19. Juni 2015, Weckerlingplatz
Jugendherberge Worms:
Wo! Urteil: ??????
Wenn man den Namen Till Brönner hört, denkt man zuerst an den smarten Star Trompeter, der keine Gelegenheit auslässt sich publikumswirksam in Szene zu setzen. Es ist dann auch nicht verwunderlich, dass in seinem Karriereplan irgendwann auch mal ein publikumswirksames Album mit weltbekannten Filmmelodien auftauchte, wie zuletzt. Während die Kritiker sich eher verhalten äußerten, waren hingegen die Albumverkäufe mehr als ordentlich.
Insofern war auch beim WO! Kritiker die Skepsis groß, während beim zahlreich anwesenden Publikum die Neugier überwog. Zahlreich heißt, dass selten zuvor die Menschen so dicht gedrängt auf dem Weckerlingplatz versammelt standen. Schon knapp eine halbe Stunde vor Beginn des Konzertes war ein Durchkommen kaum mehr möglich. Und das, obwohl sich das Wetter zuvor von seiner zickigen Seite gezeigt hatte. Kurz nach halb zehn betrat der eloquente Musiker mit vier Musikern im Schlepptau die Bühne. Doch entgegen der Befürchtung, der Star würde sich auch auf der Bühne als Star in Szene setzen, machte er schnell durch Taten klar, dass er sich als Teil des Quintetts sieht und nicht als deren Bandleader. Immer wieder nahm er sich zurück, tauschte die Trompete gegen Rasselinstrumente und unterstützte die Musiker rhythmisch. Diese nutzten den geschaffenen Freiraum und unterstrichen, dass sich der 44-jährige Musiker mit virtuosen Klangschöpfern umgibt, die mit ihm auf Augenhöhe musizieren. Besonders deutlich wurde dies, wenn Brönner sich mit Saxofonist und Flötist Magnus Lindgren gegenseitig die Töne zuspielte und sich daraus ein perfektes Wechselspiel entwickelte. Nicht minder virtuos fiel Jasper Sofers Pianospiel, das mal sanft, mal rhythmisch betont groovte, während David „Fingers“ Haynes am Schlagzeug und Christian von Kaphengst am Bass das perfekte Fundament schufen, auf dem diese Musiker ihr lustvolles Spiel entfalten konnten. Klarer Mittelpunkt war dennoch Til Brönner, der mit seinem samtenen, gefühlvollen Trompetenspiel einen Hauch von Schwüle auf den für diese Jahreszeit ein wenig zu kühlen Weckerlingplatz zauberte. Der Ton des Abends wechselte zwischen romantisch verklärten Balladen, wie zum Beispiel dem Stück „A distant episode“ aus der Feder des Meisters und Rhythmus betontem Jazz, der sich auch mal in einen Bossanova verwandelte. Da zum Tanzen allerdings kein Platz war, blieb einem nur ein fröhliches Beinwippen übrig. Wer avantgardistisch anmutende Klangexperimente erwartete, kam hingegen weniger auf seine Kosten. Das konnte man allerding an solch einem Abend nun wirklich nicht erwarten. Till Brönner hingegen bewies, dass er nicht nur ein äußerst fähiger Startrompeter ist, sondern auch ein hervorragender Bandplayer. Ach so, und das Wetter zeigte sich bei aller Launenhaftigkeit an diesem Tag ab Beginn des Auftritts äußerst gnädig.
Bevor das Till Brönner Quintett das offizielle Eröffnungskonzert spielte, gab es in diesem Jahr erstmals auch ein Konzert auf der Renolit Bühne vor der Jugendherberge. Die Ehre, die ersten bei dieser Neuerung zu sein, wurde dem Duo Bender und Schilinger zuteil. Knapp eine dreiviertel Stunde lang begeisterten die beiden Musiker das Publikum. Diese Begeisterung sollte auch noch einige Tage anhalten. Denn wer dabei war, zeigte sich auch noch an Tag zwei und drei des Festivals von diesem Duo nachhaltig beeindruckt. Zwei Musiker, die zuweilen wie ein Orchester klingen, ist an sich, in Zeiten der weitverbreiteten Looptechnik, nichts Neues mehr. Doch wenn dieses auf der Bühne gar nicht vertreten ist und dieses Klangspektrum ausschließlich durch „echte“ Instrumente geschaffen wird, kann man nur noch sagen: „Hut ab!“ Ironisch bemerkte Sänger und Gitarrist Tom Schilinger in diesem Zusammenhang über seine Partnerin Linda Bender, dass, wenn irgendwo ein Instrument steht, sie es unbedingt spielen muss. Ihr Instrumentarium umfasste Gitarre, Schlagzeug, Marimba, Keyboards und Gesang, und das zum Teil innerhalb eines Songs! Zusätzlich zu dieser fast schon unheimlich anmutenden Virtuosität, überzeugte auch das Songmaterial. Zwischen hymnisch, balladesk, rockig und ein wenig Folk und Country loteten die beiden die Möglichkeiten im modernen Popuniversum aus. Und die scheinen schier unendlich zu sein.
Fazit: Sehr gelungener Start der Geburtstagsauflage des Wormser Jazz und Joy Festivals. Während das Duo Bender und Schillinger vor der Jugendherberge bewies, dass man auch zu zweit eine komplette Band sein kann, unterstrich Till Brönner auf dem Weckerlingplatz, dass er sich durchaus in den Dienst einer Band stellen kann.