Liebe Leser,
da herrschte in Worms doch tatsächlich ein klein wenig Aufruhr nach dem Backfischfest. Das Jazz and Joy Festival hat wohl über Jahre hinweg ein wenig bei den Besucherzahlen getrickst. „Gar nicht so schlimm!“ sagen die Veranstalter. Alles ganz normal, gängige Praxis. Obwohl eigentlich nur 9.000 Tickets verkauft wurden, waren dennoch 20.000 Menschen da. Ist klar, ne? Wie man trotzdem auf 20.000 kommt? Ganz einfach, man zählt einfach alle Mehrtageskarten mal drei.
Was würde denn passieren, wenn alle so rechnen? Rock am Ring hätte plötzlich 240.000 Besucher (und jetzt definitiv zu wenig Klos) und unser Magazin eine Auflage von mehr als 45.000, denn jede Ausgabe wird ja, ganz klar, von mindestens drei weiteren Menschen gelesen. Okay zugegeben, natürlich darf man hier und da ein wenig mogeln. Ohne zu mogeln, wäre ich wahrscheinlich gar nicht durchs Abitur gekommen und die Wormatia blieb die ersten Jahre auch nur mit fremder Hilfe in der Regionalliga (die hätten letztes Jahr gerne ihre Punkte mal drei genommen). Selbst der Oppenheim Marcus hat hier und da mal ne Zahl zurechtgebogen. Kann man doch machen. Alles nicht so schlimm. Es wurde ja auch erzählt, dass unser Lieblingsprojekt, das Parkhaus am Dom, zum Weihnachtsgeschäft 2016 aufmacht. Auch hier wurde vergessen, die Bauzeit mal drei zu nehmen… Wenn wir schon gleich bei Held sind, der kommt jetzt ganz groß zurück. Das Comeback des Jahres im deutschen Bundestag. Vielleicht sollte der Bundestag einmal hingehen und Helds Diäten durch drei teilen. Schließlich ist der Arbeitsnachweis doch mehr als dürftig.
Aber mal ganz ehrlich, wieso macht man sowas überhaupt? Wieso lügt man und verdreht die Zahlen? Hat man das wirklich nötig? Ein Festival mit knapp 10.000 Besuchern ist doch schon sehr groß und zeugt von angemessener Qualität. Wenn es nur nach Zahlen ginge, wäre Mario Barth auch der lustigste Komiker aller Zeiten, da er das Berliner Olympiastadion ausverkauft hat. Vielleicht sollte bei einem Jazzfestival auch einfach mal die Musik im Vordergrund stehen und nicht das Bescheißen von Presse, Gastronomie und sich selbst. Jahrelang wurde ich übrigens auch von unserem Chefredakteur F. Fischer angelogen. Nicht nur, dass er uns seit Jahren wieder eine Weihnachtsfeier verspricht, er verschweigt uns auch seine neue künstlerische Karriere. Mit keinem Wort hat er erwähnt, dass er jetzt als Kabarettist im Lincoln-Theater auftritt. Im neuen Programmheft fand ich über ihn folgende Zeilen: „Das neue Programm von Frank Fischer wird außergewöhnlich. Denn der Alltag ist oft gewöhnlich genug. Deshalb nimmt er Sie mit in seine Welt voller verrückter Erlebnisse und hat auch den einen oder anderen guten Tipp dabei. Ein Abend mit Frank Fischer ist Anleitung für den außergewöhnlichen Moment in ihrem Leben.“
In diesem Sinne hoffe ich auf ein paar „außergewöhnliche Momente“ im nächsten Monat.
Bis dann,
Jim Walker Jr.