19. August 2017 | Das Wormser Theater:
Theater lebt von Geschichten, und diese leben wiederum von frischen Ideen. Insofern war es nur konsequent, als man mit dem Wechsel von Dieter Wedel zu Nico Hofmann einen Autorenwettbewerb für Nachwuchsautoren ausrief. Im ersten Jahr gewann die Österreicherin Irene Diwiak mit ihrem originellen Nibelungen-Stück „Die Isländerin“, das auch in diesem Jahr im Lincoln erneut aufgeführt wurde. Zudem wurden im Jahr 2017 aufgrund der hohen Qualität gleich drei Preise vergeben.
Die Szenerie war schlicht. Fünf schmucklose Tische, die sich im Halbdunkel der Theaterbühne gerade noch von der düsteren Umgebung abhoben. Mehr war aber auch nicht nötig. Schließlich ging es hier um das geschriebene Wort. Und von dem machten einige Autoren Gebrauch. Insgesamt 37 Texte wurden eingereicht. Der vorgegebene Themenschwerpunkt war das zentrale Thema des Nibelungenliedes, die Rache. Fünf Texte wurden schließlich von der fünfköpfigen Jury (Autor Albert Ostermaier, Dramaturg Thomas Laue, Theaterkritiker Jürgen Berger, Theaterregisseur Burkhard Kosminski und Lektorin Bettina Walther) ausgewählt. Die bestimmten auch den Sieger, während das anwesende Publikum einen Publikumspreis vergeben durfte. Von fünf jungen Schauspielern, die auch gleichzeitig in der Inszenierung „Die Isländerin“ spielten, wurden die eingereichten Szenen mitreißend dargeboten, weshalb der Titel „Szenische Lesung“ mehr als gerecht war. Die Szenen dauerten rund 15 Minuten und belegten, wie originell und unterschiedlich man den Stoff beleuchten kann, ohne andere zeithistorische Ereignisse zu bemühen. Unter dem Titel „Hagen sagt“ siedelte der studierte Germanist Tobias Steinfeld die Burgunder-Sippe im Industriellen Milieu an, deren Ziel es ist, eine ökologisch wertvolle Supertechnik zu etablieren. Ganz im Sinne der Nibelungen endet das natürlich gar nicht gut. Gesellschaftlich in einer ganz anderen Richtung angesiedelt, ist die mit „Q-Rage“ betitelte Geschichte von Annabella Gmeiner. In der Welt von Hartz IV und Kriminalität erzählt sie im tragikomischen Stil ihre Geschichte im Setting einer abgerissenen Bar, in der Alberich / Albert eine Drogenküche betreibt. Ein gutes Ende ist ihm natürlich nicht beschieden. Aufgrund der hohen Qualität der Texte entschied sich die Jury erstmals, zusätzlich zu dem Hauptpreis, einen mit 2.000 Euro dotierten Förderpreis zu vergeben. Den erhielt Judith Grytzka. In deren Stück wird Kriemhild zum titelgebenden „Blut.Engel“, die nach dem Tod ihrer Sippe im Frauengefängnis landet. Dort freundet sie sich mit zwei weiteren Frauen, einer Politaktivistin und einer Kindsmörderin, an. Frech im Ton, provokant in der Erzählung, begeisterte die Jungschreiberin mit einem absolut originellen Ansatz, sodass sie das Publikum ebenso für sich gewann. Gleich viel Stimmen erhielt allerdings auch Tobias Steinfelds Szene. Der Publikumspreis ist gleichfalls mit 2.000 Euro dotiert. Der stellvertretende Vorsitzende, Dr. Ulrich Oelschläger, konnte bei der Prämierung allerdings noch keine Zusage machen, ob sich eine Aufstockung machen ließe. Den Hauptpreis, ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro, gewann der Bregenzer Maximilian Lang mit dem Stück „Last Exit: Hunnenland“. Lang siedelt seine Geschichte im uns bekannten Nibelungen-Universum an und spielt kurz vor dem apokalyptischen Finale. Kurzbegründung der Jury: „Das Stück ist eine Art „High Noon“ mit einer Kriemhild, bei der zwölf Uhr mittags schon längst vorbei ist“. Langs Kriemhild „hat Übung im Warten, im Vergeben nicht“.
Fazit: Es war mal wieder spannend und erfrischend zu hören, was im Rache-Kosmos der Burgunder- Sippe alles möglich ist. Man darf gespannt sein auf die mögliche Aufführung von „Last Exit: Hunnenland“ im nächsten Jahr.