Strategien für Klimaanpassung sollen Leben in Worms erleichtern
Es wird heiß in Worms! Schon jetzt zählen Stadt und Region zu den wärmsten Gebieten in Deutschland. Prognosen sagen voraus, dass durch den Klimawandel die Anzahl der Hitzetage in Worms bis zum Jahr 2100 von 10 auf 40 ansteigen wird. Zuletzt konnte man in Worms im Juni solche Tage und Nächte erleben. Ein Hitzeaktionsplan soll nun Strategien aufzeigen, wie Bürger und Stadt mit der Hitze umgehen können. Die Antwort ist allerdings nicht immer ganz einfach.
Man könnte meinen, dass wir in Worms auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Gelegen in einer Tiefebene zwischen Donnersberg und Odenwald, befindet sich die Nibelungenstadt in einer klimagemäßigten Region mit wenig Niederschlag, verhältnismäßig milden Unwettern und eben vielen Sonnenstunden. Doch genau Letztere entwickeln sich zunehmend zum Problem, insbesondere für vulnerable Gruppen wie Kinder und Senioren. Stadtpolitik und Verwaltung haben bereits seit Längerem die Entwicklung fest im Blick, weshalb man einen Hitzeaktionsplan, gemeinsam mit Akteuren wie der Universität München, erarbeitete. Zu- nächst wurde die Klimaentwicklung der Stadt analysiert und die lässt derzeit nur den Schluss zu, dass es in den nächsten Jahren sehr heiß werden wird. In den Jahren 1991 bis 2020 lag bereits die Jahresmitteltemperatur in der Region bei 11,2 Grad. Der Bundesdurchschnitt liegt wiederum bei ca. 9 Grad.
Ein Blick auf die Auswertung der Wormser Klimastation des Deutschen Wetterdienstes in Leiselheim, das eher ländlich gelegen ist, lässt erkennen, dass den Wormsern viele heiße Tage bevorstehen dürften. Die Grafik gibt dabei einen Überblick über vergangene Hitzewellen. Bis 2015 ist zu beobachten, dass diese sehr wechselhaft und weitestgehend ungefährlich für den Menschen ausfielen. Seit sieben Jahren ist die Entwicklung allerdings nicht immer verträglich für das körperliche Wohl. Spitzenjahr war dabei 2018, in dem die Klimaforscher ganze sechs Hitzeperioden registrierten, einhergehend mit Tagen hoher körperlicher Gefährdung. Nicht minder problematisch ist die Entwicklung der Anzahl von Tropennächten, also Nächten, die einen erholsamen Schlaf erschweren. Wer in Worms lebt und nicht gerade eine Klimaanlage im Schlafzimmer hat, kennt das. Treten diese laut Umweltbundesamt normalerweise nur alle drei Jahre auf, sind diese in Worms seit 2017 zum Standard geworden. Besonders problematisch zeigt sich die Entwicklung in der Innenstadt. Dichte Bebauung, die zwangsläufig zu einer hohen Versiegelung von Flächen führt, sowie eine erhebliche Menge an Verkehr sorgen dafür, dass das Klima zusätzlich aufgeheizt wird. Es ist also Zeit zu handeln.
Versiegelte Flächen bedeuten mehr Wärme
Der vom Stadtrat im Juni verabschiedete Hitzeaktionsplan zeigt auf 94 Seiten, wie die Stadt sich den klimatischen Herausforderungen an- passen möchte. Die Maßnahmen werden dabei zwischen kurz-, mittel-, und langfristig unterschieden. Zudem sieht der Plan Akutmaßnahmen vor, die anstehen, wenn unmittelbar mit Hitzetagen zu rechnen ist. Dazu gehören Warnungen durch den Deutschen Wetterdienst, während der Aktionsplan nochmals in drei Alarmstufen gegliedert ist. Darüber hinaus besteht die Idee eines Notfalltelefons der Stadt, das sieben Tage erreichbar sein soll. Dort erhält man Tipps oder die Vermittlung zu weiteren Personen, aber keine medizinische Versorgung. Kurz- und mittelfristig möchte man beispielsweise über eine umfassende Öffentlichkeitsarbeit die Bürger/ innen für das Thema sensibilisieren, Kurse anbieten, kühle Orte schaffen, gefährdete Gruppen, wie Obdachlose oder Menschen in Gemeinschaftsunterkünften, unterstützen sowie kostenloses Trinkwasser in der Innenstadt zur Verfügung stellen. Letzteres gibt es bereits seit zwei Jahren in der Fußgängerzone.
