…das ist eine Tatsache. Doch kaum ein Bereich polarisiert dermaßen wie staatliche Kulturförderung. In Worms trifft dieser Umstand ganz besonders die Nibelungen-Festspiele. Gerade im Zusammenhang mit der jüngst im Stadtrat genehmigten Budgeterhöhung um rund 200.000 Euro jährlich, entflammte die Diskussion aufs Neue.
Auffällig hierbei ist, dass in dieser emotional aufgeladenen Diskussion immer wieder Themen miteinander vermischt werden. Gerne werden die Festspiele ins Verhältnis zu den maroden Schulen in Worms gesetzt. Dabei vergessen allerdings die Diskutanten, dass beide Punkte nichts miteinander zu tun haben. Die Festspiele kosten viel Geld, gemessen am städtischen Haushalt. Die Stadt Worms gibt noch mehr Geld für Schulen aus. Ob das ausreichend ist und ob das Gebäudemanagement der Stadt funktioniert, das ist eine andere Diskussion. Denn es sollte jedem klar sein, dass, wenn es die Festspiele nicht geben würde, die öffentlichen Zuschüsse keinesfalls den Schulen zugutekommen würden. Denn lapidar gesagt, sind die 1,7 Mio. Euro Stadtzuschuss Geld, das wir gar nicht haben und schlicht und ergreifend eingespart werden würde. Rechnerisch wäre das gemessen an der Gesamtverschuldung gerade mal eine Einsparung von 0,35%. Dem gegenüber steht allerdings auch ein Nutzen für die Stadt und seine Bürger, der weit über die ermittelte Wertschöpfung hinausgeht und oft verkannt wird. Letztlich beschränkt sich die Wertschöpfung nicht nur auf die oben genannten Branchen, sondern geht darüber hinaus. Natürlich profitieren auch andere Wormser Branchen und Arbeitnehmer, die direkt oder indirekt mit den Festspielen zu tun haben, genauso wie der Wohn- und Unternehmensstandort Worms. Wer möchte sich schon in einer Stadt ansiedeln, die in der Vergangenheit hart mit dem Klischee zu kämpfen hatte, dass man dort nur „auf die Schniss“ bekommt? Worms hat aufgrund seiner industriellen Vorgeschichte als Arbeiterstadt bis heute mit sozialen Verwerfungen zu kämpfen. Wer sich an die 80er und 90er Jahre zurück erinnert, weiß sicherlich noch um die städtische Tristesse. Lieber fuhr man nach Mannheim oder Mainz, um deren kulturelle Angebote zu nutzen. Heute ist das anders, denn Worms hat eben das Glück, eine bewegte Historie zu haben, zu der auch das Nibelungenlied gehört. Genau dieser historische Kontext macht die Stadt wiederum für Touristen attraktiv. Leider wurden 1689 und am Ende des Zweiten Weltkriegs weite Teile des historischen Worms zerstört, weshalb man andere Wege finden muss, um die Historie öffentlichkeitswirksam darzustellen. Der kommunale Konkurrenzkampf ist groß und der Tourismus für Worms eine Chance, der Arbeiterstadt weitere Facetten abzugewinnen.
Und genau hier setzten die Festspiele an. Man kann über die inhaltliche Qualität der Stücke diskutieren, man kann aber heute nicht mehr behaupten, dass es sich bei den Festspielen um eine unbedeutende Nischenveranstaltung handelt. Tatsächlich ist die zweiwöchige Veranstaltung in Deutschlands Kulturlandschaft eine feste Größe geworden. Um das zu erreichen, muss man aber auch Geld in die Hand nehmen. Auch Künstler wollen ihre Miete zahlen! Man kann allerdings getrost davon ausgehen, dass sich kein Schauspieler, Regisseur oder Intendant bei den Festspielen eine goldene Nase verdient. Dennoch wird über die Budgetsteigerungen leidenschaftlich debattiert, obwohl steigende Personalkosten und sonstige Preissteigerungen auch an den Nibelungen nicht spurlos vorüber gehen. Derzeit befindet sich Verdi in Verhandlungen mit dem Öffentlichen Dienst. Wahrscheinlich wird kaum jemand (außer vielleicht die Arbeitgeberseite) den Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, eine Gehaltserhöhung in Abrede stellen. Wenn es aber um Kunst und Kultur geht, wird über jeden Cent gestritten. Das soll andererseits nicht heißen, dass die Nibelungen-Festspiele von jeglichen Sparbemühungen befreit sind und eruieren müssen, wie man die Einnahmenseiten verbessern kann. Im Stadtrat wurde darüber diskutiert, ob es Sinn macht, Tickets für die Premiere zu verkaufen. Vielleicht kann man auch darüber reden, ob das Rahmenprogramm in seinem derzeitigen Umfang so sein muss. Wichtig ist aber vor allem, dass transparent gearbeitet wird. Ein Beispiel sind hierfür die Ausgaben für den Heylshofpark in Höhe von 503.000 Euro. Herr Kissel mag zwar Recht haben, wenn er sagt, dass die Zahlen kein Geheimnis waren.
Dennoch hat man sie dem Bürger, also demjenigen, der einen großen Teil der Festspiele trägt, nicht ordentlich kommuniziert. Das ist der Nährboden für Aussagen wie: „Die da oben machen sowieso was sie wollen.“ Es wäre schade, wenn die Festspiele ausgerechnet über solche Dinge zum Erliegen kommen, denn grundsätzlich befinden sie sich auf dem richtigen Weg. Die nächsten fünf Jahre sind geplant und klingen vielversprechend. Mit Nico Hofmann hat man einen der renommiertesten europäischen Produzenten an der Hand, dem man getrost abnehmen kann, dass er die Festspiele nicht des Geldes wegen macht. Dennoch müssen die Verantwortlichen sich jetzt schon die Frage stellen, ob es eine Schmerzgrenze gibt, bei der Kosten und Nutzen nicht mehr vereinbar sind. Im Moment profitiert Worms von den Festspielen, auch wenn das nicht jeder sehen möchte. Da kann man noch so oft bei Facebook über die „Z-Promis“ auf dem roten Teppich schimpfen, denn die mediale Aufmerksamkeit stimmt zweifelsohne. Die stimmte zwar auch bei der „Hantel-Affäre“ oder dem Touristeninfo „Sexleaks“. Es ist aber davon auszugehen, dass sich deswegen kein Tourist, Neu-Wormser oder Geschäftsmann in der Nibelungenstadt ansiedeln wird.