Seit 5. August gehören die Nibelungen Festspiele 2018 der Vergangenheit an. Man muss lange zurückdenken, wann es zuletzt ein Stück gab, das die Besucher fast durchweg beeindruckte. Vermutlich muss man zurück bis ins Jahr 2005, als zuletzt Karin Beier am Wormser Dom inszenierte. Ohne Frage: „Siegfrieds Erben“ war der erhoffte „Befreiungsschlag“ in der Ära Nico Hofmann.
Auslastung sehr gut!
Die Ticketerlöse bleiben aber geheim
Es war schon eine ganz besondere Saison für die Nibelungen-Festspiele, die am 5. August zu Ende gingen. Wie kaum ein Stück zuvor avancierte das von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel geschriebene „Siegfrieds Erben“ binnen kürzester Zeit zum Publikumsmagneten. Waren kurz vor Beginn der Festspiele noch jede Menge Karten erhältlich, änderte sich das nach den ersten Kritiken schlagartig. Schnell sprach sich rum, dass „Siegfrieds Erben“ eine komplett andere Dynamik besitzt und im bunten Reigen der vergangenen Jahre sogar etwas Neues war. Statt Verwechslungskomödie, politisch aufgeladener Bedeutungshuperei oder einer gewollten Aufschichtung von Metaebenen, gab es eine schlüssige Geschichte, die spannend erzählt und bravourös gespielt wurde. Das alles sorgte dafür, dass die Nibelungenfestspiel gGmbH am Ende mit stolzer Brust eine Auslastung von 95 Prozent vermeldete. Das sagt allerdings nichts über die Ticketerlöse aus, denn Auslastung bedeutet, dass hier die Tickets für Sponsorengäste, Freikarten, Presse usw. eingerechnet sind. Auf Anfrage unseres Magazins nach den Ticketeinnahmen teilte man uns mit, dass über solche Details nicht gesprochen wird. Schade, denn gerade nach den Diskussionen im Stadtrat über die Erhöhung des Etats um eine Million Euro, sowie den zusätzlichen Kosten von 500.000 Euro, die über die KVG abgerechnet werden, zeigte sich, dass Transparenz den Bürgern gegenüber der beste Weg zur Akzeptanz ist.
Ein neuer Preis für die Festspiele
Ursula Strauss gewinnt Mario-Adorf-Preis
Schon einmal gab es bei den Nibelungen Festspielen einen Preis. Damals, im ersten Jahr der Festspiele, gewann Wolfgang Pregler. Der spielte zwar in diesem Jahr auch wieder mit, gewann aber nicht. Den mit 10.000 Euro dotierten Mario-Adorf-Preis erhielt die österreichische Schauspielerin Ursula Strauss.
„Die Schädel der Männer, die mir im Wettkampf unterlagen, knüpfte ich an meinen Hüftgurt. Sie rochen streng, die abgeschlagenen Köpfe. Ich mochte es, dass meiner Feinde Häupter mit der Zeit zerfielen. Mal war‘s ein Augenlid, das sich löste. Mals war‘s ein ganzes Ohr, das mir vor die Füße fiel“, sinnierte Brünhild über ihre ruhmreiche Vergangenheit als unbestrittene Herrscherin über Island. Geschrieben wurde der kraftvolle Satz von Feridun Zaimoglu und Günter Senkel, doch Leben bekam dieser erst durch das nuancierte und dynamisch kraftvolle Spiel der Österreicherin Ursula Strauss eingehaucht. Eigentlich war Jürgen Prochnow der Star des Stückes, doch wer die gefragte Schauspielerin in der Rolle einer gedemütigten Brünhild sah, wusste, wer der eigentliche Star war. Ursula Strauss machte es ihren Kollegen nicht einfach, neben ihr zu bestehen. Dass sie nach der Pause ein wenig in den Hintergrund trat und dafür andere Schauspieler ihre Momente bekamen, empfand man fast als kleinen Verlust für die Entwicklung von „Siegfrieds Erben“. Ihre Darstellung wird dennoch bestens in Erinnerung