Die langfristigen Maßnahmen betreffen schließlich die gesamte Stadtentwicklung. Da versiegelte Flächen und Gebäude perfekte Wärmespeicher sind, empfiehlt der Plan Wärmedämmungen, aber auch die Begrünung von Flächen oder das Pflanzen von Bäumen als Schattenspender. Ebenfalls soll entsprechend dem „Klimakonzept Innenentwicklung der Stadt Worms“ auf die Bebauung von Naturflächen geachtet werden. Aber genau hier zeigt sich auch die Widersprüchlichkeit unserer Gesellschaft. Unlängst war dies im Stadt- rat im vergangenen Juni zu beobachten. Während man einstimmig für die Umsetzung des Hitzeaktionsplans stimmte, zeigte man sich an- schließend im Umgang mit der Bebauung einer landwirtschaftlichen Fläche im Wormser Norden wenig hitzeempfindlich. Wie von uns be- richtet, möchte dort die BS Logistikzentrum GmbH ein Lager für Gefahrstoffe errichten (siehe WO! Dezember 2021). In Stellungnahmen der Umweltschutzbehörde und verschiedenen Naturschutzverbänden wurde auf die klimatische Bedeutung der Fläche für die Innen- stadt hingewiesen. Trotz dieser Bedenken entschied sich der Stadt- rat nun mehrheitlich für die Bebauung. Auflagen, wie eine Begrünung der Fassadenfläche oder Photovoltaik, wurden unter Hinweis auf die Nichtdurchführbarkeit fallengelassen.
Mittelhahntal – das neue „Hoher Stein“?
Während die Versiegelung dieser Fläche beschlossen ist, steht einem anderen Projekt der lange Weg durch die Gremien noch bevor. Geht es nach dem Willen der Verwaltung, soll auf der landwirtschaftlichen Fläche in Nachbarschaft zur Renolit ein neues Gewerbegebiet entstehen, das unter dem Namen „Mittelhahntal“ bereits für Schlagzeilen und in Verbindung mit dem Hitzeaktionsplan für Diskussionen in der- selben Stadtratssitzung sorgte. Der Bauausschuss machte bereits den Weg frei für die notwendige Änderung des Bebauungsplans. Noch in den Kinderschuhen steckend, hat sich zu dem Vorhaben bereits eine Bürgerinitiative zusammengeschlossen. Die möchte die Bebauung mit Hinweis auf deren Bedeutung für die Frischluftzufuhr Innenstadt verhindern. Die Diskussion weckt Erinnerungen an den erbitterten Streit um das geplante Gewerbegebiet „Hoher Stein“, das letztlich wegen eines Feldhamsters nicht realisiert wurde. Dies womöglich im Hinterkopf, fand Stadtrat JÜRGEN NEUREUTHER (FDP) klare Worte für die Kritiker: „Ich weise darauf hin, dass der Verweis auf das Mittelhahntal klimapolitischer Schwachsinn ist. Das hat nichts damit zu tun“. RICHARD GRÜNWALD (Bündnis90/Die Grünen) kritisierte dementsprechend den Tonfall Neureuthers und erklärte mit Blick auf die Bedeutung des Hitzeaktionsplans: „Dieser Plan bedeutet Klimaanpassung, also Schadensbegrenzung“. Grünewald verglich die Behinderung dieses Plans damit, als würde man den Brandschutz ignorieren. Dennoch zeigt sich an diesem Beispiel, dass das Thema eine Kernfrage beinhaltet, nämlich in welcher Welt wir leben wollen?
STEPHANIE LOHR, die für den Aktionsplan zuständige Dezernentin, ist sich dieses Widerspruches bewusst. Im Gespräch mit WO! erklärt sie: „Der Plan ist eine riesen Herausforderung und mir ist klar, dass es in den nächsten Jahren viele Zielkonflikte geben wird.“ Lohr ergänzt: „Wir dürfen uns aber keine leichtfertigen Entscheidungen mehr erlauben“. Ein Problem, vor dem die Stadt steht, ist dabei der marode Haushalt, weshalb Lohr erklärt, dass man dringend Einnahmen braucht. Zudem wolle die Stadt natürlich auch die Möglichkeit geben, dass Arbeitsplätze geschaffen werden können. Möglich gemacht werden soll dies durch eben jenes Mittelhahntal. Ob dies kommt, mag Lohr nicht prognostizieren und merkt an, dass natürlich Klimauntersuchungen für dieses Gebiet vorgenommen werden. Sollten diese die Bedeutung als Kaltluftschneise belegen, könnte dies das frühzeitige „Aus“ für die Planungen bedeuten. STEPHANIE LOHR setzt auf dem Weg der Klimaanpassung auf Dialog, um ein gutes Maß zu finden. Dementsprechend betont sie, dass der Erfolg letztlich von allen abhänge: „Wenn die Bürger/innen nicht bereit sind, Kompromisse einzugehen, wird das nichts“. Um den Worten Nachdruck zu verleihen, betont sie am Ende des Gesprächs noch: „Viel Zeit haben wir nicht mehr. Wir müssen handeln!“
Text und Foto: Dennis Dirigo
Weitere Informationen zum Thema Klima und Worms finden Sie hier: https://www.worms.de/neu-de/zukunft-gestalten/klima-und-umwelt/Klimawandel/hitzeaktionsplan/