Mit Jürgen Neureuther und Sabine Sackreuther stehen zwei aktuelle Stadtratsmitglieder auf den beiden vorderen Listenplätzen der Wormser FDP. Alfred Koch, Christian Götz (28 J.), Albert Waibel und der 23-jährige Sebastian Buscher folgen auf den weiteren Listenplätzen. Über die Kandidatenliste und die bevorstehende Kommunalwahl haben wir uns mit Fraktionschef Jürgen Neureuther unterhalten.

WO! Wie beurteilen Sie das Ergebnis der OB-Wahl im November 2018 aus Sicht der Wormser Liberalen? Wie stufen Sie das Ergebnis Ihrer Kandidatin Ricarda Artelt ein?
Das Ergebnis war mit 6,7 % ganz ordentlich. Ricarda hatte es gegenüber ihren Mitbewerbern ja auch nicht ganz einfach, da sie als Außenstehende nicht so viel Insiderwissen wie ihre Konkurrenten haben konnte. Wir hätten Ricarda weiterhin viel früher nominieren müssen, um sie einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen. Vor dem Hintergrund des harten Wettbewerbs – mit zwei Outperformern aus den Reihen der ehemals „kleineren Parteien“ Englert (unterstützt von der FWG) mit 20,5 % und Grünewald (Grüne) mit 19 % – war das Ergebnis unterm Strich ganz in Ordnung, stellte es doch eine Steigerung gegenüber der letzten Stadtratswahl sowie der Landtagswahl dar. Wir konnten immerhin die liberale Kernwählerschaft für uns mobilisieren. So wie Sie es übrigens im WO!-Magazin in ihrer Wahlprognose vorhergesagt haben.

WO! Wie war Ihre bisherige Zusammenarbeit mit Adolf Kessel und was erwarten Sie vom zukünftigen Oberbürgermeister?
Die bisherige Zusammenarbeit mit Adolf Kessel war sehr gut. Wir sind beide 1999 gemeinsam erstmals in den Wormser Stadtrat gewählt worden. Er ist total authentisch und ohne jegliche (Star-)Allüren. Wir erwarten von ihm eine Stärkung der Gewaltenteilung, d. h. dass der Stadtrat wieder als gesetzgebende Gewalt seitens der Verwaltung wahrgenommen wird. Dies war in der Vergangenheit nicht immer so, siehe z. B. Beschluss zum Neubau der ELO-Turnhalle am seitherigen Standort in der Brucknerstraße vom Dezember 2010!

WO! Die Kandidatenliste der FDP für die Kommunalwahl enthält neben bekannten Gesichtern, wie Sie oder Sabine Sackreuther, auch jede Menge neue und junge Namen auf den vorderen Plätzen. Sind Sie als Parteichef mit der Kandidatenliste zufrieden?
Ich bin mit der Kandidatenliste mehr als zufrieden. Auf den ersten 10 Plätzen finden sich vier Junge Liberale sowie drei Frauen. Neben Angestellten und Studenten kandidieren auch zwei Unternehmer sowie ein Landwirt. Wir haben auf unserer Liste alle relevanten Berufsgruppen vertreten. Ein klassischliberaler Querschnitt der Wormser Gesellschaft. Außerdem kommen wir im Gegensatz zu den Grünen ohne Mehrfachbenennungen aus. Jeder unserer Kandidaten hat somit faktisch dieselbe Chance, in den Stadtrat gewählt zu werden.

WO! Die FDP ist derzeit mit drei Sitzen im Wormser Stadtrat vertreten, zukünftig sollen es fünf werden. Woher nehmen Sie diesen Optimismus?
Bei der letzten Kommunalwahl errang die Wormser FDP mit 6,24 % drei Sitze im Stadtrat. Damit waren wir gerade einmal 0,5 %-Punkte vom vierten Mandat entfernt. Bei der parallel dazu stattfindenden Europawahl kam die FDP auf 3,4 % im Bundesdurchschnitt. Derzeit liegen wir im Bundesdurchschnitt bei den Umfragen stabil über 9 Prozent. Sollten wir nur in etwa an das bundesweite Europawahlergebnis der FDP bei der Stadtratswahl herankommen, holen wir locker 5 Mandate. Hierzu wären nach meinen Schätzungen etwa 8,8 bis 9 Prozent der gültigen Stimmen nötig. Dies halte ich durchaus für machbar. Zur Erinnerung 2009 hatten wir bei der Stadtratswahl 10,5 % der Stimmen gewonnen.

