Worms startet in das Jubiläumsjahr „Luther Worms 1521“

Es hätte eigentlich ein rauschendes Festwochenende geben sollen. Seit Jahren bereiteten sich die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) sowie die Stadt Worms auf das Jubiläum 500 Jahre Reformation vor, doch dann kam Corona. Statt feiernde Menschen in den Straßen von Worms gab es nun einen digitalen Festakt, multimediale Luther-Momente und einen ökumenischen Gottesdienst im Schatten von Corona-Gedenken und Corona-Demonstranten.

Freudlos statt festlich

Die Eröffnung dieses Wochenendes sollte freitags Luthers Einzug in Worms gehören, den man mit Publikum vor Ort an der Martinspforte nachspielen wollte. Dieser wurde aufgrund der Corona-Maßnahmen ersatzlos gestrichen. Wie üblich bei gewichtigen Jubiläen plante man zudem, jede Menge Gäste aus der Politik und anderen Branchen im Städtischen Spiel- und Festhaus zu empfangen. Auf der Gästeliste standen unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Festspiel Intendant Nico Hofmann. Da zwischenzeitlich die Ausgangssperre das Zeitfenster diktiert und Kontaktbeschränkungen einen Theaterbetrieb unmöglich machen, organisierte man gemeinsam mit dem SWR die Eröffnung dieses Wochenendes als digitale Veranstaltung, bei der Steinmeier und Hofmann per Videogruß zugeschaltet wurden. Leider hatte man vergessen, dem Festakt auch einen festlichen Rahmen zu verpassen. Eine dunkle Bühne mit Menschen in dunkler Kleidung, die mit gedämpfter Stimme Ehrfürchtiges über Luther sprachen, verliehen dem Festakt unfreiwillig einen Hauch von Tragik. Inhaltlich würdigte man immer wieder „Luthers Stunde des Gewissens“ (Steinmeier) und betonte mehrfach, wie wichtig es ist, für Überzeugungen einzustehen. Ministerpräsidentin Malu Dreyer war es dabei wichtig, in ihrer Videoansprache zu betonen, dass dies ausdrücklich nicht für Corona-Kritik gelte („Da geht es nicht um Gewissensfragen. Ich beziehe das eher auf die Frage nach dem Umgang mit Flüchtlingen und ähnliches.“).

Ein Lichtspektakel für Luther

Deutlich unterhaltsamer fiel samstags die multimediale Inszenierung „Der Luther-Moment“ aus. Lediglich die Entscheidung, dass diese Veranstaltung weit nach Beginn der Ausgangssperre stattfand (23 Uhr), stieß bei einigen Wormsern auf Unmut. Dennoch muss man festhalten, dass „Der Luther-Moment“ für Worms ein Glücksfall war und dieser – im Gegensatz zum glanzlosen Festakt – die Lutherstadt Worms bzw. die Dreifaltigkeitskirche im wahrsten Sinne des Wortes in würdigem Licht erstrahlen ließ. Natürlich wäre das Spektakel aus Licht und Ton vor Ort mit rund 3.000 eingeplanten Zuschauern ein deutlich anderes Erlebnis geworden, so musste man sich mit einer Live Übertragung begnügen. Aber auch als TV-Spektakel sorgte die rund einstündige Inszenierung für beeindruckende Momente. Inhaltlich ging es selbstverständlich um Luthers Thesen und die Folgen vor dem Wormser Reichstag. In einer etwas pathetischen Inszenierung verwies man am Ende zudem auf Menschen, die im Sinne von „Gewissen und Protest“ für eben jene Luther Momente stehen. Für Verwunderung sorgte in diesem Kontext der zweimalige Werbeauftritt des Wormser Geschäftsmannes Pietro Vannini. Der bekam vom gebührenfinanzierten SWR gleich zweimal die Möglichkeit, sein Luther Eis zu promoten. Schade, dass der SWR nicht auch anderen Wormser Lutherprodukten, wie dem Lutherbrot von Kaisers Feinkost, eine kostenlose Werbefläche bot.

Kleine Luther Momente in Worms

Da Luthers Entscheidungen maßgebliche Folgen für die Entwicklung der Kirche hatten, kam es, dass auch der Mönch Luther mit einem Fernsehgottesdienst bedacht wurde. Ausgestrahlt vom ZDF, führte die junge Vikarin Franziska Schwarz durch den gesamten Gottesdienst, an dem auch Kirchenpräsident Volker Jung, Dekanin Jutta Herbert und Präses Ulrich Oelschläger mitwirkten. Volker Jung protestierte bei dem Gottesdienst deutlich gegen die Vereinnahmung Martin Luthers durch „Querdenker“ und „Corona-Leugner“. Genau diese Gruppen marschierten am selben Tag vor dem Luther Denkmal auf, um einmal mehr gegen die aktuelle Corona Politik zu protestieren. Angemeldet wurden ursprünglich zwei „Gottesdienste“ (ein weiterer war im Albert-Schulte-Park geplant) mit rund 750 Teilnehmern. Beide wurden aufgrund der geltenden Verordnungen und Allgemeinverfügung untersagt, dennoch fand sich ein kleiner Teil (ca. 50 Personen) Protestierender in Worms ein. Für positive Aufmerksamkeit sorgte Thomas Lebkücher, Leiter der Polizeiinspektion Worms, mit seiner Ansprache an die Demonstranten. Aufgenommen von zahlreichen Handys verbreitete sich die sympathisch, entspannte Ansprache des gebürtigen Wormsers schnell im Netz. Dort erntete er mit seiner Rede über christliche Nächstenliebe und die Bedeutung von Grundrechten viel Zuspruch. Zugleich sorgte er mit seinem beherzten Auftritt für einen kleinen Luther Moment. Dieser wird zwar nicht die Welt verändern, aber vielleicht den ein oder anderen verqueren Gedanken wieder in eine andere Richtung lenken.