In der letzten Saison hörte man häufig den Satz, dass der Wormatia in Spielen, die auf Messers Schneide standen, oftmals nur ein Quäntchen Glück gefehlt habe. Wenn die „eigentlich“ bessere Mannschaft eine große Torchance vergibt und der Gegner das Spiel kurz danach mit einem Treffer in die entgegengesetzte Richtung lenkt. In dieser Saison scheint das Glück zurückgekehrt zu sein. Mit acht Siegen in Folge (6x in der Liga, 2x im Pokal) läuft es derzeit bestens und da war gewiss auch der eine oder andere Sieg dabei, bei dem die Wormatia mit Fortuna im Bunde war.

Wahrscheinlich würde Wormatia Trainer Kristjan Glibo jetzt einwerfen, dass man sich dieses Glück auch erarbeiten kann. Oder dass Glück oftmals eine Mentalitätsfrage ist, wenn man eben bereit ist, auch nach 80 oder 85 Minuten noch die entscheidenden Zentimeter zu gehen. Und der muss es schließlich wissen, denn der Erfolg gibt dem sympathischen Wormatia-Coach derzeit Recht. Glibo ist es gelungen, in kürzester Zeit ein blutjunges Team zu formen, das sich in erster Linie durch seinen Siegeshunger auszeichnet. Mit dem oftmals etwas raueren Klima in der Oberliga kommt die junge Truppe bisher bestens zurecht. Auch Mentalität und Moral stimmen, man sollte die Mannschaft nicht abschreiben, bevor 90 Minuten (+ Nachspielzeit) absolviert sind. Vor allem aber ist es Kristjan Glibo schnell gelungen, seiner Mannschaft die Wormatia Gene zu vermitteln. Da darf es gerne auch mal schnörkelloser, ehrlicher Fußball sein, solange der Einsatz stimmt. Und ganz wichtig: Kämpfen bis zum Schluss.
Gleichwohl täuschen die aktuellen Erfolge ein wenig darüber hinweg, dass noch nicht alles rund läuft. So hat man es noch in keinem Spiel geschafft, über 90 Minuten konzentriert zu Werke zu gehen. Selbst in den zuletzt siegreichen Partien gab es immer wieder Schwächephasen, in denen man das Spiel fast aus der Hand gegeben hätte. Ein stärkerer Gegner hätte das wohl eher ausgenutzt. Dass man immer ein Tor mehr schießt als der Gegner, darauf sollte man sich nicht verlassen. Denn die Wormatia kassiert noch zu viele Gegentore (13 in 10 Spielen), nur in einem Spiel blieb man mit einer weißen Weste (beim 3:0 gegen FC Blau-Weiß Karbach). Speziell auf der Position des linken Innenverteidigers, neben Abwehrchef Ogorodnik, hat man noch keine Ideallösung gefunden. Hier macht sich zunehmend die Verletzung von Tevin Ihrig bemerkbar, der sich vor Saisonbeginn einen Kreuzbandriss zuzog und hoffentlich in der Rückrunde wieder einsatzbereit sein wird. Überhaupt ist die linke Abwehrseite derzeit noch eine Schwachstelle. In der defensiven Mittelfeldzentrale war Kapitän Eric Lickert zuletzt auf sich allein gestellt, bekommt aber zukünftig Unterstützung durch Fatih Köksal, der nach seinem Muskelfaserriss vom 4. Spieltag wieder zur Verfügung steht.

Schlüsselspieler des Teams
Einige Siege darf sich Trainer Kristjan Glibo auf die Fahne schreiben, weil es oftmals nur einer taktischen Umstellung oder einer Einwechslung bedurfte, um den Erfolg zu bringen. Andere Siege entstanden, weil sich in engen Spielen die individuelle Klasse seiner Schlüsselspieler durchgesetzt hat. Der neue Wormatia- Coach setzt auf die zentrale Achse Reichel-Ogorodnik-Lickert-Dahlke, auf die er sich bisher blind verlassen konnte. Niklas Reichel ist einer der besten Torhüter der Oberliga Rheinland-Pfalz-Saar und hat der Mannschaft mit glänzenden Paraden schon so manchen Sieg gerettet. In der Abwehr musste bisher am häufigsten gewechselt werden, aber er war stets der Fels in der Brandung mit der geringsten Fehlerquote: Abwehrchef Andrej Ogorodnik ist „Mr. Zuverlässig“ und stand bisher in allen Partien 90 Minuten auf dem Platz. Eric Lickert ist Chef im Mittelfeld, Taktgeber des Spiels und Top-Vorlagengeber der Liga (6 Vorlagen, 1 Tor). Und im Sturm verfügt man mit Jan Dahlke über einen großgewachsenen Mittelstürmer, wie ihn sich jede Mannschaft wünscht, weil er einfach immer für ein Tor gut ist. Dahlke durfte bisher in jedem Punktspiel durchspielen, weil er ein Spiel auch noch in der 90. Minute entscheiden kann; mit einem Kopfball, einer Einzelaktion oder weil er eben da steht, wo ein Torjäger zu stehen hat. Zehn Tore in zehn Punktspielen (+ drei Tore in zwei Pokalspielen) sind herausragend. In den letzten neun Pflichtspielen hat Dahlke jeweils mindestens ein Mal getroffen. Dazu kommt die vom Trainer vorgelebte und vermittelte Mentalität, in jedem Spiel alles zu geben. Nach dem 3:2 gegen die TSG Pfeddersheim lobte Glibo seine Truppe: „So will ich die Mannschaft bis zum Schluss fighten sehen und dann können wir jedes Spiel gewinnen!“ Auch wenn Rückschläge nicht ausbleiben werden, für den Moment glaubt man das Kristjan Glibo aufs Wort.

