Das Coronavirus ist zurück in Deutschland. Waren die Zahlen im Juni und Juli noch konstant niedrig, ist die Anzahl der positiven SARS-CoV-2-Testungen im August wieder sprunghaft angestiegen. Warum das so ist und was die vom Robert-Koch-Institut entwickelten PCR-Tests mit den gestiegenen Fallzahlen zu tun haben, erfahren Sie bei diesem Versuch der Relativierung, warum wir uns immer noch nicht in einer zweiten Welle befinden.
Im letzten Monat habe ich Sie an dieser Stelle versucht zu beruhigen, dass wir von einer zweiten Welle noch weit entfernt sind. Dann sind im August die Fallzahlen angestiegen und die Zahl der täglichen Infizierten lag erstmals wieder im vierstelligen Bereich. Der Grund ist ganz einfach: Die Anzahl der SARS-CoV-2-Testungen in Deutschland hat in den letzten vier Wochen deutlich zugenommen. Ob in Behörden, Fleischfabriken oder Sportvereinen – mittlerweile wird in einem deutlichen größeren Stil getestet als noch zu Beginn der Pandemie, als nur die getestet wurden, die auch Krankheitssymptome aufwiesen. Vom Prinzip spürt man anhand größerer Testungen der oft zitierten Dunkelziffer nach, also Leuten, die zwar infiziert sind, aber keine Krankheitssymptome aufweisen. Dafür spricht, dass zwar die Anzahl der Infizierten zunimmt, aber die Krankenhausbetten – glücklicherweise – leer bleiben. Um zu erkennen, ob das Coronavirus harmloser geworden ist, so wie der Virologe Ulf Dittmer von der Uni Essen mutmaßt, lohnt sich ein Blick auf die schweren Verläufe und Todesfälle. Mit Stand 19.08.2020 wurden an Deutschlands knapp 1.300 Klinikstandorten 228 Menschen, die an COVID-19 erkrankt waren, intensivmedizinisch betreut. Das heißt, in ungefähr jeder sechsten Klinik lag ein COVID-19-Patient. Von Horrorszenarien mit überfüllten Krankenbetten sind wir also noch weit entfernt. Auch die tägliche Anzahl an Toten blieb, trotz vieler Neuinfektionen im letzten Monat, in einem konstant niedrigen einstelligen Bereich. Ungefähr ein Viertel dieser Personen versterben mit einem durchschnittlichen Alter von 81 Jahren, was bestätigt, was wir schon länger wissen: Die schweren Verläufe betreffen in erster Linie ältere Menschen mit Vorerkrankungen.
Mehr Tests – mehr Infizierte?
Mitten in der Pandemie, Ende März, wurden in der 14. Kalenderwoche von 408.348 Personen insgesamt 36.885 positiv getestet, also fast jeder Zehnte war positiv (9,03%). Diese hohe Zahl erklärt sich dadurch, dass eben nur bei den Personen mit Krankheitssymptomen ein Corona Test durchgeführt wurde. Dagegen waren die Zahlen zehn Wochen später, in der 24. KW, bereits deutlich moderater. Obwohl eine ähnliche hohe Anzahl an Testungen durchgeführt wurde (326.645), waren nur noch 2.816 Personen positiv, was einer Positivenrate von 0,86% entspricht. Vom Prinzip war das Virus Anfang Juni eingeschlafen und erst zwei Monate später wieder vermehrt aufgetaucht, allerdings nur, weil die Testkapazitäten deutlich nach oben gefahren wurden. In der 33. KW, also Mitte August, wurden wöchentlich bereits 875.524 Personen getestet, also fast drei Mal so viele wie Anfang Juni, von denen 8.407 positiv waren, während die Positivenrate nahezu identisch geblieben ist (0,96%). Kurz gesagt: Im abgelaufenen Monat August war im Schnitt von 100 getesteten Personen eine positiv. Es besteht also nach wie vor kein Grund zur Panik, geschweige denn, dass man von einer zweiten Welle sprechen könnte, zumal die Anzahl der positiven Tests Mitte August (8.407 /33.KW) deutlich niedriger war als Ende März, als die Zahl der Infizierten in Deutschland ihren Höchststand erreichte (36.885 / 14.KW). Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass aktuell fast jeder zweite positive Test bei Reiserückkehrern, nicht wenige davon aus Risikogebieten, anfällt.
