Konzertkritik von „Worms: Jazz & Joy 2021“ (SA) mit Nouvelle Vague, Maya Fadeeva, The Döftels u.a.

21. August 2021 | Weckerlingplatz & Schlossplatz Worms:
Text: Dennis Dirigo, Frank Fischer

Während der Festivalsamstag mit Nouvelle Vague auf dem Weckerlingplatz den sinnlichen Höhepunkt des Wochenendes zu bieten hatte, gab es auf dem Schlossplatz die „Band der Herzen“, die Wormser Lokalmatadoren The Döftels, zu bestaunen.

Angetreten waren die DÖFTELS mit Dreier-Bläsersektion (Posaune, Saxofon, Trompete), drei Backgroundsänger/ innen, der groovenden Rhythmussektion um Bassist MATTHIAS MERKEL, Drummer JOHANNES SCHEMBS und PATRICK SEILER an den Percussions, Gitarrist SVEN SCHREIBER, der mit seinen rotzigen Einwürfen zu gefallen wusste, sowie Keyboarder CHRISTIAN DESTRADI, der ein zentraler Bestandteil des neuen funky Discosounds der Döftels ist. Dazu Sänger PETER ENGLERT, der die Menge mit seiner Rampensau ähnlichen Bühnenpräsenz von der ersten Minute an im Griff hatte. Zudem wechselte der Frontmann während des Auftritts häufiger sein Outfit wie Madonna zu ihren besten Zeiten, und sang obendrein auch noch deutlich besser. In Anbetracht des funkigen Beginns mit „Monster“, „Hoch wie nie“ und „Wir sind bereit“, der sogar richtig gut zu einem Jazzfestival gepasst hat, musste selbst ein Pressekollege einräumen: „Die sind ja richtig gut geworden…“ So erzählte die Band in der folgenden Stunde „Das Leben des Ö“ und das war eine ziemlich kurzweilige Sache. Mit „Minusmensch“ hatte sich sogar eine waschechte Ballade ins Programm geschmuggelt, bei der die Besucher die auf den Stühlen verteilten Wunderkerzen abbrennen durften. Danach ging es aber direkt funkig weiter mit Stücken wie das an die Neue Deutsche Welle erinnernde „Roboterliebe“, das anzügliche „Deine Mutter“ oder „Wo das Leben rennt“ mit seinem catchy Refrain. Und während das Publikum auf dem gut gefüllten Schlossplatz anfangs noch etwas reserviert wirkte, wedelte die Menge spätestens bei Einbruch der Dunkelheit glücklich mit den Armen, sang munter mit und ging zum Finale hin gemeinsam mit der Band noch einmal so richtig „Steil“. Der Schussapplaus des Publikums nach der Zugabe („Einmal high“) verschaffte den Döftels die Gewissheit, dass sie die Farben ihrer Stadt beim 30. Jazz & Joy würdig vertreten hatten.

Weckerlingplatz:
Bevor die kultig verehrten Franzosen von NOUVELLE VAGUE die Bühne am Weckerlingplatz in Beschlag nahmen, durfte die gebürtige russische Sängerin MAYA FADEEVA den Abend eröffnen. Der Platz war gut gefüllt, wenn auch noch etliche Stuhlreihen unbesetzt blieben. Die aufstrebende Sängerin hat ihre musikalische Heimat zwischen Jazz und Swing, angereichert mit ein paar Elektrobeats. Stimmlich erinnerte die Sängerin an die zu früh verstorbene Amy Winehouse, ohne jedoch deren Volumen zu erreichen. Das Programm: eine Mischung aus Jazzstandards (da durfte natürlich der große Thelonious Monk nicht fehlen) und weiteren Songperlen aus dem Backkatalog der Musikgeschichte. Michael Jackson fand hier genauso Gehör wie der großartige Randy Newman, dessen Oscar nominierter „Toy Story“ Song „You‘ve got friend in me“ hier ein swingendes Update erfuhr. Dazwischen gab es auch selbstgeschriebenes, wie der Song „Fire“ von ihrem Album „Chamäleon“, der jedoch nicht überzeugen konnte. Ein insgesamt solider Auftritt, der allerdings nur selten Begeisterungsstürme entfachte. Für NOUVELLE VAGUE war es indes ein Leichtes, kurz nach 22 Uhr bereits mit den ersten Takten den mittlerweile vollbesetzten Weckerlingplatz zum Beben zu bringen. Zugleich schafften sie es als erste Band an diesem Wochenende, dem Festival einen ordentlichen Hauch von Internationalität zu verpassen. Bereits die ersten Klänge (sphärische Synthies, eine dezente Gitarre und synthetische erzeugte Streicher und der lasziv verführerische Einsatz der Stimme) des Klassikers „Fade to Grey“ sorgten für Gänsehautmomente. Nouvelle Vagues Bekanntheit begründet sich in erster Linie aus Coverversionen. Dabei schafften sie es allerdings, mit Hilfe origineller Arrangements das Thema Covern auf ein neues Level zu hieven. Als Grundlage diente einst ein Bossanova Sound, der auch in Worms immer wieder durchschien, aber zu Gunsten der musikalischen Dramaturgie oftmals anderen Elementen weichen muss. So gab es live ganz viel burlesken Varieté Punk, das Spiel mit der Provokation („To drunk to Fuck“), ein wenig Folk („Blister in the Sun“ Violent Femmes) und Rock, und vor allem durchgehend eine unglaubliche Lässigkeit, bei der schlicht der Spaß an der Musik im Vordergrund stand. Statt „Zugabe“ zu rufen, sang die Menge am Ende des Hauptprogramms den Joy Divison Klassiker „Love will tear us apart“ einfach so lange weiter, bis die Band noch einmal die Bühne enterte. Definitiv ein Höhepunkt des diesjährigen Festivals, was das Publikum mit frenetischem Applaus bestätigte.