Zwei enge Duelle gegen die TSG Pfeddersheim
Gleich zwei Mal musste der VfR im September gegen den Stadtrivalen TSG Pfeddersheim ran. Obwohl die Wormatia beide Male gewann, fanden die Duelle auf Augenhöhe statt und hätten jederzeit in die andere Richtung kippen können. Schon der 3:1-Sieg im Achtelfinale des Verbandspokals am 04.09. sah nur vom Ergebnis her souverän aus. Symptomatisch für die Partie war bereits der Führungstreffer. Während die TSG Pfeddersheim in der Anfangshase die Kontrolle übernahm und in aussichtsreicher Position an Wormatia-Schlussmann Reichel scheiterte, erzielte der VfR im Gegenzug nach einem mustergültigen Konter durch Dahlke, nach sehenswerter Vorarbeit von Schünke, die Führung (37.), die allerdings nur drei Minuten anhielt, dann glich Anhölcher wieder aus. In der zweiten Halbzeit plätscherte das Spiel lange Zeit vor sich hin. Als sich die 1.271 Zuschauer bereits auf eine Verlängerung einstellten, sorgte Wormatia-Trainer Glibo für einen Impuls von außen, der letztendlich den Unterschied ausmachte. Eigentlich wollte Glibo seinen rechten Flügelflitzer im Pokal schonen, jetzt musste er in der 81. Minute doch ran. Kaum eine Minute im Spiel luchste Oliveira Damaceno TSG-Keeper Stofleth den Ball bei einem Rückpass ab, den Abpraller knallte erneut Dahlke unter die Latte. In der Nachspielzeit (90. +3) sorgte der Brasilianer dann selbst für die Entscheidung, als er am gegnerischen Strafraum den Ball eroberte und aus 20 Metern aus dem Stand in den Winkel knallte. Noch enger war die Punktspielpartie am 28.09. gegen die TSG Pfeddersheim, die mit einem 3:2-Sieg endete. Wie gewohnt legte die Wormatia los wie die Feuerwehr und ging bereits nach fünf Minuten durch Dahlke in Führung, die Pfeddersheims Torjäger Sebastian Kaster kurz danach schon wieder egalisierte (15.). Als dann der schwache Schiedsrichter Dominic Mainzer aus Konz (bei Trier) nach einer zweifelhaften Aktion auf Elfmeter für die TSG entschied, schien die Partie vollends zu kippen. Der Pfeddersheimer Ludwig ließ sich die Chance zur Führung nicht entgehen (21.), was den Gästen sichtlich mehr Selbstvertrauen gab. Eine womöglich entscheidende Szene spielte sich kurz vor der Pause ab, als Wormatias Luca Graciotti nach einem Pressschlag verletzt liegen blieb. Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der man auf die Unterbrechung durch den Schiri gewartet hat, wollte Kapitän Lickert den Ball gerade ins Seitenaus spielen, als ein Pfeddersheimer dazwischen spritzte und den Angriff, unter heftigen Protesten des Gegners, sogar noch ausspielte. Die Folge: Rudelbildung, zwei erregte Trainer und ein Publikum, das jetzt auf Betriebstemperatur war. Vielleicht war das die nötige Portion Wut im Bauch, die den Spielern des VfR noch gefehlt hatte. Tatsächlich wurden die Aktionen nach der Pause zwingender. Wie schon in Kaiserslautern war es auch diesmal wieder Lennart Grimmer vorbehalten, mit einem Traumtor vom 16-er für den Ausgleich zu sorgen (59.). Danach hatten beide Teams Chancen, das Spiel zu entscheiden. Zunächst rettete Reichel gegen den freigespielten Kaster das Unentschieden (81.), ehe die Wormatia nach einer hochdramatischen Schlussphase das bessere Ende für sich behielt. Zwei Minuten später zog erneut Grimmer aus 30 Metern ab und TSG-Keeper Stofleth bekam den Ball erst im Nachfassen unter Kontrolle. Nach Studium der Videobilder sieht es aus, als sei der Ball hinter der Linie gewesen, aber Schiri Mainzer ließ weiterspielen. Stattdessen musste der Wormser Anhang bis zur 89. Minute warten, ehe Filimon Gerezgiher den vielumjubelten 3:2-Siegtreffer erzielte.