bleiben. Nicht wenige waren im Vorfeld der Preisverleihung der Meinung, dass eigentlich die Videokünstler für ihre beeindruckend originelle Verfremdung des Doms den Preis verdient hätten, allerdings ist es schwierig, künstlerische Leistungen in solch unterschiedlichen Sparten gegeneinander aufzuwiegen. Verdient ist der Preis für Strauss‘ Leistung allemal. Initiiert und finanziert wurde der Preis übrigens von dem gebürtigen Wormser und in Berlin lebenden Unternehmer Harald Christ. Der ebenso politisch wie sozial engagierte Christ ist auch Mitglied im Kuratorium der Festspiele. Neben dem Geldpreis gab es auch eine gläserne Stele mit einem Drachen-Motiv des Illustrators Hendrik Dorgathen, die von dem Spezialglashersteller SCHOTT gespendet wurde. Überreicht wurde der Preis bei hochsommerlichen Temperaturen im Heylshofpark vom Namensgeber persönlich, Mario Adorf. Der feierte nach dem Ende der Intendanz Dieter Wedel 2015 seine Rückkehr zu den Festspielen, nachdem er sich viele Jahre zuvor mit Wedel zerstritten hatte.
Zufall oder Inspiration?
Ein neuer Grafikstil für die Nibelungen
Als in diesem Jahr bei der Pressekonferenz das Plakat zu „Siegfrieds Erben“ präsentiert wurde, sorgte dieses bei den Betrachtern eher für Verwunderung als für Bewunderung. Aus dem Motiv, das sich die Kölner Agentur „Am besten Gestern“ zurecht legte, ergaben sich für den gestandenen Nibelungenkenner durchaus viele Fragen.
Nach Sichtung des Stückes könnte man mit viel gutem Willen das ein oder andere Element durchaus im Sinne des Stückes interpretieren. So z.B. die öde Landschaft auf dem Plakat, die möglicherweise den heruntergekommenen Burgunderhof und die Nahrungsknappheit abbildet. Mit viel gutem Willen könnte man den Totenschädel in der Hand der gesichtslosen Frau als die sprichwörtlichen Hörner sehen, die sie allen anderen Figuren in „Siegfrieds Erben“ aufsetzt. Somit wäre die Frau auf dem Plakat Sieglinde, Siegfrieds Tochter, die geschickt eine Intrige eingefädelt hatte, um an das Erbe zu kommen. Ein kleiner Hinweis könnte in diesem Sinne auch das tätowierte Lindenblatt auf dem Unterarm der jungen Dame sein. Vielleicht war aber auch alles ganz anders und die Agentur ist einfach Fan der australischen Hard-Rock Band Mammoth Mammoth. Die wagten 2013 den Sprung über den Ozean und kamen für ein paar Konzerte nach Deutschland, u.a. nach Köln, der Heimatstadt besagter Agentur. Dort bewarb die Band ihr Konzert mit einem Plakat, dessen Motiv eine nicht zu verleugnende Ähnlichkeit mit eben unserem Nibelungen-Plakat aufweist. Womöglich erwarb einer der jungen Agenturinhaber ein solches Plakat und würdigte es mit einem besonderen Platz im Flur seines hippen Lofts. Als schließlich in diesem Jahr die Ausschreibung erfolgte und der künstlerische Leiter Thomas Laue, der in seiner Zeit in Köln mehrfach mit der Agentur arbeitete, diese aufforderte, sich zu bewerben, erinnerte man sich womöglich an das Plakat der hierzulande eher unbekannten Band, zog der Dame etwas an, machte aus Schwarz/Weiß matte Farbtöne und fertig war das Plakat. Nicht unbedingt ein Eyecatcher, aber schick genug, dass die Jury der Festspiele sich für dieses eigenwillige Motiv entschied. Wie hoch das Honorar für diese intensive Kreativleistung war, ist unserer Redaktion leider nicht bekannt. Man darf aber gespannt sein, wer im kommenden Jahr das passende Motiv liefert.