Tempo 30, Blitzer und die Stadt

Wenn es Nacht wird in Worms, verwandelt sich so manche Straße in eine illegale Rennstrecke. Das hat mitunter tödliche Folgen, wie im Juli 2022 als ein Mann beim Überqueren der Ludwigstraße nachts von einem 24-jährigen Mann, der mutmaßlich mit überhöhter Geschwindigkeit unterwegs war, überfahren wurde. Danach entbrannte erneut eine Diskussion darüber, ob Tempo 30 in der vielbefahrenen Straße eine Lösung sei?

Im Innenstadtausschuss forderten die Fraktionen von SPD und Grünen in einem Antrag die Einrichtung einer Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 Stundenkilometern im Bereich der Kita Ludwigstraße sowie das Aufstellen einer Blitzer Anlage. Auch die Wormser Zeitung griff das Thema auf und positionierte sich klar für die Forderung der Parteien. Die Stadt lud Mitte Oktober die Presse vormittags zu einem Vororttermin ein, um endgültig zu erklären, warum die Forderung nicht umsetzbar und keine Lösung des Problems ist. Die Straße ist gut frequentiert an diesem herbstlichen Vormittag. Busse, Transporter und Privatfahrzeuge kreuzen den Weg. Gebremst durch die Taktung der Ampeln, sind Raser an diesem Vormittag nicht zu entdecken. Das deckt sich auch mit den Verkehrsmessungen der vergangenen Monate, die die Stadt durchführte. Als man am 21.09. eine Messung durch- führte, zählte man in der Zeit von 10:10 bis 12:10 Uhr 683 Fahrzeuge, bei denen es zwei Geschwindigkeitsübertretungen gab, so Dieter Herrmann, Abteilungsleiter Straßenverkehrsbehörde. Nicht anders sah das an einem Donnerstagvormittag aus, wo von 1.022 gemessenen Fahrzeugen drei zu schnell unterwegs waren. Festzustellen ist allerdings der Trend: Je fortgeschrittener der Tag, desto mehr wird aufs Gaspedal getreten. So berichtet Herrmann, dass am 6. Oktober in der Zeit von 21:50 bis 1:15 Uhr bereits acht Verstöße bei gerademal 263 Fahrzeugen festgestellt wurden. Neben der Bereitschaft, am späten Abend das Tempo zu erhöhen, zeigt die Statistik aber auch, dass überhöhte Geschwindigkeit nicht durch eine vorgegebene Geschwindigkeitsbegrenzung gelöst wird.

„Wir dürfen und wir können nicht!“

Sich dessen bewusst, verweisen die Fraktionen in ihrem Antrag auch auf die Kindertagesstätte Ludwigstraße, deren Eingang allerdings in der weniger stark befahrenen Hagenstraße Richtung Kaiser-Heinrich-Platz liegt. Vertretend für die Stadt, erklärte Herrmann an diesem Vormittag: „Uns wird unterstellt, wir wollen nicht – aber wir dürfen und können nicht.“ Damit verweist er auf die rechtlichen Vorgaben. Tatsächlich dürfen Tempo 30 Zonen – vom Gesetzgeber her – nur in Ausnahmefällen eingerichtet werden. Da der Ludwigsstraße als Durchfahrtsstraße eine wichtige Funktion zukommt, bedarf es hier besonderer Begründungen. Das haben in den vergangenen Jahren die Stadt Mainz und die Kommune Bobenheim-Roxheim getan. Mainz begründete die Reduzierung mit Stickoxid Werten, während die Nachbargemeinde mit baulichen Beeinträchtigungen der Hauptstraße argumentierte. Beides würde in Worms nicht greifen, erklärt Herrmann. Auf die Frage, ob die Stadt Kenntnis darüber habe, ob es in den vergangenen Jahren zu Unfällen in Verbindung mit der Kita kam, verneint der städtische Mitarbeiter. Stephanie Lohr, die als Bürgermeisterin und Dezernentin an dem Gespräch teilnahm, ergänzte, dass eine Reduzierung der Geschwindigkeit auch Auswirkungen auf den öffentlichen Nahverkehr habe. So müsse die Taktung durch die verminderte Fahrgeschwindigkeit verändert werden, sodass womöglich weitere Busse eingesetzt werden müssten.

Kontrolldruck erhöhen

Dass sich die Ludwigstraße zu fortgeschrittener Stunde immer mal wieder zur Rennstrecke verwandelt, darüber ist sich die Stadt bewusst. Allerdings sind sich Lohr und Herrmann auch darüber im Klaren, dass die Ludwigsstraße nicht die einzige Problemstraße in Worms ist. Das können wahrscheinlich auch zahlreiche, über die Stadt verteilte Anwohner sofort bejahen. Für die Stadt steht außer Frage, dass man dem Problem nur durch erhöhten Kontrolldruck begegnen kann. Aber hierfür werden Personal und Blitzer benötigt. Letzteres vor allem in mobiler Form, um auch außerhalb der Arbeitszeiten der städtischen Mitarbeiter messen zu können. Zuletzt hatte man für eine dreimonatige Testphase einen mobilen Blitzer gemietet, der neben dem üblichen im Auto verbauten Blitzer zwölf Wochen lang 24 Stunden zum Einsatz kam. Der Erfolg war durchweg positiv, dennoch entschied sich die Stadt gegen einen Kauf. Nun soll es eine mobile Radaranlage richten. Die ist zwar zunächst fest im Auto verbaut, kann aber auch entnommen werden und über Nacht in einem stationären Kasten positioniert werden. Für Stephanie Lohr ein klarer Vorteil gegenüber dem klobigen grauen Trailer. Das Problem ist allerdings, dass es wohl noch ein Weilchen dauern wird, bis dieser flexibel eingesetzt werden kann. Hierfür müssen Bau- und Verkehrsbehörde drei bis fünf Standorte bestimmen, die im Anschluss eingerichtet werden. Zuvor muss allerdings das teure Gerät erst einmal angeschafft werden. Dann heißt es abwarten, ob kontinuierliches Blitzen zu einem veränderten Fahrverhalten führt.

 

Text: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf