschter waren wir, als drei Tage später ein Schreiben des Medienanwaltes des Axel Springer Verlages bei uns eintrudelte, in dem dieser, im Auftrag von Marcus Held, einen sofortigen Stopp des Drucks unserer April-Ausgabe forderte, dem wir auch zähneknirschend nachkamen. Wenige Tage später legte Held im Radio bei SWR1 verbal nach. Darauf angesprochen, ob man damit nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen habe, antwortete er: „Wer so mit Dreck wirft, muss in einer Demokratie damit rechnen, dass man sich wehrt. Und das habe ich getan!“ Der Rest der Geschichte ist bekannt. Die Staatsanwaltschaft nahm in der Folge ihre Ermittlungen auf, Held musste unter dem öffentlichen Druck als Oppenheimer Bürgermeister zurücktreten, jedoch seinen Posten als Bundestagsabgeordneter wollte er bis heute nicht abgeben, auch wenn ihm die SPD Rheinland-Pfalz zu verstehen gab, dass er keine Zukunft mehr in der Partei habe. Die damaligen Vorwürfe wurden nach mehr als dreijähriger Vorarbeit von der Staatsanwaltschaft als strafrechtlich relevant eingestuft und man wirft Marcus Held Untreue, Betrug, Bestechlichkeit sowie mehrfache Verstöße gegen § 31d Abs.1 ParteiG vor. Den beiden anderen 81 und 83 Jahre alten Angeklagten wird Betrug und Bestechung vorgeworfen. Die 1. Strafkammer des Landgerichts Mainz hat den Prozessbeginn des Strafverfahrens auf den 4. Mai 2021 terminiert.

DIE ANKLAGEPUNKTE

Held soll im Rahmen seiner Tätigkeit als Bürgermeister mit dem Inhaber bzw. Angestellten einer Immobilien-Vermittlungsfirma verabredet haben, dass diese der Stadt Grundstücke zum Kauf anbieten und hierfür eine Maklercourtage erhalten, obwohl bei allen Grundstücken bereits die jeweiligen Eigentümer sowie deren Verkaufsabsichten bekannt gewesen seien. In den Jahren 2013 bis 2015 soll es zu „Andienungsschreiben“ durch die Immobilienmakler über die jeweiligen Grundstücke gegenüber der Stadt gekommen sein, obwohl zu keinem Zeitpunkt Maklerverträge durch die jeweiligen Eigentümer der Grundstücke abgeschlossen worden seien. Es soll in der Folge zum Ankauf von diversen Grundstücken durch die Stadt gekommen sein. Dabei soll der Stadtrat die Zahlung einer Maklercourtage nicht beschlossen haben. Dennoch sei es – aufgrund der Veranlassung Helds – zur Auszahlung von Maklercourtagen in zehn Fällen (insgesamt rund 200.000 €) an die beiden anderen Angeklagten gekommen sein. Darüber hinaus soll Held in seiner Funktion als Bürgermeister 2016 ein Grundstück veräußert haben, ohne den zuvor durch den Stadtrat festgelegten Mindestpreis beachtet zu haben, wobei der Stadt ein Vermögensschaden in Höhe von 15.000 € entstanden sein soll. Des Weiteren sollen sich beiden Angeklagten im Zusammenhang mit der getroffenen Vereinbarung über die Zahlung der Maklercourtagen im Frühjahr 2013 gegenüber Held bereit erklärt haben, 10% der durch die Stadt gezahlten Maklercourtagen als Gegenleistung an den SPD-Ortsverein zur Finanzierung von Helds Bundestagswahlkampf zu zahlen. Hierzu sei es im zwischen 2013 bis 2015 in sechs Fällen zu Zahlungen in Höhe von insgesamt 24.600 € gekommen. Zudem soll Held in den Jahren 2014 bis 2016 die Rechenschaftsberichte des SPD-Ortsvereins unterzeichnet und damit die korrekte Erfassung sämtlicher Einnahmen, Ausgaben und Vermögenswerten bestätigt haben, obwohl er verpflichtet gewesen wäre, stattdessen die von den beiden weiteren Angeklagten gezahlten Spenden nicht anzunehmen oder an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weiterzuleiten. Hierdurch soll dem SPD-Bundesverband ein Vermögensnachteil in Höhe von 73.800 € entstanden sein. Die drei Angeklagten sind nicht vorbestraft und haben sich zu den Vorwürfen teilweise eingelassen.

Die weiteren Folgetermine: 06.05.2021; 11.05.2021; 18.05.2021; 20.05.2021; 01.06.2021; 15.06.2021; 22.06.2021; 24.06.2021; 29.06.2021; 01.07.2021, jeweils 10 Uhr, Saal 201 Landgericht Mainz.