WO! Das größte Problem der Stadt Worms ist ihre Verschuldung. Wo sehen Sie Einsparpotential im städtischen Haushalt?
Insgesamt betragen die Kosten für Personal- und Versorgungsaufwendungen im Haushaltsjahr 2019 gut 69,5 Mio. €. Allein gegenüber dem Vorjahr stellt dies einen Mehraufwand von 4,6 Mio. € dar. Ein glaubhafter Einstieg in die Reduzierung der Nettoneuverschuldung kann nur erzielt werden, wenn die Stadt endlich anfängt, bei sich selber zu sparen. Hier ist Vorbildfunktion gefragt. Dies ist über Wiederbesetzungssperren von einem halbem Jahr ggf. auch von neun Monaten zu erreichen. Auch sollten wir einige der städtischen Gesellschaften auf den Prüfstand stellen. Hier könnte durch Zusammenlegungen auch Einiges an Overheadkosten eingespart werden. Desweiteren spricht sich die FDP für eine Schließung des Nibelungenmuseums aus, auch wenn dies im vergangenen Jahr während der Haushaltsberatungen nicht erneut gefordert wurde. Im Haushalt für das Jahr 2019 sind bei den freiwilligen Leistungen der Stadt, die ohnehin sehr kritisch seitens der ADD gesehen werden, alleine für das Nibelungenmuseum 700.000 € vorgesehen. Gegenüber 2017 entspricht dies einer Steigerung von sage und schreibe 140.000 €. Sie sehen, hier ist einiges an Einsparpotenzial zu finden.

WO! Gewerbeflächen sind rar in der Stadt. Wie will die FDP die Wirtschaft in Worms voranbringen?
Für die Zukunft ist es noch wichtiger als bisher, aktive Wirtschaftsförderung nach dem Prinzip Qualität vor Quantität zu betreiben. Da es immer schwieriger wird, neue Gewerbeflächen zu finden, ist es wichtig, auf vorhandene Gewerbebrachen wie das Salamandergelände zurück zu greifen. Auf keinem Fall darf dieses Filetstück im Wormser Südwesten als Ansiedelungsfläche für THW, Feuerwehr und EBWO verschleudert werden. Hier sollte in Zusammenarbeit mit der Hochschule versucht werden, innovative Start-up- bzw. Technologieunternehmen anzusiedeln. Die Gewerbesteuerstatistik des Jahres 2017 weist außerdem aus, dass alleine 10 Unternehmen eine Gewerbesteuer von mehr als 1 Mio. € zahlen und damit einen sehr hohen Anteil des gesamten Gewerbesteueraufkommens beisteuern. Hier ist es nach Auffassung der FDP sinnvoll, als Maßnahme der Bestandspflege den Hebesatz bei der Gewerbesteuer um 10 %-Punkte auf dann 410 % zu senken. Auch die Höhe des Hebesatzes der Gewerbesteuer spielt neben anderen Faktoren eine Rolle bei der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes. Vergegenwärtigen wir uns, dass der Hebesatz bei der Gewerbesteuer seitens der Stadt zweimal innerhalb eines sehr kurzen Zeitraums (in 2012 und in 2015) angehoben wurde.

WO! In Worms sind aktuell knapp 64.000 Autos angemeldet, was zunehmend – auch aufgrund von Baustellen – zu einem Verkehrskollaps und Parkproblemen führt. Wie sieht für Sie das Verkehrskonzept der Zukunft aus?
Eine lebenswerte Innenstadt hängt direkt mit einem prosperierenden Einzelhandel zusammen. Dieser kann aber nur prosperieren, wenn auch die Kunden den Weg zu diesem finden. Hierbei stellen günstige und vor allem leicht erreichbare Parkplätze einen entscheidenden Standortfaktor im Wettbewerb der Städte dar. Daneben brauchen wir ein besseres Baustellenmanagement. Es ist doch geradezu fatal, Ende Oktober die Kreuzung Kriemhildenstraße/Lutherring für eine große Baumaßnahme zu sperren, um dann ab Mitte Dezember eine vierwöchige Weihnachtspause zu machen, in der alle Arbeiten ruhen. Hier wäre es besser gewesen, erst ab Ende Januar mit der Baumaßnahme zu beginnen, wenn der strengste Frost vorbei ist. Insgesamt kann die Bauzeit von größeren Baumaßnahmen dadurch verkürzt werden, dass mit Doppelschichten zwischen 7 und 21 Uhr gebaut wird. Auch an Samstagen wäre es kein Problem, an den Baustellen bis 14 Uhr zu bauen, anstatt freitags um diese Uhrzeit schon den Hammer fallen zu lassen. Dies ist alles eine Sache der Ausschreibung. Eine Entlastung der Innenstadt erwartet sich die FDP von der Südumgehung Worms (B47 neu), die den Verkehr an der Innenstadt vorbei leiten wird. Als nächste strategische Maßnahme gilt es, an der B9 (Ostumfahrung) das zweistreifige Nadelöhr Eisenbahnunterführung bei McDonald endlich in Angriff zu nehmen. Generell sprechen wir Liberale uns für ein gleichberechtigtes Miteinander aller Verkehrsträger aus. Zur Reduzierung der CO2-Belastung sollten alle Fahrzeuge des straßengebundenen ÖPNV auf Elektrotechnik umgestellt werden. Um das Umsteigen der Fernpendler auf öffentliche Verkehrsmittel zu erleichtern, brauchen wir schnellstmöglich eine direkte Schienenverbindung nach Frankfurt durch das hessische Ried, wie dies bis vor ein paar Jahren schon mal der Fall war.