PCR Tests stehen in der Kritik
Bei alldem verlassen wir uns auf die vom Robert-Koch-Institut entwickelten PCR-Tests, die zunehmend in der öffentlichen Kritik stehen. Zum Thema „Probenahme und Genauigkeit“ der Coronatests ist im ÄRZTEBLATT folgendes zu lesen:
„RT-PCR-Tests weisen virale RNA nach. Für die operative Zuverlässigkeit des Tests selbst sind die Sensitivität und die Spezifität wesentliche Parameter. Die Sensitivität ist der Prozentsatz, mit dem eine erkrankte Person als positiv getestet wird. Ein Test mit einer Sensitivität von 98% identifiziert 98 von 100 Infektionen und 2 nicht. Die Kehrseite eines hoch sensitiven Tests: Er kann viele falsch-positive Befunde liefern, wenn er nicht spezifisch genug ist. Die Spezifität ist der Prozentsatz, zu dem nicht infizierte Personen als gesund erkannt werden. Ein Test mit einer Spezifität von 95% liefert bei 5 von 100 Gesunden ein falsch-positives Ergebnis. Bei Angaben zu Sensitivität und Spezifität der in Deutschland verwendeten PCR-Tests halten sich sowohl das Robert Koch-Institut als auch das nationale Konsiliarlabor am Institut für Virologie der Charité bedeckt. Die oft zitierte, nahezu 100-prozentige Sensitivität unter Laborbedingungen, dürfte in der Praxis nie erreicht werden, schon weil beim Testen selbst erhebliche Unsicherheitsfaktoren hinzukommen.“
Dementsprechend streiten sich Experten darüber, wie hoch die Zahl der falsch-positiven Tests ist. Man spricht von 1,0 bis 1,4% aller Testungen. Da die Positivenrate bei den durchgeführten SARS-CoV-2-Testungen seit drei Monaten solide unter 1% blieb, was im Rahmen der üblichen Fehlerquote des Testverfahrens liegen dürfte, muss man sich fragen, wieviel von der Pandemie überhaupt noch übrig ist? Das Schweizerische Bundesamt für Gesundheit (BAG) hat kürzlich ein Merkblatt zum Thema COVID-19 Testung herausgegeben, in dem man offiziell bestätigt, dass der Test keine Infektion, sondern allenfalls ein Fragment des SARS CoV-2-Virus nachweist. Das ist aber kein Beleg dafür, dass ein infektiöser Erreger vorhanden oder die Person überhaupt ansteckend ist. In dem Merkblatt des BAG findet sich unter PCR-Tests der Satz: „Der Nachweis der Nukleinsäure gibt jedoch keinen Rückschluss auf das Vorhandensein eines infektiösen Erregers.“ Ein positiver Test bedeutet, dass man zwar die Nukleinsäure nachgewiesen hat, also ein Fragment, das möglicherweise dem Virus zugeordnet werden kann, aber deswegen ist man noch lange nicht infiziert oder krank. Der PCR-Test kann deshalb nur Fragmente nachweisen, weil das Virus nicht isoliert wurde, sondern mit „Beifang“ in einem speziellen Verfahren zerlegt und anschließend per Computer wieder zusammengebastelt wurde. In diesem Fall wäre man das Opfer eines Testfehlers und somit „falsch positiv“. Das kann im Übrigen auch Personen treffen, die vor Monaten an COVID-19 erkrankt waren und schon längst wieder gesund und nicht mehr ansteckend sind. Oder Personen, die zwar infiziert, aber nicht erkrankt sind. Entscheidend dafür, ob man ein „Superspreader“ ist, der an einem Abend ein Dutzend Leute anstecken kann, oder ob die gemessene Menge an Viren überhaupt ausreicht, um andere Personen infizieren zu können, ist die Virusmenge. Diese wird aber bei einem (positiven) PCR-Test gar nicht ermittelt. Tatsächlich könnte man auch die Virusmenge ermitteln, da aber jedes der ca. 180 Labore in Deutschland eigene und teilweise geheime Verfahren anwendet, ist eine einheitliche Standardisierung nur schwer möglich. Die Konsequenzen, u.a. eine 14-tägige Quarantäne, müssen dagegen alle tragen. Auch die falsch Positiven.
Wie geht’s weiter?
Tatsächlich hat die Tatsache, ob ein Mensch als SARS-CoV-2-positiv oder -negativ gilt, direkte Auswirkungen nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für sein familiäres, soziales und berufliches Umfeld. Von daher kann man die Angst vieler Menschen verstehen, dass auch sie bald positiv getestet werden, obwohl sie gar nicht krank sind. Im Übrigen hat auch der Virologe Christian Drosten davor gewarnt, die Testungen weiter hoch zu fahren, da sonst im Herbst unter Umständen die Testkapazitäten fehlen, um Risikopatienten, z.B. in Altersheimen, testen zu können. Trotzdem werden wir in Deutschland auch im September an den Flughäfen weiterhin jeden Urlaubsrückkehrer testen und Bayerns Ministerpräsident Markus Söder will in der Woche sogar mehr als 100.000 Corona-Tests durchführen. Da fragt man sich unweigerlich, ob man damit die Menschen schützen will, oder ob es darum geht, künstlich eine Pandemie am Leben zu erhalten, von der seit drei Monaten kaum noch Gefahr ausgeht. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, natürlich sollten wir weiterhin vorsichtig sein und uns an Hygienevorschriften halten. Aber man muss auch keine Pandemie herbeireden, wo keine ist. Wenn die Infektionszahlen im Herbst naturgemäß stärker ansteigen werden, stellt sich deshalb die Frage, ob die Politik diesmal befriedigendere Antworten darauf findet.