Es war ein Wochenende ganz im Zeichen der Tradition. Nachdem im vergangenen Jahr ein „Backfischfest light“ ganz ohne Rahmenprogramm gefeiert wurde, kehrte es in diesem Jahr in seiner vollen Pracht zurück, auch wenn die derzeitigen Entwicklungen am Backfischfest nicht spurlos vorüber gehen.

Wenn man die zahlreichen Veranstaltungen rund um die Kisselwiese weglässt, ist das Backfischfest eigentlich ein greller, stets lauter Rum- mel, gepaart mit einem Hauch von Tradition. Auf dem Festplatz erinnert nur noch wenig, wie die Fischbraterei mit ihren Deko Fischernetzen, an die einst stolze Fischerzunft in Worms. Die Tradition findet man eher außerhalb und die beginnt auf dem Marktplatz. Dort konnte erstmals nach zwei Jahren Corona Pause wieder die Eröffnung, gemeinsam mit zahlreichen gut gelaunten Zuschauern, gefeiert werden. Das bunte Treiben im Schatten des Rathauses folgt über Jahrzehnte hinweg einem strengen Protokoll. Und so kam es, wie es seit Jahrzehnten immer wieder passiert. Der Oberbürgermeister übergab dem Bojemääschter vun de Fischerwääd symbolisch den Stadtschlüssel für neun Tage, die Ledertänzer ließen kraftvoll die Lederfelle klatschen, man sprach, sang und eröffnete schließlich mit einem dreifach donnernden „Ahoi!“ das 88. Wormser Backfischfest, das nunmehr seinen 90. Geburts- tag noch bis zum 4. September feiert. Durch die Fußgängerzone ging es weiter Richtung Festplatz, genau genommen zum Wonnegauer Weinkeller, der bei der Corona Auflage im vergangenen Jahr ebenfalls nicht dabei war. Zunächst war es aber spannend zu beobachten, wie begeistert der Tross aus Fanfarencorps, Oberbürgermeister, Gesellentänzern und Fischerwäädern von den Flaneuren in der Kämmererstraße aufgenommen wurde. Da ließ es sich auch ein stadt- bekannter Obdachloser nicht nehmen und jubelte begeistert. Zahlreiche Handys wurden gezückt, egal ob Ur-Wormser oder nicht, um den eigenwilligen Marsch zu dokumentieren.

Zwischenzeitlich strömten zahlreiche Menschen auf die Kisselswiese. Statt Impfbuchcheck am Eingang gab es lediglich einen Hand- taschenblick und dem grenzenlosen, gänzlich maskenfreien Vergnügen stand nichts mehr im Weg; außer vielleicht die Preise, denn die sind stellenweise ordentlich gestiegen. Sind die üblichen Genüsse vom Grill noch im ebenso üblichen Preisrahmen, sieht das beim Weingenuss schon anders aus. Im Wonnegauer Weinkeller gab es nicht wenige, die nach einem Blick in die Weinkarte überrascht waren, da die Preise um satte 5 Euro nach oben geklettert sind. In Zahlen heißt das, 17 statt 12 Euro für die günstigste Weinflasche. Sozusagen die Inflation erlebbar gemacht im Glas. Die Steigerung ist durchaus nachvollziehbar, zunehmende Ausgaben im Bereich Sicherheit schlagen genauso zu Buche wie Preissteigerungen in zahlreichen anderen Be- reichen rund um die Produktion der edlen Tropfen. Spannend wird am Ende der neun Tage die Frage sein, ob sich die gestiegenen Preise mit der derzeitigen wirtschaftlichen Entwicklung der Portemonnaies vertragen haben. Dem Zuspruch am ersten Wochenende tat dies zumindest rein quantitativ keinen Abbruch, denn es war voll. Gut besucht war auch der Backfischfestumzug am Sonntag. Man merkte den Menschen an, dass sie einfach Lust hatten, gemeinsam eng an eng die Wormser Straßen zu säumen, um den Teilnehmern des 71 Zugnummern umfassenden Umzugs entgegenzujubeln. Die Laune war gut, dennoch gab es auch Kritik unter den Zuschauern. Zu wenig liebevoll gestaltete Zugnummern und teilweise waren manche Wagen unangenehm laut. Tatsächlich konnte man sich bei einigen Teilnehmern nicht des Eindrucks erwehren, dass diese den Traditionsumzug mit einer kleinen Love Parade verwechselten und die Innenstadt mit überambitioniertem Bass zum Beben brachten.

 

FAZIT: Es tat gut, wieder einmal das Eröffnungswochenende des Backfischfests erleben zu dürfen, auch wenn der ein oder andere Programmpunkt etwas in die Jahre gekommen ist. Die Sehnsucht der Menschen, uneingeschränkt Freiheit erleben zu dürfen, ehe im Herbst erneut einzelne Corona Maßnahmen das Leben beeinflussen werden, war in der bestens gefüllten Innenstadt geradezu greifbar.

 

Text und Fotos: Dennis Dirigo