WO! Das Thema Sicherheit war bei der OB-Wahl sehr präsent. Welche Strategien hat die FDP gegen das wachsende Unsicherheitsgefühl der Bürger?
Sicherheit und Sauberkeit stellen ein zentrales Anliegen der Wormser Freidemokraten dar. Alle Wormser Bürger sollen ihr Leben ohne Furcht vor Kriminalität in allen Teilen unserer Stadt gestalten können. Besorgniserregend ist der dem Bundestrend folgende, starke Anstieg der Wohnungseinbruchdelikte. Das beeinträchtigte Sicherheitsempfinden der Bürger muss durch den vermehrten Einsatz von Fußstreifen auch des Kontroll- und Ordnungsdienstes, Sicherheitspatrouillen der Bundespolizei im Hauptbahnhof und dessen Umfeld sowie durch bessere Ausleuchtung neuralgischer Punkte verbessert werden. Auch die Videoüberwachung öffentlicher Plätze sollte nicht länger ein Tabu sein. Die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie eine saubere, ansprechende Umgebung stellen einen entscheidenden Standortfaktor für die Einkaufs-, Festspiel- und Tourismusstadt Worms dar.

WO! Kurz und knackig: Mit welchen Kernthemen zieht die FDP in die Kommunalwahl?
Keine autofreie Innenstadt; kein weiterer Rückbau (Verlust) an Parkplätzen; für eine Senkung des Hebesatzes der Gewerbesteuer um 10 %-Punkte; für ein sicheres und sauberes Worms durch einen erhöhten Einsatz von Polizeibeamten im Kontrolldienst in Form von Fuß- bzw. Fahrradstreifen; Anliegerbeiträge bei Straßenbaumaßnahmen endlich abschaffen; Stärkung des Wirtschafts- und Bildungsstandortes Worms durch Implementierung eines Wirtschaftsgymnasiums an der BBS Wirtschaft ; Stärkung der Innenstadt als attraktive Einkaufs- und Tourismusstadt.

WO! Abschließend: Wie lautet Ihre Prognose für die Kommunalwahl? Mit welchen Parteien könnten Sie sich vorstellen, anschließend zusammen zu arbeiten?
Mir steht es als Kommunalpolitiker, der in Worms keine Befragungen mit Mitteln der empirischen Sozialforschung durchführen kann, nicht an, über die bei der Stadtratswahl antretenden Parteien und Wählergruppen irgendwelche Prognosen abzugeben. Das überlasse ich lieber der politischen Presse, die ggf. über andere Informationskanäle verfügt. Fünf Sitze für die Liste der FDP sind ein realistisches Ziel, zumal wir uns als einzige Partei strikt gegen eine autofreie Innenstadt ausgesprochen haben. Eine Koalition gegen den neuen Oberbürgermeister Adolf Kessel darf es definitiv nicht geben. Hierfür wird die Wormser FDP auch in keinem Falle zur Verfügung stehen! Er braucht jetzt eine politische Konstellation, die ihm im Stadtrat Rückenwind für seine Vorhaben verschafft. Auf Grund der programmatischen Schnittmengen in den Bereichen der inneren Sicherheit, der Wirtschafts- und vor allem auch der Bildungspolitik sehe ich die CDU als den Partner an, mit dem wir am ehesten unsere Ziele umsetzen können. Die Freien Wähler könnte ich mir auf Grund der guten inhaltlichen Zusammenarbeit sehr gut als weiteren Partner im Rahmen einer bürgerlichen Koalition vorstellen.