Hauptsache gewonnen
Zwischen den beiden Stadtderbys lagen drei Spiele, die man unter dem Prädikat „Hauptsache gewonnen!“ abhaken konnte. Da die Partie des 8. Spieltages bei TuS Koblenz auf den 16.11. verlegt wurde, ging es in der Liga erst am 14.09. zuhause gegen die TuS Mechtersheim weiter, die bis dato mit drei Punkten abgeschlagen auf dem letzten Platz lag. Trotzdem machte Mechtersheim das Spiel, kombinierte gefällig bis zum Strafraum, aber die Wormatia erzielte die Führung durch ein Eigentor von Hartlieb (20.). Der Treffer gab den Wormsern aber keineswegs mehr Selbstvertrauen, am Drücker blieben weiterhin die Gäste. Nach knapp einer halben Stunde reagierte Wormatia-Trainer Glibo auf die anhaltenden Schwächen in der Defensive und brachte Innenverteidiger Miranda für den sichtlich überforderten Sechser Afari, für den nun Lickert wieder ins defensive Mittelfeld rückte. Kurz nach der Pause kam Mechtersheim zum Ausgleich (48.), aber Lickert (59.) und Dahlke (63.) stellten in der Folgezeit die Weichen auf Sieg. Am Ende stand ein 3:2-Heimsieg, der nach dem Anschlusstreffer der Gäste in der 67. Minute lange Zeit bedenklich auf der Kippe stand. Unter der Woche gelang im Pokal- Viertelfinale beim FSV Offenbach an der Queich ein 4:0-Pflichtsieg durch Tore von Graciotti (11.), Dahlke (16.), Lickert (33.) und Schünke (82.). Nach einer halben Stunde war der Drops bereits gelutscht, danach schonte man sich merklich für das anstehende Punktspiel. In der Liga ging es am 21.09. beim FV Engers 07 weiter, wo Gerezgiher (9.) schon frühzeitig von einem Patzer des gegnerischen Torhüters profitierte. Danach hat der VfR das Ergebnis ein bisschen zu sehr verwaltet, so dass der Ausgleichstreffer der Gastgeber (29.) nicht wirklich verwunderte. In der zweiten Halbzeit legten die Gastgeber deutlich zu und die Wormatia kam auf dem engen Kunstrasenplatz in der einen oder anderen Szene mächtig ins Schwimmen. Tatsächlich ging aber in den letzten zehn Minuten noch einmal ein Ruck durch das Wormser Team. Sechs Minuten vor Schluss tankte sich Recicia in den Strafraum, passte rüber zum eingewechselten Schünke, der die überraschende Führung markierte. Während die Gastgeber noch mit dem Schicksal haderten, nutzte Wormatias bis dahin abgemeldeter Torjäger Dahlke seine einzige Torchance des Spiels zum 3:1-Siegtreffer und machte den Sack endgültig zu (87.). Dass man die Mannschaft von Kristjan Glibo nicht vorzeitig abschreiben sollte, stellte sie eine Woche später beim 3:2-Last-Minute-Sieg gegen die TSG Pfeddersheim erneut unter Beweis (siehe oben).

Der Ausblick im Oktober
Schott Mainz liegt nach 11 Spieltagen mit 26 Punkten an der Spitze, TuS Koblenz und Wormatia Worms mit jeweils 23 Punkten dahinter. Beide haben ein Spiel weniger, denn am 16.11. treffen beide Teams im direkten Duell aufeinander. Eintracht Trier (23 Pkt.) und der 1. FC Kaiserslautern II. (21 Pkt.) liegen direkt dahinter und dürften ebenfalls zu dem Kreis derer gehören, die am Ende um den Aufstieg mitspielen. Um weiter zur Spitzengruppe zu gehören, würde man auf Wormser Seite die Serie von sechs Siegen in Folge (bzw. seit sieben Spielen ungeschlagen) in der Oberliga allzu gerne weiter ausbauen. Die Gegner von Wormatia Worms in den nächsten vier Wochen klingen wenig attraktiv: FC Hertha Wiesbach, FV 07 Diefflen, SV Röchling Völklingen, SV Gonsenheim – im Pokal muss man beim SV Morlautern ran. Das sind allesamt Spiele, in denen man leicht ins Straucheln geraten kann, wenn man nicht konzentriert genug zu Werke geht. Die echten Bewährungsproben kommen erst im November. Am 02.11. bei Schott Mainz und am 16.11. bei TUS Koblenz wird sich zeigen, ob die Wormatia bereits ein Spitzenteam ist. Gegen schwächere oder gleichwertige Teams reichen derzeit noch Mentalität und Moral der Mannschaft, bis November sollte allerdings auch die Defensive stabilisiert sein. Aber keine Frage, die blutjunge Mannschaft der Wormatia ist auf einem guten Weg, während das Vertrauen in die bisher glänzende Arbeit von Trainer Kristjan Glibo von Tag zu Tag mehr wächst.